Samstag, 21. April 2012

FrOSCon 2012 startet Beitragsaufruf

Ausnahmsweise einmal kein Genörgel, sondern der Hinweis auf eine sehr schöne Open-Source-Messe in St. Augustin bei Bonn. Diesmal liegt einer der thematischen Schwerpunkte beim Datenschutz, was mich wiederum veranlasst, Sie zu fragen, ob Sie nicht einen Vortrag einreichen wollen. Details siehe unten oder auf den Seiten der FrOSCon.


# Call for Papers FrOSCon 2012 #

Die FrOSCon, eine zweitägige Konferenz für NutzerInnen und EntwicklerInnen
von Freier und Open Source Software, findet dieses Jahr zum siebten
Mal an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin bei Bonn statt.
Veranstaltet wird sie vom Fachbereich Informatik in Zusammenarbeit mit der
Linux/Unix User Group Sankt Augustin, der Fachschaft Informatik und dem
FrOSCon e.V.

Im Vordergrund steht ein reichhaltiges Vortragsprogramm, das aktuelle
Themen aus dem Bereich Freie Software und Open Source beleuchtet. Darüber
hinaus besteht die Möglichkeit, dass Aktive der großen Freien Software-
oder OpenSource-Initiativen, Räume und Einrichtung für eigene Treffen
nutzen oder auch ein eigenes Programm / eine eigene Subkonferenz
organisieren. Abgerundet wird die Veranstaltung durch einen Marktplatz mit
Ständen von FLOSS-Projekten und -Unternehmen.

# Thematische Schwerpunkte #

Wir suchen Beiträge zu aktuellen Entwicklungen aus dem gesamten Bereich Freie
Software und Open Source, wie z.B.: 
- Betriebssysteme Entwicklung
- Administration 
- Sicherheit 
- Rechtliche Fragen 
- Desktop 
- Bildung

Insbesondere würden wir uns über Beiträge zu folgenden Themen freuen:

OpenData - Freie Software Anwendungen und Entwicklungen im Bereich Open
           Science und Open Government

Big Data - Erfahrungberichte und Vorträge über Semantische Technologien,
           Geo-Mapping, Deduplication, Visualisierung

Digital Privacy - Best Practices for users and developers, Distributed
                  Privacy, Data Leakage

Bis zum 23. Mai 2012 können EntwicklerInnen und ExpertInnen, die
interessiert sind einen Vortrag oder Workshop zu halten, ihre Beiträge
einreichen. Die Auswahl durch das Programmkomitee erfolgt Anfang Juni.

# Einreichung von Beiträgen #

Die Registrierung und die Einreichung von Beiträgen erfolgt ausschließlich
webbasiert über das Frontend unter http://cfp.froscon.org. Zur Teilnahme
am Call for Papers ist es notwendig, eine kurze Zusammenfassung, sowie
eine ausführlichere Beschreibung einzureichen. Für die Teilnahme an der
Konferenz ist es zudem notwendig, Vortragsfolien einzureichen.

# Sprache #

Beiträge können sowohl in Deutsch als auch in Englisch eingereicht
werden. Welche der beiden Sprachen gewählt wird, sollte nur danach
entschieden werden, in welcher Sprache man das jeweilige Thema besser
präsentieren kann. Die Sprache der eingereichten Texte und des Vortrags
sollten dabei übereinstimmen. 

# Länge der Beiträge #

Das Abstract sollte möglichst genau und prägnant die geplanten Inhalte des
Vortrags darstellen. Es wird daher kein genauer Umfang vorgegeben.

Die Vorträge hingegen sollten im Regelfall 45 Minuten nicht überschreiten,
um in insgesamt 60 Minuten Raum für Fragen und Umbau für den nachfolgenden
Redner zu erlauben.

In Einzelfällen können auch längere Beiträge akzeptiert werden. Wir bitten
in diesen Fällen um eine gesonderte Begründung für den größeren Umfang.

# Formate #

Die Zusammenfassung und die Beschreibung müssen als plain text in das
Webfrontend eingetragen werden.

