Witze sind nicht mehr komisch, wenn die Witzfiguren die Macht übernehmen.
Donald Trump, der Mann gegen den selbst Günther Oettinger noch kompetent wirkt, ist der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Als ich die Nachricht in den frühen Morgenstunden des Mittwochs verdaute, schaute ich auf Twitter nach, wie da die Reaktionen lauteten, und wie lautete eines der ersten Statements aus Deutschland? "Mein Mitgefühl gilt der LGBT-Community, die in erster Linie betroffen ist."
Wunderbar, alle Gründe, warum Trump gewonnen hat, in einem Satz.
Ich bestreite nicht, dass Homo-, Trans- und Bisexuelle in den kommenden Jahren mit erheblichen Repressionen zu rechnen haben. Eigentlich hatten wir gehofft, dass mit der Obama-Regierung die Typen, die ihr Denken komplett in die Bibel ausgelagert haben, für lange Zeit in die Bedeutungslosigkeit abgeschoben wurden, aber tatsächlich haben sie sich außerhalb unserer Filterblase erholt und massiv zurückgeschlagen. Mit ihnen kehrt ein Weltbild in die Regierung zurück, dessen Komplexität ungefähr diesen auf weiche Plastikfolie gedruckten Bilderbüchern entspricht, die man Neugeborenen als Spielzeug in die Wiege legt. Donald Trump wird mindestens 4 Jahre im Besitz der Codesequenz sein, mit der sich das menschliche Leben auf diesem Planeten durch einen Atomkrieg auslöschen lässt, und ihr sorgt euch um die Regenbogenflagge? Nichts für ungut, aber habt ihr mal eure Prioritäten überprüft?
Ein Großteil der Präsidentschaft Trumps haben sich natürlich die Demokraten selbst zu verdanken. Mit Hillary Clinton haben sie praktisch die weibliche Version von Draco Malfoy kandidieren lassen: machtversessen, gefühlskalt, arrogant, berechnend, skrupellos. Im politischen Spiel kompetent - das sei unbestritten, aber ohne jede Strahlkraft. In gewisser Weise ähnelt sie Angela Merkel: Sie bekommt ihren Kram schon irgendwie geregelt, aber es fehlt dieses: "Wow, also da will die hin. Cool, das will ich auch." Genau hier liegt die Gefahr.
Hierzulande ist die Situation nicht viel anders als in den USA. Die Wirtschaft läuft, aber vom erwirtschafteten Wohlstand bekommen immer weniger Leute etwas mit. Politik läuft weitgehend in abgeschotteten Zirkeln ab, die sich nur zu wenigen Gelegenheiten dem Volkeswillen öffnen, damit nicht zu offensichtlich wird, dass wir schon seit Jahrzehnten in einer Oligarchie leben. Demokratische Willensbildung, so lautet die Parole, soll man gefälligst den Profis überlassen. Wenn uns eine Maßnahme nicht passe, läge es vor allem daran, dass wir uns nicht genügend damit beschäftigt hätten, um ihre segensreiche Wirkung zu erkennen.
So, und jetzt wundern wir uns, warum die AfD eine Wahl nach der nächsten gewinnt? Die Standardausrede: "Unsere Politik ist nicht schlecht, sondern ihr seid es, weil ihr sie nicht gut findet" funktioniert nicht beliebig oft. "Ich hab nen Hochschulabschluss, und du kannst nicht einmal richtig gendern" ist kein Argument. Ich glaube nicht eine Sekunde lang, dass Trump oder die AfD für eine bessere Politik stehen. Sie stehen vor allem dafür, ihren Anhängern wenigstens das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden. Wir hingegen liefern uns lange und erregte Grabenkämpfe, ob Jim Knopf Blackfacing und Pippi Langstrumpf ohne Südseekönig rassistisch ist. Massenentlassungen bei Opel? Kein Ding, so lange die Frauenquote im Vorstand eingehalten wird. Niedriglöhne? Egal, in der Kantine gibt es jetzt lactosefreie Milch und vegane Hauptmahlzeiten, von der Küchenchefin von Hand containert. In unserer Filterblase mögen solche Themen relevant sein. Bei den Leuten, die Regierungen wählen, sind sie es nicht.
Natürlich können wir uns weiter auf Twitter aneinander kuscheln und über die bösen Hater und Harasser*innen, Sexisten, Ableist_innen, strukturell cis-antisemitischen und Rassist.innen klagen, die sich erdreisten "Flüchtling" statt "Geflüchtete" zu sagen und so unseren Beitrag leisten, damit Frauke Petry im nächsten Jahr Bundesinnenministerin wird. Oder aber wir verlassen unsere Filterblase und lernen etwas, was uns ganz furchtbar schwer fällt: zuhören.
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