Donnerstag, 24. Dezember 2020

Die Sehnsucht nach dem Führer

Wer so wie ich in einer Firma arbeitet, deren Daseinszweck nicht darin besteht, irgendeinen realen Wert zu schaffen oder gar etwas zu leisten, sondern die einzig dazu dient, die Aktionäre zu befriedigen, kennt den in solchen Firmen üblichen erratischen Führungsstil. Das ist auch nicht verwunderlich, denn letztlich ist die Börse nichts mehr als eine Zockerbude für BWLer. Ich weiß, jetzt schreien wieder ein paar Leute auf und erzählen mir aufgeregt was von Trendanalysen, Anlagestrategien und Benchmarks. Ich will auch nicht bestreiten, dass es gewisse Regelmäßigkeiten und Wahrscheinlichkeiten gibt, aber das ist ungefähr so wie der Unterschied zwischen Roulette, Black Jack und Fußballtoto. Natürlich ist es wahrscheinlich, dass Bayern wieder Meister wird, aber wenn das von vornherein klar wäre, bräuchten wir keine Bundesliga, und insbesondere, wenn wir nicht auf die komplette Saison, sondern einzele Spiele wetten, wird die Sache schon arg spekulativ. Auch Köln kann gegen Bayern gewinnen.

Samstag, 12. Dezember 2020

Debattenkultur auf Mittelstufenniveau

Irgendwann in der gymnasialen Mittelstufe kommt der Zeitpunkt, an dem wir lernen, wie Argumentationen geschrieben werden. Das Ergebnis sind Dutzende furchtbar langweilige, uninspiriert geschriebene Hausarbeiten zu einem unverfänglichen Thema, deren einziger Zweck darin besteht, die Grundtechniken einzuüben. Wir lernen ein paar Phrasen, mit denen wir die einzelnen Abschnitte einleiten können, vor allem aber lernen wir das Sammeln und Anordnen der Argumente und einige Tricks, wie wir sie so zurechthämmern, dass sie nicht mehr versuchen, möglichst objektiv alle Aspekte abzuwägen, sondern unser Publikum subtil in eine Richtung drängen. An genau diese Trickkiste der Mittelstufe fühle ich mich erinnert, wenn ich mir die peinlich plumpe Durchschaubarkeit ansehe, mit der die Debatte um die Erhöhung der Rundfunkgebühren geführt wird.

Samstag, 5. Dezember 2020

Zeichen eines kaputten demokratischen Systems

 Du weißt, wie tief deine Standards gesunken sind, wenn...

... es eine Meldung wert ist, dass der demokratisch gewählte Präsident eines Landes in Erwägung zieht, nach einer Wahlniederlage das Amt zu räumen,

... ein Nazi relativ sympathisch rüberkommt, weil er im Vergleich zu anderen Nazis wenigstens nicht komplett durchgeknallt ist,

... der Gedanke an einen selbstdarstellerischen Erzkonservativen wie Markus Söder als Bundeskanzler seinen Schrecken verliert, weil die Alternativen ein entscheidungsaverses Nichts wie Armin Laschet oder ein Rechtsaußen-Turbokapitalist wie Friedrich Merz wären.