Vortragsfolien bitten wir als PDF einzureichen. In Absprache können auch
andere offene Dokumentenformate wie beispielsweise OpenOffice akzeptiert
werden.

# Lizenzen #

Die Zusammenfassung, die Beschreibung und die Folien werden auf der
Webseite veröffentlicht, die Zusammenfassung zudem noch im
Konferenzprogramm abgedruckt. Daher müssen wir darauf bestehen, dass die
Einreichungen zumindest unter die Creative Commons
Attribution-NonCommercial 2.0 Germany
(http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/de/) Lizenz gestellt werden.

Sofern bei der Einreichung keine Aussage zur Freigabe gemacht wird, gehen
wir von dieser Lizenz aus. Wer seine Werke unter eine weniger restriktive
Lizenz stellen möchte, muss bei der Einreichung darauf hinweisen. 

# Auswahl der Beiträge #

Die Auswahl der Beiträge erfolgt auf Basis des Inhalts durch ein
Programmkomitee. Wir bitten um Verständnis, dass wir je nach Anzahl und
Qualität der Einreichungen nicht alle Beiträge in unser Programm aufnehmen
können. Bei der Auswahl werden solche Beiträge bevorzugt, die zu den o.g.
Themenschwerpunkten passen. 

# Sonstiges Vergütung für Beiträge #

Die FrOSCon wird ehrenamtlich organisiert und finanziert sich im
Wesentlichen durch Sponsoring. Wir bitten daher um Verständnis, dass
keine Aufwandsentschädigung für Beiträge gezahlt werden kann. 

# Unterkünfte #

Es wird für die ReferentInnen ein Kontingent von Zimmern in einem
naheliegenden Hotel reserviert. Die Einzelheiten dazu teilen wir mit,
sobald der Beitrag angenommen wurde. 

# Social Event #

Für den Abend des 25.8. planen wir einen Social Event. Alle ReferentInnen
sind selbstverständlich herzlich eingeladen, hieran teilzunehmen. 

# Wichtige Termine und Kontaktdaten #

23.05.2012 Ende des Call for Papers. Alle Beiträge müssen bis zu diesem
           Termin eingegangen sein, um berücksichtigt werden zu können.

06.06.2012 Benachrichtigung über Annahme oder Ablehnung der Beiträge.

24.06.2012 Endgültige Zusage. Um eine endgültige Zusage der eingeladenen
           ReferentInnen wird bis zu diesem Termin gebeten.

03.08.2012 Letzter Termin für die Abgabe der Vortragsfolien.

25.08.2012 Beginn FrOSCon 2012

Alles weitere findet sich im Web unter http://www.froscon.de.

Fragen zum Call for Papers per E-Mail bitte an: programm@froscon.de
Kontakt zum Organisationsteam per E-Mail: kontakt@froscon.de

Postanschrift:

FrOSCon e.V.
c/o Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
Grantham-Allee 20
53757 Sankt Augustin

# Kids Track / FrogLabs #

Bei den so genannten FrogLabs, dem Kinder- und Jugendprogramm der FrOSCon,
möchten wir Kinder und Jugendliche dieses Jahr auch zum eigenständigen
Leiten von Workshops motivieren. Den seperaten Call for Projects werden
wir demnächst ankündigen, alle weiteren Informationen stehen bald unter
http://kids.froscon.org zur Verfügung.

Samstag, 14. April 2012

Meine unpassende Metapher gehört mir

"Mein Kopf gehört mir." Na zum Glück, ich will diese Sondermülldeponie auch gar nicht haben. Jetzt ist also das eingetreten, wovor die selbsternannten Qualitätsjournalisten seit Beginn des Blogzeitalters immer wieder warnten: Jeder Schwätzer kann ungehindert jeden Blödsinn ins Netz krakeelen. So zum Beispiel "mehr als 160 Vertreter aus Kunst, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik", wie das "Handelsblatt" stolz posaunt, und um gar nicht erst den Verdacht einer differenzierten thematischen Auseinandersetzung aufkommen zu lassen, greift man einmal ganz tief in die Mottenkiste vergangener Kampagnen und wandelt den Slogan einer über 40 Jahre alten Bewegung für seine Zwecke um. Schade, dass die intellektuelle Schaffenselite unseres Landes nicht eine Sekunde damit verbrachte, sich über den historischen Hintergund der Parole zu informieren, denn sonst hätte sie gemerkt, wie grandios sie sich vergriffen hat.

