Mittwoch, 27. Juli 2022

Es reimt sich - fertig

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich halte einander mit Fäkalien bewerfende Schimpansen für kulturell höherwertiger als alle Ballermann-Schlager zusammen. Zwar besitze ich keine echte Ahnung von Musik, spiele aber seit langer Zeit ein Instrument, habe jahrelang in Chören gesungen hat und kann zur Not auch einfache Chorsätze schreiben, weswegen sich mir das Trommelfell kräuselt, wenn ich die immer gleichen Arrangements, den 4/4-Stumpfrhythmus und die mit der vollen Macht der Effekttechnik gepimpten Fistelstimmchen beim Sinnen von Texten höre, deren Schwachsinnsgrad einem Amtsarzt zur Hirntoddiagnose reicht. Ich verachte eine Partykultur, die Lautstärke mit Qualität verwechselt, Besaufen zu einer Kunstform verklärt und von ihrem Umfeld die Rücksichtnahme einfordert, bis spät in die Nacht grölende, saufende, kotzende und pissende Frohnaturen zu ertragen, während sie selbst auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt. Wenn es nach mir ginge, könnten wir die Partymeile auf Mallorca umpflügen und durch einen Rübenacker ersetzen, dessen IQ um Größenordnungen höher ist, als der des bisherigen Unterhaltungsangebots.

Genau diese Haltung ist der Grund, warum ich niemals irgendwo Entscheidungen über Kultur- und Partyveranstaltungen treffen sollte. Meine Vorstellung, es gäbe "wertvolle" und "weniger wertvolle" Kultur, ist überheblicher Quatsch. Wenn Leute feiern wollen, ist das deren Sache und es obliegt mir nicht, das zu bewerten. Mir muss das nicht gefallen, und ich habe zum Glück einige Ausweichmöglichkeiten.

Umgekehrt hat eine Stadt natürlich das Recht, auf einem von ihr ausgerichteten Fest zu bestimmen, welche Musik gespielt wird. Das ist kein Verbot, auch keine Zensur - meine Party, mein Plattenteller. Die Stadt muss sich dann natürlich darüber im Klaren sein, welche Reaktionen sie auslöst. Der größte Fehler allerdings besteht darin, etwa wie der Spiegel allen Ernstes eine Textanalyse von Partymusik zu beauftragen und damit dem Lied eine Botschaft zu unterstellen, die es nicht hat.

Für alle, die jeden Abend auf ihren Uni-Abschluss onanieren, aber ansonsten nichts begriffen haben: Partymusik ist Industriemusik, geschrieben, um einen Sommer lang die Leute zum Abhotten zu bringen und danach vergessen zu werden. Mehr will die Band nicht, mehr will das Publikum nicht. Da müssen Bässe rein, eine eingängige Akkordfolge, und der Text, liebe Leute, der Text ist egal. Der soll zur Melodie passen, leicht zu merken sein und sich reimen. Wenn daran jemand länger als 10 Minuten gesessen hat, war das lang. Kuss, Schluss, Herz, Schmerz - so einfach kann das Leben sein. Es verkennt komplett die Situation, sich hinzusetzen, über den Namen der Protagonistin nachzusinnen, um dann auf die Idee zu kommen, dass der Text nicht nur sexistisch, sondern sogar rassistisch ist, weil der fremdländisch klingende Name auf einen Migrationshintergrund schließen lässt. Achtung, jetzt kommt was Wichtiges: Wisst Ihr, warum die Frau im Lied nicht Schwanhild heißt?

Na?

WEIL SICH DAS NICHT AUF "GEILER" REIMT.

Und wisst Ihr, warum der Text nicht "Ich möchte mit der weiblich gelesenen Entität Schwanhild eine gleichberechtigte, auf gegenseitiger Wertschätzung beruhende Beziehung führen, die eine konsensual begründete körperliche Komponente nicht ausschließt" lautet?

Weil das ein KACK-Versmaß ist und sich ebenfalls nicht reimt.

Bitte entschuldigt, dass ich solche Selbstverständlichkeiten auf das Niveau von Leuten runterbrechen muss, die es in ihrem Leben außer zu einem Magister in Germanistik zu nichts gebracht haben. Wenn ich für etwas noch mehr Verachtung übrig habe als Leute, die auf eine derartige Schrottmusik abgehen, sind es Leute, die jeden harmlosen Quatsch totanalysieren um ihrer Peer-Group zu demonstrieren, wie aufmerksam und sensibel sie sind. Auf Mastodon sehe ich Leute, die jedes Posting ausblenden und mit einer "Content Warning" versehen, die selbst bei den harmlosesten Texten beschreibt, worum es inhaltlich gehen wird, damit ich dann durch einen Klick auf das Posting den eigentlichen Inhalt zu sehen bekomme - und das alles nur, damit niemand "getriggert" wird. Doch das kann nicht funktionieren. Gerade dadurch, dass wir versuchen, allen zu gefallen, senden wir das Signal, dass wir bereit sind, uns für jede noch so krude Selbstinszenierung als Opfer schuldig zu fühlen. Wir rufen die Leute geradezu auf, sich beleidigt zu fühlen. Ich bestreite nicht, dass Partymucke textlich absoluter Dreck ist, aber aus diesem Umstand die Behauptung abzuleiten, hier werde zur Massenvergewaltigung insbesondere von Frauen mit Migrationshintergrund aufgerufen, ist allein deswegen schon Blödsinn, weil sie unterstellt, dass jemand, der da mitgrölt, intellektuell noch zu irgendeinem Textverständnis in der Lage ist.

So, und jetzt gehen wir los und kümmern uns um reale Probleme. Ich kann mich entsinnen, dass wir noch das eine oder andere haben.

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