Samstag, 10. Mai 2014

Antifaschistische Numerophobie

Reinwaschendes Ariel für reinrassige Arier? Laut Spiegel definitiv ja. Das weiße Pulver für braune Hemden.

Was war passiert? Procter & Gamble beherrscht Mathematik auf Grundschulniveau, was im Land der PISA-Verlierer, dessen ehemaliger Bundeskanzler damit kokettierte, schlecht in Mathematik zu sein, total faschistoid wirken muss. Wie kann man nur in der Lage sein, 83 und 5 korrekt zu addieren?

Das ergibt - na? OK, ich verrate es: 88. Und das ist sowas von nazi! Ach, was sage ich: naziquadrat!

Sie fragen, warum? Ach, Sie gehören wohl auch zu denen. Wie natürlich jeder weiß, ist "h" der achte Buchstabe im Alphabet, und demnach bedeutet "88", na?

Genau! "HH" - das Autokennzeichen der Nazihochburg an der Elbe! Sauerei! Überall Nazis! Auf unseren Waschmittelpackungen!

Sie verstehen immer noch nicht? Glauben Sie ernsthaft, ich fiele auf diese scheinheilige Nummer rein? Wie hat man sich denn damals zwischen 33 und 45 begrüßt? Na?

"Guten Tag"?

Was soll der Unfug? Nein, sondern mit "*eil... *it..."?

Endlich begriffen, na das hat aber gedauert.

Genau deswegen ist es natürlich praktisch wie ein Fackelzug durch Brandenburger Tor, diese Zahl auf eine Ariel-Verpackung zu drucken, angeblich, weil diese Nummer die Anzahl der Waschmaschinenladungen beschreibt, die mit einer Packung möglich sein soll. Zufall? Blödsinn.

Da wir gerade dabei sind, gibt es noch ein paar andere Zahlen, die man besser vermeiden sollte. Die "18" zum Beispiel, die nach der gleichen Logik die Initalien des Führers symbolisiert. Wer also hierzulande seinen 18. Geburtstag feiert, begeht damit also nur scheinbar die Feier seiner Volljährigkeit, sondern in Wirklichkeit einen braunen Kameradschaftsabend.

Ostern, die Auferstehungsfeier des christlichen Heilands, begingen die deutschen Christen (aha!) in diesem Jahr übrigens am 20.4. Jetzt schauen Sie mal in der Wikipedia nach, wer da seinen 125. Geburtstag feiert. Zufall? Wohl kaum.

Selbst die traditionell eher dem linken Spektrum zugerechneten Datenschutzaktivisten haben sich inzwischen dem braunen Mob angeschlossen. Jüngstes Beispiel eines vorgeblich für die Verteidigung von Freiheitsrechten (na, die Freiheit kennen wir ja) eintretenden Naziaufmarsches ist die #StopWatchingUs-Demonstration am 12. April in Köln. Da wurden sogar ganz offen Nazisymbole zur Schau getragen: Kraken.

Sie wissen nicht, was Kraken mit Nazis gemein haben? Heuchler. Es ist doch allgemein bekannt, dass die Nazis den Kraken benutzten, um die jüdische Weltumklammerung zu symbolisieren. Da ändert sich auch nichts, wenn dieses Motiv im Jahr 1917 gegen Preußen und 1877 gegen Russland verwendet wurde. Die Nazis sind der König Midas der Weltpolitik, nur das alles, was sie anfassen, auf der Stelle zu Nazis wird. Vom Krakenkreuz zum Hakenkreuz, so ist das.

Kein_e Hand_breit d_en Faschist*innen!




OK, damit auch diejenigen von Ihnen, die beim Denken eher als Zaungäste teilnehmen, meinen Punkt verstehen: Wer dieses Spielchen mitspielt, lässt sich 81 Jahre nach der Machtergreifung von den Nazis sein Verhalten vorschreiben. Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, dass man sich besser nicht mit hochgerecktem rechten Arm begrüßen soll oder das die Buchstaben "SS" oder "KZ" im Autokennzeichen befremdlich wirken. Andererseits: Mit welchem Recht verweigern wir Sabine Sonntag und Karin Zacharias ein Kennzeichen, das wir analog einem Reiner Hansen oder Kurt Lange zugestehen, obwohl "RH" das Kürzel für Rudolf Hess und "KL" die eigentlich in der Amtssprache verwendete Abkürzung von "Konzentrationlager" war? Nur weil ein paar sich für ganz raffiniert haltende Neonazis aus Tarngründen in eine Zahlensymbolik ausweichen, die außerhalb dieser Kreise kaum bekannt ist, übernehmen wir deren alberne Spielereien und entwickeln Angst vor - Zahlen?

Was kommt als nächstes? Darf die Mathelehrerin in der Grundschule beim Abfragen des kleinen 1x1 nicht mehr fragen, was 3 mal 6 ist, ohne als verkappte Nationalsozialistin vom Dienst suspendiert zu werden? Darf meine Oma nicht mehr ihren 88. Geburtstag feiern, ohne dass die Antifa eine Sitzblockade vor der Tür veranstaltet? Müssen die Aquarien die Kraken aus den Becken fischen, weil man ihnen sonst Antisemitismus vorwirft? Eigentlich könnten wir doch endlich einmal die Autobahnen umpflügen, weil die von den Nazis zu Propagandazwecken missbraucht wurden. Aber nein, so weit geht der Antifaschismus nun auch wieder nicht.

Es ist mir offen gesagt schleierhaft, wie einige Leite jeden Morgen in den Spiegel schauen können, ohne sich jedesmal halb tot zu lachen.

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