Worum ging es? Vor 40 Jahren war Abtreibung pauschal verboten. Um den gesellschaftlichen Diskurs anzustoßen, bekannten sich im "Stern" über 374 Frauen zur Straftat, abgetrieben zu haben. Die sich daraufhin entwickelnde Aktion gegen den § 218 gab sich das Motto "Mein Bauch gehört mir". Es ging also um die Frage, ob und in welchem Umfang eine Frau über den Fortbestand eines Lebens bestimmen darf, das meist mit ihrem Zutun in ihrem Körper begann und sich dort entwickelt - ob sie es nun will oder nicht. Es gibt Situationen, in denen eine Frau es als unzumutbare Belastung empfindet, dieses Leben zur Welt zu bringen. Ich unterstelle den meisten Frauen, dass ihnen diese Entscheidung nicht leicht fällt, dass ihnen die moralischen Implikationen bewusst sind und dass sie nicht aus einer Tageslaune heraus diesen unumkehrbaren Entschluss treffen.

So, und diese Entscheidung über Leben und Tod soll was bitte noch einmal mit dem Verfassen eines Popsongs zu tun haben? Haben Sie mitgezählt, an wie vielen Stellen dieses Bild nicht stimmt?

Entwickeln wir die Parallele etwas weiter: Am Zeugen eines Kindes ist auf jeden Fall ein weiterer Mensch beteiligt - so wie keine kreative Idee zustande kommt, ohne dass man sich vorher von anderer Stelle Anregungen geholt hat, aber jetzt, da diese aus fremden Gedanken entstandene Idee in meinem Kopf ist, gehört sie plötzlich mir allein. Nun gut, das mag man meinen. Was aber, wenn diese Idee wieder meinen Kopf verlässt, so wie ein Kind geboren wird? Beim Kind passiert dann nämlich etwas, was Künstler und Autoren beunruhigen dürfte: Es gehört nicht mehr allein der Mutter. Es gehört in allererster Linie sich selbst, hat einen eigenen Willen und ein Recht darauf, sich selbst weiter zu entwickeln. Etwas allgemeiner gehört es seinen Eltern, die Verantwortung für die Pflege und Erziehung des Kindes tragen, aber auch sie können nicht willkürlich entscheiden. Noch beunruhigender: Dieses Kind wird rasch älter. Schon sehr bald werden wir es als unnatürlich empfinden, wenn es noch immer gesäugt wird. Es wird zur Schule gehen, mit vielen anderen Menschen zusammentreffen, und irgendwann wird der Punkt gekommen sein, an dem das Kind erwachsen ist und das Elternhaus verlässt. Gucken Sie mal nach, wie lächerlich wir es finden, wenn man ewig im "Hotel Mama" wohnt. Nein, man soll in die Welt hinaus, meist viele Jahrzehnte vor dem Tod der Eltern. Ach ja, und dass Kinder für ihre Eltern Geld anschaffen gehen, sieht der deutsche Gesetzgeber mit äußerster Skepsis.

Überlegen Sie mal, welche Implikationen diese Parallele auf das Urheberrecht hätte.

Montag, 9. April 2012

Deutsche Riten Teil 2 - Vordenker

"Günter - wer?" - "Grass." - "Und wer soll das sein?" - "Weiß nicht genau, irgendosein Typ halt."

Dieser Dialog wird wohl leider nie stattfinden, allenfalls in ein paar Jahrzehnten, wenn dieser Mann und diejenigen, die so einen Popanz um ihn veranstalten, den Weg alles Irdischen gegangen sein werden und die Zeit dazu beitrug, seine Bedeutung auf die ihm angemessene Größe schrumpfen zu lassen.

