Es gibt nahezu nichts, was ich an Friedrich Merz nicht verachte: sein zusammenschmarotztes Vermögen, sein durch keinerlei Sachkunde getrübtes Selbstbewusstsein und vor allem die oberlehrerhafte Art, seine auf Ballermanniveau unterkomplexen Weltverbesserungsvorschläge so vorzutragen, als hätte er für sie einen Nobelpreis bekommen. Eines aber ist Merz nicht: dumm. Er ist intelligent - und skrupellos, aber das wissen wir spätestens seit Mittwoch.
Es ist eine Ironie der Geschichte, sehr oft von denen geschrieben zu werden, die es am wenigsten verdient haben. Friedrich Merz kann sich rühmen, der erste Bundeskanzler seit Bestehen der Bundesrepublik zu sein, der sich seine Mehrheit mit Hilfe einer Partei holt, die selbst der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft. Ähnlich wie in den USA, der Türkei, Russland, Ungarn und Polen werden wir auch hier erleben, dass Demokratie vor allem auf den Skrupeln ihrer Akteure basiert, bestimmte Anstandsregeln zu beachten. Ignorieren sie die, gibt es erstaunlich wenig, was ein Rechtsstaat seinem eigenen Abbau entgegenzusetzen hat.
Dabei ging es am Mittwoch um fast nichts. Es ging um einen Antrag, die Regierung möge bestimmte Handlungen einleiten, nicht etwa ein Gesetz. Einige Beobachterinnen meinten daraufhin, es sei töricht, für ein derart bedeutungsarmes Vorhaben einen derartigen Aufruhr in Kauf zu nehmen. Gegenfrage: Was riskiert Merz?
Auf den Straßen sind im Moment die üblichen Verdächtigen: Nichtregierungsorganisationen mit Schwerpunkt Migrations- und Fluchtpolitk, antifaschistische Bündnisse und die paar Linken, die seit jeher gegen Rechte demonstrieren. Diese Leute haben nie rechter als Grün gewählt. Der CDU kosten sie keine einzige Stimme.
Die bürgerliche Mitte, die antifaschistischen Wertkonservativen waren vor einem Jahr auf der Straße und sind wahrscheinlich bis heute noch verwirrt von der linken Protestliturgie. Warum müssen sie noch einmal Parolen der Schlichtheit von Kindergartenreimen brüllen? Warum müssen sie Zettel lesen und Reden bejubeln, bei denen jedes zweite Wort wenn nicht englisch, so wenigstens mit den Endungen -ismus oder -istisch versehen ist? Vor allem aber: Welche demokratische Partei soll ein Mensch wählen, dem die FDP zu raffgierig, die SPD zu korrupt, die Grünen zu bigott, das BSW zu diffus und die Linken zu versponnen sind? Es gibt zur Zeit im Parlament keine konservativ-demokratische Partei, nur die Knallchargentruppe von Friedrich Merz. Egal, was er anstellt, es wird die CDU keine Stimmen kosten - in Ermangelung anderer Optionen.
Deswegen war Merz' mittwöchlicher Coup alles Andere als ein Va-banque-Spiel. Er konnte nichts verlieren, nur gewinnen, und er hat alles gewonnen. So kurz vor der Wahl wird kein innerparteilicher Gegner den Aufstand riskieren, nach der Wahl ist Merz Kanzler, und spätestens seit Kohl wissen wir: In der CDU-Hierarchie gibt es keine Freunde, keine Solidarität. Hier gibt es nur besiegte oder bestochene Feinde, und aus dem Kanzleramt heraus halten sich Feinde leichter gefügig als von der Oppostionsbank.
Interessant ist aus meiner Sicht allenfalls das Anstandsgefühl der möglichen Koalitionspartner Grüne und SPD. Den Grünen traue ich noch am ehesten zu, einem Kanzler die Gefolgschaft zu verweigern, der sich zur Not seine Mehrheiten bei der AfD holt, die SPD hingegen - ach, vergessen wir das. Die SPD weiß genau: Wenn sie erst einmal aus der Regierung fällt, merkt auch die Letzte, wie überflüssig diese Partei inzwischen geworden ist. Nachster Halt: Fünf-Prozent-Hürde. Um diesen Moment hinauszuzögern, wird sie mit allen paktieren. Merz hingegen kann es egal sein. Wenn alle Stricke reißen, bleibt ihm noch eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung. Dann kann er weiterhin seine verlogene Nummer des Antifaschisten mit dem Dackelblick spielen - immerhin kann er doch nichts dafür, wenn seine Politik so rechts ist, dass die AfD sie mitträgt.
Die letzten Menschen, die uns noch aus erster Hand erzählen können, dass Faschismus eine schlechte Idee ist, sterben gerade aus. Offenbar brauchen wir wieder Nachschub.
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