"Mein Kopf gehört mir." Na zum Glück, ich will diese Sondermülldeponie auch gar nicht haben. Jetzt ist also das eingetreten, wovor die selbsternannten Qualitätsjournalisten seit Beginn des Blogzeitalters immer wieder warnten: Jeder Schwätzer kann ungehindert jeden Blödsinn ins Netz krakeelen. So zum Beispiel "mehr als 160 Vertreter aus Kunst, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik", wie das "Handelsblatt" stolz posaunt, und um gar nicht erst den Verdacht einer differenzierten thematischen Auseinandersetzung aufkommen zu lassen, greift man einmal ganz tief in die Mottenkiste vergangener Kampagnen und wandelt den Slogan einer über 40 Jahre alten Bewegung für seine Zwecke um. Schade, dass die intellektuelle Schaffenselite unseres Landes nicht eine Sekunde damit verbrachte, sich über den historischen Hintergund der Parole zu informieren, denn sonst hätte sie gemerkt, wie grandios sie sich vergriffen hat.
Worum ging es? Vor 40 Jahren war Abtreibung pauschal verboten. Um den gesellschaftlichen Diskurs anzustoßen, bekannten sich im "Stern" über 374 Frauen zur Straftat, abgetrieben zu haben. Die sich daraufhin entwickelnde Aktion gegen den § 218 gab sich das Motto "Mein Bauch gehört mir". Es ging also um die Frage, ob und in welchem Umfang eine Frau über den Fortbestand eines Lebens bestimmen darf, das meist mit ihrem Zutun in ihrem Körper begann und sich dort entwickelt - ob sie es nun will oder nicht. Es gibt Situationen, in denen eine Frau es als unzumutbare Belastung empfindet, dieses Leben zur Welt zu bringen. Ich unterstelle den meisten Frauen, dass ihnen diese Entscheidung nicht leicht fällt, dass ihnen die moralischen Implikationen bewusst sind und dass sie nicht aus einer Tageslaune heraus diesen unumkehrbaren Entschluss treffen.
So, und diese Entscheidung über Leben und Tod soll was bitte noch einmal mit dem Verfassen eines Popsongs zu tun haben? Haben Sie mitgezählt, an wie vielen Stellen dieses Bild nicht stimmt?
Entwickeln wir die Parallele etwas weiter: Am Zeugen eines Kindes ist auf jeden Fall ein weiterer Mensch beteiligt - so wie keine kreative Idee zustande kommt, ohne dass man sich vorher von anderer Stelle Anregungen geholt hat, aber jetzt, da diese aus fremden Gedanken entstandene Idee in meinem Kopf ist, gehört sie plötzlich mir allein. Nun gut, das mag man meinen. Was aber, wenn diese Idee wieder meinen Kopf verlässt, so wie ein Kind geboren wird? Beim Kind passiert dann nämlich etwas, was Künstler und Autoren beunruhigen dürfte: Es gehört nicht mehr allein der Mutter. Es gehört in allererster Linie sich selbst, hat einen eigenen Willen und ein Recht darauf, sich selbst weiter zu entwickeln. Etwas allgemeiner gehört es seinen Eltern, die Verantwortung für die Pflege und Erziehung des Kindes tragen, aber auch sie können nicht willkürlich entscheiden. Noch beunruhigender: Dieses Kind wird rasch älter. Schon sehr bald werden wir es als unnatürlich empfinden, wenn es noch immer gesäugt wird. Es wird zur Schule gehen, mit vielen anderen Menschen zusammentreffen, und irgendwann wird der Punkt gekommen sein, an dem das Kind erwachsen ist und das Elternhaus verlässt. Gucken Sie mal nach, wie lächerlich wir es finden, wenn man ewig im "Hotel Mama" wohnt. Nein, man soll in die Welt hinaus, meist viele Jahrzehnte vor dem Tod der Eltern. Ach ja, und dass Kinder für ihre Eltern Geld anschaffen gehen, sieht der deutsche Gesetzgeber mit äußerster Skepsis.
Überlegen Sie mal, welche Implikationen diese Parallele auf das Urheberrecht hätte.
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