Gut, er hat einen Literaturnobelpreis, aber erstens bekam er den nicht für jede seiner vor Selbstgefälligkeit strotzenden Äußerungen, sondern für das eine, Ende der Fünzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts geschriebene Buch, dem man eine gewisse Relevanz nicht absprechen kann: die "Blechtrommel".

Das reicht dem Deutschen natürlich nicht. Er braucht Superhelden, geistige Führer, intellektuelle Lichtgestalten, die stellvertretend für ihn die Fahne der "Dichter und Denker" hochhalten. Das allein erklärt, wie ein ehemaliger, in den frühen Achtzigern gestürzter Bundeskanzler nahezu Heiligenstatus genießt. Das erklärt, warum ein Literaturkritiker, der wahrscheinlich deswegen irgendwelche unlesbaren Schinken in den Rang ewiger Meisterwerke erhebt, weil er sicher sein kann, dass niemals jemand den Blödsinn lesen und den Kritiker einen Scharlatan zeihen wird, unangefochten ganze Fernsehsendungen bestreitet. Das erklärt, warum eine ehemalige EKD-Ratsvorsitzende neben aller berechtigten Anerkennung blindlings wie ein Popstar verehrt wird.

Nun hat also der selbsternannte Enkel Thomas Manns wieder die Sehnsucht nach Schlagzeilen verspürt. Wahrscheinlich liegt bei Gelegenheit ein neues Buch an, und da ist es nicht falsch, sich in Erinnerung zu rufen. Heraus kam etwas, das bei jedem Deutschlehrer binnen Sekunden eine Fünf kassiert hätte, wäre es ohne Namensnennung veröffentlicht worden. Selbst die kritikloseste Schülerzeitung hätte sich dreimal überlegt, ob sie wirklich jedes Pennälergekritzel abdrucken will.  Trägt der Pennäler jedoch einen Nobelpreis, muss das, was er von sich gibt, irgendeine Relevanz besitzen.

Was folgte, ist das typische deutsche Empörungsritual, vermischt mit dem ungläubigen Entsetzen darüber, dass der teutonische Denktitan so daneben greifen konnte. Nachdem sich jetzt auch der letzte Schwätzer darüber auslassen durfte, dass ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS einen solchen Text verfasst, gehen wir langsam zur Phase 2 über - zur Relativierung.

Eingeleitet wird diese Phase dadurch, dass irgendeiner der Kritiker die Sache übertreibt. In diesem speziellen Fall ist es das Einreiseverbot nach Israel nebst der vom israelischen Innenminister erhobenen Forderung nach Aberkennung des Nobelpreises. Das wirkt selbst auf die schärfsten Gegner langsam etwas albern, und da es andrenalindurchtränkten Köpfen schwer fällt, zwischen Aussage und Person, Ursache und Wirkung, Reaktion und dem eigentlichen Kern des Streits zu differenzieren, wird mit dem Unverständnis über die Reaktion der israelischen Regierung auch eine Rehabilitation der umstrittenen Äußerungen stattfinden. "Was gesagt werden muss" - das klingt doch schon so nach "Man wird ja wohl noch mal sagen dürfen." Angesichts des Fäkalsturms bekommen einige Leute Mitleid, und irgendwann trauen sich dann auch wieder diejenigen aus der Deckung hervor, denen der Gescholtene aus dem Herzen sprach. Als Ergebnis kommt ein "irgendwo hat er ja doch Recht" heraus. Das funktionierte fantastisch bei einer ehemaligen Tagesschausprecherin und einem ehemaligen Bundesbanker, die beide mit einigen gut dosierten Provokationen ihre Buchverkäufe ankurbelten - wissend, dass sie nur stoisch den automatisch einsetzenden Entrüstungssturm erdulden mussten, um daraus als Märthyrer für die Wahrheit hervor zu gehen.

