Samstag, 30. November 2024

FDP-Day

Hand hoch: Wer bedauert das Ende der Ampelkoalition? Niemand? Warum regt Ihr Euch dann so auf?

Die einzige Überraschung an der Meldung, Olaf Scholz habe die FDP-Minister aus dem Kabinett geworfen, war für mich der Umstand, dass dieses Land überhaupt seit drei Jahren einen Kanzler hatte und dass es ausgerechnet Scholz war. Wie kann ein Mann mit so schweren Gedächtnisstörungen, die es ihm nicht einmal erlauben, sich an einen der größten Finanzskandale der Republik zu erinnern, die geistige Befähigung haben, eine Bundesregierung zu führen? Jetzt ist wenigstens diese Quälerei vorbei - wenn auch zum Preis, demnächst ein AfD-geführtes Innenministerium zu haben. Niemand möge mir erzählen, Merz zögere auch nur eine Minute, böte sich ihm eine Gelegenheit sowie eine Ausrede, sein eigenes Brandmauergerede zu ignorieren. Natürlich, ein paar Tage lang wäre das Geschrei groß, aber wenn die Helmut-Kohl-Nachfolgeorganisation eines kann, dann ist es Aussitzen.

Geschrei gibt es vor allem bei der künftigen Opposition. Ein Papier ist aufgetaucht, in dem die FDP beschreibt, wie sie den Koalitionsbruch herbeiführen kann. Was erlauben Linder? Wie kann er es nur wagen, das längst Überfällige zu planen?

In meinen Augen besteht der Skandal nicht in der Existenz dieses Papiers. Er besteht darin, sich wie ein Mittelstufenbubb beim Spickzettelschreiben erwischen zu lassen. Wenn SPD und Grüne nicht vollkommen verblödet sind, kursierten ähnliche Schriften auch bei ihnen, aber weil in diesen beiden Parteien noch wenigstens Spuren von Professionalität zu finden sind, sorgten sie dafür, dass nichts durchsickert. Um die Dramatik der Situation zu verdeutlichen: Die SPD agiert professionell, oder zumindest weniger stümperhaft als die Polit-Ferengi von der FDP.

Vielleicht hätte die FDP Planung und Publikation ihrer Überlegungen jemandem überlassen sollen, der etwas von der Sache versteht und nicht jemandem, den selbst die Aufgaben eines Straßenfegers intellektuell überfordern, weswegen er lieber BWL studiert hat. Das beginnt schon mit Sätzen wie "Um die Hoheit über die Kommunikation zu halten, muss diese strategisch gesteuert erfolgen und darf nicht durchsickern." Erstens sollte sowas auch dem Dümmsten klar sein. Zweitens wirkt es doppelt peinlich, wenn nicht nur der Vertrautenkreis falsch gewählt ist, sondern auch das Schuldeingeständnis mitgeliefert wird. Wenn ich eine Aktion wie diese plane, dann ziehe ich sie durch und schreibe nicht rein, dass ich kalte Füße habe.

Vor allem aber sollte dem parlamentarischem Arm von McKinsey die eigene Foliensatzrhetorik klar sein. Wenn Unternehmensberater einen zeitlichen Ablauf darstellen wollen, nehmen sie Pfeile, keine Pyramidenstockwerke, und wenn sie eine Pyramidengrafik wählen, bauen sie die von unten nach oben, nicht umgekehrt. Warum haben die Verfasser denn nicht wenigstens die Schülerpraktikantin über das Papier gucken und den gröbsten Unsinn korrigieren lassen? Ach ja, Geheimhaltung, verstehe.

Abgesehen davon, was ist an dem Pamphlet so besonders, dass es sich lohnte, schon seit Tagen ein solches Gewese zu veranstalten? Wen wollt Ihr mit Eurer Aufregung erreichen? Allen sollte klar sein, dass Scholz nicht aus einer Bierlaune heraus die Koalition beendet hat. Natürlich gab es auch hier Planungen, nur mit dem Unterschied, dass deren Timing offenbar besser war.  Gibt es irgendwen, der es der FDP nicht zugetraut hat, den Bruch zu vorzubereiten, insbesondere da ihr Versuch offensichtlich war? Insbesondere bei der FDP-Wählerschaft dürfte niemand denken: "Meine Güte, die Parteispitze ist ein intriganter, gewissenloser Haufen, der nicht nur über Leichen geht, sondern alles schön festtritt, damit er nicht so tief einsinkt. Wer konnte sowas ahnen?" Nein, wer heute noch die FDP wählt, setzt sein Kreuz nicht trotz solcher Aktionen, sondern exakt deswegen. Christian Linder ist kein bedauerlicher Ausrutscher, er ist die Fortsetzung einer seit Jahrzehnten bestehenden Tradition. Der Partei wird dies wahrscheinlich keine Stimmen einbringen, aber mit Sicherheit keine kosten. Die FDP ist, wie sie seit Jahrzehnten ist. Wir sollten uns damit abfinden und uns interessanteren Themen widmen als einem Strategiegeschreibsel, das aus einem Groschenroman stammen könnte.


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