Das war's. Der Wahlkampf ist gelaufen. Annalena Baerbock wird die nächste Kanzlerin. Die CDU kann viel Geld sparen, indem sie ihre Wahlkampfteams nach hause schickt. Vielleicht lohnt es sich, zu versuchen, noch ein paar Prozentpunkte zu retten, aber die Hoffnung auf eine weitere CDU-Kanzlerschaft kann die Partei aufgeben. Nicht mit Armin Laschet. Nicht mit einer Witzfigur, über die exakt einer lacht: er selbst.
In Wahlkämpfen entscheiden weniger die nüchternen Sachargumente, es entscheiden Emotionen. Denken Sie daran, wie Schröder in Gummistiefeln einen schon verloren geglaubten Wahlkampf doch noch für sich entscheiden konnte. Etwas Ähnliches hatte Laschet auch vor. Statt sich auf einer CSU-Klausur von der bayerischen Schwesterpartei auszählen zu lassen, weil er sich mit aller Macht gegenüber dem Selbstdarsteller Söder durchsetzen musste, der über ein Jahr lang als Krisenmanager in der Coronakrise punkten konnte, nutzte er die Gunst der Stunde, um sich in die Flutkatastrophengebiete Nordrhein-Westfalens zu begeben und dort den fürsorglichen Landesvater zu mimen. Das war im Kern auch eine sehr gute Idee, und wahrscheinlich hätte das Wahlkampmanöver funktioniert, hätte Laschet nicht in einigen wenigen Sekunden der Unachtsamkeit alles verspielt.
Es ist nichts Ungewöhnliches, auch in ernsten und schlimmen Situationen zu lachen. Das passiert immer wieder, weil sich über die Stunden und Tage Spannung aufbaut, die sich irgendwann entlädt. Menschen gehen unterschiedlich mit Trauer um, und nicht immer ist der Umgang logisch. Niemand hätte es Laschet verübelt, wenn er in der langen Zeit, die er mit Leid, Elend, Tod und Zerstörung konfrontiert war, an passender Stelle zur Auflockerung auch eine witzige Bemerkung fallen lässt. An passender Stelle. Nicht dann, wenn der Bundespräsident vor laufenden Kameras darüber spricht, wie sehr ihm diese Schicksale nahegehen.
Laschet ist seit Jahrzehnten im Geschäft. Sein Hauptargument gegenüber seiner gefährlichsten Konkurrentin besteht genau in der Erfahrung, die er ihr voraus hat, oder sagen wir besser: haben sollte. So ein Fehler, wie sich beim Herumblödeln filmen zu lassen, während das eigene Staatsoberhaupt den Ernst der Lage beschreibt, wäre selbst der sich mit der diplomatischen Sensibilität eines Polizeiräumkommandos agierenden grünen Spitzenkandidatin nicht passiert.
Es ist egal, worüber gesprochen wurde, worüber er gelacht hat. Die paar Sekunden, in denen Steinmeier redete, hätte Laschet sich beherrschen müssen. Statt dessen verbreiten sich die Aufnahmen der im Hintergrund feixenden rheinischen Frohnatur und rufen eine ähnlich katastrophale Öffentlichkeitwirkung hervor wie seinerzeit die Bilder von George Bush jr., als er sich mit einem Hubschrauber über das im Wasser versunkene New Orleans fliegen ließ. Da fragt niemand mehr über die konkreten Umstände und Hintergründe. Die Bilder sprechen für sich. Sie verbreiteten sich viral in den sozialen Medien, und die üblichen Berufsempörten stürzten sich hysterisch schreiend auf das zwanzigsekündige Video. Auf Sachebene hatten sie Laschet nicht in Bedrängnis bringen können. Nun jedoch haben sie die emotionale Keule, welche Laschets Genick brechen wird. Es ist Wahlkampf, da ist Profilierung wichtiger als die Leben Tausender, deren Existenz ein einer Nacht fortgespült worden war. Wenn es eine Geste gibt, die noch massiveres Desinteresse an menschlichen Schicksalen als Laschets dümmliches Grinsen ausdrückt, sind es die Tweets, in denen jedes Pixel der Filmaufnahmen analysiert wird, um mit einem vor Moral besonders triefenden Tweet ein paar Likes abzuräumen.
Wäre Laschet dieser Publicity-Fehler irgendwann im März oder April unterlaufen, hätte er die Scharte vielleicht noch auswetzen können, aber Mitte Juli, knapp zwei Monate vor der Wahl ist es zu spät. Die überschwemmten Gebiete werden noch lange die Schlagzeilen dominieren, und ebenso lang wird Laschet sich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit fragen lassen müssen: Na, Armin? Spaß gehabt? Ist schon lustig, wie die Leute um einen herum verrecken, wenn man jederzeit in den Bundeswehr-Helikopter steigen und sich zum schön trockenen eigenen Häuschen in Aachen fliegen lassen kann. Hach, Reichsein ist was Schönes.
Natürlich denkt Laschet nicht so - wenn er denn mal denkt. Das interessiert aber niemanden. Was interessiert, sind die Bilder. Umgekehrt könnte sich jetzt herausstellen, dass Baerbock schon beim Abitur vom Nachbarn abgeschrieben und während ihres Studiums nicht einmal ihre Seminararbeiten selbst verfasst hat. Das will im Moment niemand wissen. Was die Öffentlichkeit derzeit bewegt, ist die Erkenntnis: Die Grünen predigen seit ihrer Parteigründung die Gefahren des Klimawandels. Extremwetterlagen, Stürme, Überschwemmungen, das alles haben sie schon vor 40 Jahren prophezeit, und sie lagen nur insofern falsch, als dass ihre Szenarien früher eintraten als von ihnen befürchtet. Möglicherweise ist es weniger wichtig, ob Daimler schöne Gewinne verzeichnet. Vielleicht geht es erst einmal ganz platt um unser Überleben. Wir haben uns über das ganze Moralisieren und die vielen Verbote mokiert, die von den Grünen gefordert werden, aber es sieht so aus, als hätten sie recht.
So doof kann sich Baerbock gar nicht anstellen, dass sie diese Traumvorlage in der entscheidenen Wahlkampfphase nicht sicher verwandelt.
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