Das Verhältnis des Deutschen zu seinen Vordenkern hat borderlineartige Züge. Entweder Lichtgestalt oder Teufel, dazwischen gibt es nicht viel. Hat man erst einmal eine Rolle zugeteilt bekommen, ist es aufgrund der darauf einsetzenden selektiven Wahrnehmung fast unmöglich, aus ihr auszubrechen. So musste Richard von Weizsäcker exakt eine wirklich gute Rede halten, um zu erreichen, dass die vielen relativ belanglosen Reden, die er in der Folge hielt, nur im Licht seiner zu Recht gerühmten Worte zum 8. Mai gesehen wurden. Ähnlich geht es Päpsten. Wenn Ratzinger eine Rede hält, flüstern wir ehrfurchtsvoll, wir werden wohl Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte brauchen, um die volle Bedeutung seiner Worte zu erfassen. Unsinn, der Kerl bringt es einfach nicht fertig, sich verständlich auszudrücken, schwaches Bild für den Inhaber eines akademischen Lehramts, aber so ist es nun einmal.

Will man die Seite wechseln, reicht es also nicht aus, einfach mal etwas Dummes zu sagen, da müssen die Reizthemen her, mit denen man zuverlässig seine Fanboys irritieren kann. Wichtig ist auch: Ist man erst einmal auf der dunklen Seite der Macht, gibt es kein Zurück mehr. Die neuen Freunde müssen einen für den Rest der Zeit durchfüttern.

Damit die Schlauköpfe unserer Nation auch zuverlässig von den Dummerles unterschieden werden können, bedarf es natürlich einiger Insignien. Rauchen (Grass, Schmidt) ist schon einmal ein guter Ansatz, Schnurrbart (Biermann, Grass) kommt auch immer gut, ganz wichtig sind aber auch bizarre Kleidung (Grass, Papst) und narzisstisches Auftreten (Schmidt, Reich-Ranicki, Biermann, Grass). Haben Sie gesehen, wer in allen Klammern vorkam? Wissen Sie jetzt, warum der Mann einfach intellektuell sein muss?

Allein schon aus statistischen Gründen ist es äußerst wahrscheinlich, dass im deutschsprachigen Raum mindestens 10 Millionen Menschen erheblich schlauer als man selbst sind. Doch Vorsicht: Erstens sind sie es nicht immer und vor allem auch nicht in allen Disziplinen. Ein Heiliger ist nicht rund um die Uhr heilig. Die meiste Zeit über verzapft er sogar unfassbaren Unsinn. Das ändert nichts daran, dass wir ihn für seine großen Momente bewundern können, so lange wir den Rest ebenfalls wahrnehmen und sauber einordnen. Wer seine Heiligenbilder nicht auf zu hohe Sockel stellt, riskiert auch nicht, dass diese beim Herunterfallen zu hart aufkommen.

Was das für Grass heißt? Nun, lassen Sie es mich mit den folgenden Zeilen sagen, die ich Sie mit bedächtiger Stimme im Ledersessel Ihrer Bibliothek zu lesen bitte, die Halbbrille auf der Nasenspitze sitzend:

Was beklagt werden muss

Ein
Gedicht
entsteht nicht allein
dadurch,
dass man einen albernen Schnurrbart
eine schlecht sitzende Strickjacke
und eine Pfeife in der Hand trägt.

Manchmal
entsteht es auch
durch eine klemmende
Returntaste.

Obsolete Dreckstechnik Teil 3 - Recyclingcontainer


Auf Twitter las ich vor einiger Zeit die Nachricht: "Deutschland ist, wenn neben dem Container für Grün-, Weiß- und Braunlglas einsam eine kleine, blaue Flasche steht." Treffender kann man es nicht schreiben.

Das Irre ist nur: Die meisten Leute finden das nicht komisch, das ist für sie ein ernsthaftes Problem. Suchen Sie im Internet nach dem Einleitungssatz dieses Artikels, und Sie finden reichlich, lange und engagierte Forendiskussionen zu genau diesem Thema.

