Hand hoch: Wer bedauert das Ende der Ampelkoalition? Niemand? Warum regt Ihr Euch dann so auf?
Hand hoch: Wer bedauert das Ende der Ampelkoalition? Niemand? Warum regt Ihr Euch dann so auf?
Seit neun Jahren werden wir nicht müde, es uns gegenseitig einzuhämmern: Trump ist dumm, Trump ist primitiv. Trump lügt, Trump trickst. Der Subtext lautet durchgehend: Angesichts dieses Ausmaßes an menschlicher, intellektueller und moralischer Verkommenheit werden alle erkennen, dass sie Trump nicht wählen können.
Doch, können sie, und ich verstehe auch, warum.
Spätestens am 27.12. eines Jahres beginnt zuverlässig die gleiche ebenso hysterisch wie folgenlos geführte Debatte, ob die Silvesterknallerei verboten werden soll. Mir ist es eigentlich egal, weil ich die Nacht zum Jahreswechsel so verbringe wie jede andere Nacht auch: schlafend, oder zumindest mit dem Versuch zu schlafen. Als Teenager fand ich das Reinfeiern noch interessant, mit guten Freunden sowie der heimlich Verehrten lauter ungesundes Zeug in sich hineinzustopfen, über Vergangenes und Zukünftiges zu sinnieren, gegen Mitternacht die Lieblingsplatte aufzulegen und dann irgendwann den Schlafsack auszurollen, um wenigstens ein bisschen Schlaf zu bekommen.
Dann kam das Raclette-Zeitalter.
Aiwanger. Hubert Aiwanger, oder auch Hubot Oiwongo, wie er sich selbst zu nennen pflegt. Die Synchronstimme von Seelefant aus den Urmelfilmen, wahlweise auch der Hund aus dem Loriot-Sketch, von dem es am Ende heißt: "Ich glaube, Ihr Hund kann gar nicht sprechen. Er beherrscht nur einen einzigen Laut, sowas wie 'o'." Der Mann, der nur wenige Sekunden zu reden braucht, um von jeder Amtsärztin den Hirntod attestiert zu bekommen. Als ich die Nachricht über den Flugblattfund in seinem Schulranzen hörte, war meine erste Reaktion: Unfassbar, Aiwanger kann schreiben?
Es bedarf nicht zwangsläufig einer Horde Nazis, um ein an sich interessantes Medium in einen schwer erträglichen Ort zu verwandeln. Mastodon zum Beispiel war einmal ein beschaulicher Nerd-Tummelplatz, die sich ab und zu mal eine Nachricht schickten, ansonsten aber sich angenehm ruhig verhielten. Mastodon, darüber waren wir uns einig, ist ganz nett, aber unbedeutend. Es gab keinen Grund, sich aufzuplustern, weil sowieso kaum jemand davon etwas mitbekommt.
Dann kaufte Elon Musk Twitter.
In Hamburg betritt ein ehemaliger Zeuge Jehovas einen Königreichssaal, erschießt sieben Menschen und anschließend sich selbst. Wie immer nach solchen Taten schauen jetzt alle zurück auf deren Vorgeschichte und defäkieren klug, wie das Ganze hätte verhindert werden können. Das ist etwa so sinnig, als fragten Sie nach einem verwandelten Elfmeter den Torwart, warum er sich nicht in die richtige Ecke gestellt hat, wo doch so klar war, dass der Schütze dorthin zielen wird, aber offenbar ist es das, was im Journalismusstudium als "kritische Berichterstattung" verkauft wird.
Eigentlich könnte es mir völlig egal sein, wer sich wann warum wo auf welche Straße klebt. So selten, wie ich Auto fahre, müsste es schon ein enormer Zufall oder der Protest enorm eskaliert sein, wenn ausgerechnet ich in einem von der "Letzten Generation" verursachten Stau stehe. Trotzdem fühle ich mich von dieser Aktionsform aus mehreren Gründen genervt.