In Zeiten der Terrorhysterie fällt es schwer, die Finger von der Tastatur fern zu halten, zu groß ist der Wunsch, sich sein Warholsches Viertelstündchen Ruhm durch Schreiben eines total intelligenten Kommentars abzuholen. Dummerweise ist das Meiste, was es zu diesem Thema zu sagen gibt, schon gesagt. Da ist die Versuchung groß, einfach ein paar Fakten zu erfinden und sich mit der twittereigenen Theatralik darüber zu echauffieren. Zum Beispiel wäre da die vermeintliche Tatsache, dass Terroranschläge nur dann Terroranschläge genannt werden, wenn Nicht-Weiße sie verüben. Organisationen wie der Ku-Klux-Klan hingegen bekämen andere Attribute wie "Widerstandsorganisation" oder "Separatisten".
OK, wenn ich das mal umformulieren darf: Ihr seid sogar zu blöd, Google zu benutzen.
Schauen wir doch einmal nach: Rote Armee Fraktion - Weiße. Die ETA - Weiße. Rote Brigaden - Weiße. Wehrsportgruppe Hoffmann - sowas von weiß. Vorgang begriffen? Suchmaschine aufrufen, das gewünschte Land und "Terrorismus" eingeben, nachsehen, was rauskommt.
"Ja, also nee, das ist ja mal wieder typisch. Ich sag nur: Äpfel und Birnen. Die RAF und die Roten Brigaden zum Beispiel, das waren Stadtguerllia, die ETA sind Separatist*innen. Bei der Wehrsportgruppe, OK, da kann man diskutieren, aber was ist mit den Anschlägen auf Asylbewerber_innenheime, das war ja nun ganz klar Terrorismus."
Ach, auf einmal gibt es ihn also doch, den weißen Terror.
"Neenee, das nenne nur ich ja so, in der Lügenpr- äh, in den Mainstreammedien heißen die natürlich anders."
Merken Sie jetzt, worin die eigentliche Schwierigkeit besteht? Bereits im Jahr 2001 wurde mehrfach darauf hingewiesen: Es gibt keine einheitliche, allgemein anerkannte Definition des Begriffs "Terrorismus". Jeder dengelt sich die Definition so hin, wie sie gerade ins eigene Weltbild und Argumentationsschema passt. Es kann also, wie in diesem Beispiel gezeigt, durchaus passieren, dass die Einordnung, was noch als Terrorismus zu werten ist und was nicht, abhängig vom Beobachter und dessen gerade verfolgter Argumentationsstrategie variiert. Das nennt sich "selektive Wahrnehmung", sollte irgendwann während der Schullaufbahn einmal als Begriff gefallen sein. Wenn ich rumjammern will, dass "Terrorismus" in rassistischer Weise verwendet wird, dann google ich mir halt genau die Artikel zusammen, in denen Terrorakte von Weißen nicht also solche bezeichnet werden. Weist mich jemand auf den überwiegend von Weißen verübten Europäischen Links- und Nationalterrorismus hin, krame ich die Definitionen raus, welche diese in meinen Augen gerechtfertigten Terrorakte mit anderen Begriffen wie "Separatismus" oder eben "Stadtguerrilla" bezeichnen. Rechtsterrorismus hingegen, ja das ist echter Terrorismus, aber um nicht in Widerspruch zu meiner Eingangsthese zu geraten, google ich so lange herum, bis ich nur Artikel habe, die um rechten Terrorismus beschönigend herumreden.
Um es mit Volker Pispers zu sagen: Schön, wenn man ein klares Weltbild hat, dann hat der Tag Struktur.
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