Können Sie sich noch erinnern, wie seinerzeit die Mülltrennung eingeführt wurde? Natürlich gab es den üblichen Proteststurm, wie immer, wenn der Deutsche auch nur marginal seinen zwanghaften Lebensstil ändern muss. Auffällig war nur: Die Aufregung legte sich schneller als sonst, bot die Neuerung dem Deutschen doch das, was er immer schon liebte: die Möglichkeit zu sortieren. Selektieren, Gutes von Schlechtem trennen, Kategorien finden und Dinge dort einordnen, bloß kein Durcheinander, das liebt der Deutsche, egal, welcher sozialen, politischen oder ethischen Strömung er sonst angehört. Erinnern Sie sich noch, als die Piraten ihre ersten lautstarken Gehversuche auf der politischen Bühne unternahmen? Ja, natürlich ging es da auch ein wenig um Inhalte, aber was vor allem geklärt werden musste, war die Frage: Sind die nun links oder rechts? Sehen Sie sich an, was passiert, wenn politische Ämter zu vergeben sind. Am Rande kümmert man sich auch etwas darum, ob die Kandidaten etwas können, aber viel wichtiger ist doch: Mann oder Frau? Ausländer oder Deutscher? Ostdeutsch oder westdeutsch? Evangelisch oder Katholisch? Bayer oder Franke? Homo oder hetero? Erst wenn die Quote geklärt ist, kümmert man sich um Nebensächlichkeiten wie politische Programme.

Die Mülltrennung traf also mitten in die deutsche Volksseele hinein. Neue Mülltonnen wurden angeschafft - Ordnung muss sein. Merkblätter wurden herausgegeben, in denen genau geschildert wurde, wie der wertvolle Sekundärrohstoff zu behandeln sei: Schraubverschlüsse müssen selbstverständlich von den Flaschen runter, bevor sie im Container landen. Anders ist es bei Pfandflaschen, da muss der Verschluss drauf bleiben, um das Gewinde zu schützen. Joghurtbecher - ganz wichtig! - vorher auswaschen. Man kann den Müllmännern ja keinen dreckigen Müll zumuten. Ich möchte lieber nicht wissen, wieviele Kubikkilometer Spülwasser jedes Jahr bei der Reinigung von Joghurtbechern entstehen - der Umwelt zuliebe. Hat eigentlich jemals jemand darüber nachgedacht, was passiert, wenn man so einen Becher einschmilzt? Glauben Sie mir, das sind Temperaturen, bei denen etwas angekrustete Milch keine Chance hat. Davon abgesehen: Wissen Sie, was passiert, wenn die Müllwagen in die Abfallbetriebe fahren? Die sortieren den Kram, aber diesmal richtig.

In den späten Achtzigern, da mag die Vorsortiererei noch ansatzweise Sinn ergeben haben, und selbst da habe ich Glascontainer gesehen, die außen drei verschiedene Einwurflöcher, drinnen aber keine Trennwände besaßen. Ich hatte vor einem Jahr die Gelegenheit, mit einem relativ weit oben sitzenden Mitarbeiter unserer örtlichen Müllbetriebe zu reden. Wissen Sie, was der sagte: "Gelbe, blaue, braune, graue Tonne - alles Unsinn. Sie können getrost alles zusammenkippen, wir kriegen das schon getrennt. Wir planen sogar, diese ganzen verschiedenen Tonnen abzuschaffen und nur noch eine hinzustellen." Warum das nicht geschieht? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich, um die Massenpanik zu vermeiden, die ausbricht, wenn der Deutsche nicht mehr sortieren darf.

Obsolete Dreckstechnik Teil 2 - WLAN



Das mag jetzt etwas überraschen. WLAN, so werden die Meisten einwenden, sei doch eine großartige Idee, endlich lägen nicht mehr überall diese lästigen CAT-5-Kabel herum, über die man ohnehin nur stolpert, was in der Regel zu katastrophalen Hardwareschäden führt.

Man mag mich ewiggestrig zeihen, aber in meiner Kindheit gab es etwas, das nannte man Vorsicht, und genau so etwas wie das sorgsame Verlegen von und Beachten herumliegender Kabel lernt man spätestens dann, wenn man seine Stereoanlage gehimmelt hat, weil man sich in einem Lautsprecherkabel verheddern zu müssen geglaubt hat.

Gehöre ich etwa zur Elektrosmog-Fraktion? Himmel nein, quillt etwa, während Sie diesen Artikel lesen, Granderwasser aus Ihrem Rechner oder riecht es nach Räucherstäbchen? Nein, der Grund ist viel einfacher: Der Kram funktioniert nicht.

"Wieso? Bei mir klappt's ganz famos (um dieses Wort völlig unangebracht hier zu verwenden)", werden Sie sagen. Natürlich ist mir klar, dass die meisten Anwender die meiste Zeit über mit dieser Technik klarkommen, aber da ich einen Großteil meines Lebens damit verbringe, anderer Leute Rechner zu administrieren, habe ich ein gutes Gespür dafür, was schief geht, wenn etwas schief geht, und jetzt raten Sie mal, worauf knapp die Hälfte der Einsätze, zu denen ich gerufen werde, hinaus läuft.

Das Symptom ist natürlich immer gleich: "Ich komme nicht ins WLAN." Im einfachsten Fall ist die Sache damit erledigt, dass man den Sender einfach hinter dem Sofa hervor holt. "Das ist auch kein Wunder", werden Sie einwenden. "Das Sofa schirmt natürlich das Signal ab." So gründlich, dass ein zwei Meter entfernt stehender Rechner den Sender überhaupt nicht mehr in seiner Liste aufführt? Kann man vom Endnutzer wirklich verlangen, das zu ahnen?

Ein anderer Klassiker: Der Nachbar ist ein freundlicher Mensch und gestattet das Mitsurfen in seinem WLAN. SID, Passwort, alles vorhanden. Zwischen uns und dem Internet liegen vermeintlich nur ein paar Tastendrucke.

Natürlich funktioniert auch das nicht. Der Grund liegt darin, dass der Treiber die Passworteingabe auf sehr individuelle Weise in ein für ihn verwertbares Format umwandelt, und natürlich gibt es keinen Standard, der hier für Klarheit sorgt. Mit anderen Worten: Ein und dasselbe Passwort kann auf zwei verschiedenen WLAN-Karten unterschiedlich codiert werden, und natürlich akzeptiert der Zugangspunkt nur eine der beiden Versionen.

Manchmal scheint auch alles in Ordnung. Der Rechner verbindet sich, die Übertragung ist stabil, alle sind glücklich. Bis auf einmal.

Auf einmal nämlich kommt die Verbindung nicht zustande, ohne dass der Anwender sich einer Schuld bewusst ist. Im einfachsten Fall reicht es, den WLAN-Zugangspunkt aus- und anzuschalten, was ich allerdings schon reichlich bizarr finde. Wie kläglich muss ein Treiber zusammengeschmiert sein, der tagelang klaglos Daten verteilt und dann ohne tieferen Grund beschließt, in schmollendes Schweigen zu versinken? Welche Peinlichkeiten spielen sich da auf Codeebene ab? In meiner Kindheit gab es so altmodische Dinge wie Radios, als auch Funkempfänger. Die liefen, wenn man sie ließ, wochenlang durch. Die musste man nicht alle zehn Tage aus- und anschalten, weil sie sich aufgehängt hatten.

Das An- und Ausschalten funktioniert freilich nicht immer. Manchmal liegt die Ursache auch darin, dass ein aktualisierter Treiber - generell eine gute Idee - auf einmal irgendeinen Funkstandard nicht mehr sauber unterstützt. Warum das niemandem auffiel, bevor der Kram auf den Markt geschleudert wurde? Wir können nur raten.

Obsolete Dreckstechnik Teil 1 - Die Caps-Lock-Taste


Im Alter wird man mild und weise, heißt es. Angesichts der Großen Reise, die man nun bald anzutreten im Begriff ist, sieht man gnädig über diverse irdische Widrigkeiten hinweg, denkt holistischer, erkennt, dass die globalen Zusammenhänge, die nun im Lichte über Jahre gewachsenen Wissens immer klarer erkennbar werden, so wichtig sind, dass es nicht lohnt, sich in Details zu verlieren.

Blödsinn. Ich bin der verbitterte Alte, der mit seinem Gehstock auf der Parkbank sitzt und mit Erdklumpen nach Radfahrern wirft - einfach, weil er sie nicht leiden kann.

In diesem Sinne habe ich mir erlaubt, eine Liste von Technologien zu erstellen, die hemmungslos überholt sind, nie richtig funktioniert haben oder es aus einem anderen Grund verdienen, sofort ihren Platz auf dem Müllberg einzunehmen, aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen penetrant weiter eingesetzt werden, was für mich ein weiteres Indiz darstellt, dass dieser Planet von Deppen geführt wird.

Die Caps-Lock-Taste


Hand hoch: Wer mit einem IQ jenseits der Feuerqualle hat diese Taste in den vergangenen Jahrzehnten ernsthaft benutzt? Sie in der vierten Reihe? Lassen Sie den IQ noch einmal messen. Auf meiner Tastatur ist Caps-Lock hinter Space, Return und Backspace die viertgrößte Taste. Benutzt habe ich sie in den vergangenen drei Jahrzehnten exakt einmal, als ich mit zwischen Schulter und Wange eingeklemmtem Telefonhörer und Kugelschreiber in der Rechten mit der linken Hand ein Drei-Buchstaben-Kürzel eingeben wollte und zu faul war, den Kugelschreiber hinzulegen. Berührt habe ich diese Taste hingegen millionenfach, und stets war die Auswirkung die gleiche: Adrenalinausstoß, das Getippte löschen, Caps-Lock zum Entsperren drücken und noch einmal schreiben.

Wer nach dem Schreibmaschinenzeitalter geboren wurde, hat im Zweifelsfall nicht die leiseste Ahnung, wozu diese Taste gut sein soll, und selbst wer wie ich noch das sinnliche Vergügen genießen durfte, an einer majestätisch brummenden IBM-Kugelkopfschreibmaschine sitzend perfekt geformte Tasten drückend das Maschinengewehrrattern ganzer Weltkriege herauf zu beschwören, das dann, den Widerspruch kaum ahnend, sich auf dem Papier in Form eines Flugblatts gegen die Pershing-2-Stationierung in Westdeutschland niederschlug, dürfte sich nur mit Mühe an die wenigen Momente erinnern, in denen er die Sperrtaste benutzt. Das war übrigens auch den Konstrukteuren solcher Tastaturen klar, und so übernahmen sie den aus der Ära der Hebelschreibmaschinen stammenden deutlich höheren Druckwiderstand dieser Taste sogar in die frühe PC-Generation. Wer damals versehentlich auf Caps-Lock kam, spürte sofort, dass da etwas falsch war und ließ los, bevor die Taste einrasten und ihr unheilvolles Werk beginnen konnte. Heute hingegen werden Tastaturen von Rechnungsprüfern und vollgekifften Designstudenten zusammengekloppt, Leuten also, die selbst von Maus und Tatschskrihn intellektuell völlig überfordert sind, was zu so absurden Tastenlayouts führt wie daumenkuppengroßen Space- mit direkt daneben liegenden Windows-Tasten, auf denen zur Not ein Helikopter landen kann, was einzig der Präsentation des Produktlogos dient und ansonsten allenfalls die Frage beantworten hilft, wieviel Stresshormone der menschliche Körper pro Minute maximal ausstoßen kann. Einzig diese Leute sollten wenigstens der Theorie nach erklären können, warum sie im Zeitalter der Säkularisierung eine heilige Furcht verspüren, diese komplett sinnlose Taste bei der nächsten Layoutüberarbeitung einfach weg- und meinetwegen Shift doppelt so groß ausfallen zu lassen. Natürlich können sie es nicht erklären. Statt dessen sehen sie lieber zu, wie sie Tatstaturkappen abflachen, damit man nicht mehr genau sagen kann, wo genau sich der Finger befindet. Das sieht zwar wahnsinnig steilisch aus, und Medienzombies mit Bättschlä in Aatdisein können damit vielleich ganz toll an ihren Projekten arbeiten, aber wer sein Geld verdient anstatt es zu bekommen, runzelt bei solchem Firlefanz nur die Augenbrauen.