Samstag, 22. August 2020

Big Bang Theory - ein Nachruf

Es ist schon eine Weile her, dass die finale Folge erstmals ausgestrahlt wurde. Die DVD ist auch schon längere Zeit auf dem Markt. Ich habe aber gewartet, bis sie nicht mehr so unverschämt teuer war. Allein das sollte andeuten, was mir die Serie am Ende bedeutete: wenig.

Das war nicht immer so. Vor etwa 12 Jahren kam meine Chefin auf mich zu und drückte mir eine DVD in die Hand. "Das ist lustig", sagte sie. "Und du bist genau wie Sheldon."

Wer ist Sheldon? Neugierig legte ich die erste DVD ein und war auf Anhieb begeistert. Vier herrlich vernerdete Typen, eine bodenständige und eher durchschnittlich intelligente junge Frau, die sich mit den Nerds anfreundet, eine anrührende Geschichte zwischen Freundschaft und Liebe - ich mochte die Serie. Natürlich waren echte Nerds anders, aber sie waren nah genug an der Realität, dass ich mich mit ihnen identifizieren konnte. Das teilweise arg strapazierte Blondinenklischee fiel in der Vor-meetoo-Zeit noch nicht so auf, und außerdem war Penny in vielen praktischen Dingen ihren zweifelsohne intelligenteren Freunden von der Universität so überlegen, dass ich den sexistischen Unterton zu verzeihen bereit war. Im Prinzip scheiterten sie alle irgendwo. Pennys Schauspielkarriere stockte, Raj konnte in Gegenwart von Frauen nicht reden, Howard wohnte noch bei seiner Mutter und kaschierte seine Unsicherheit mit öligem Selbstbewusstsein, Leonard versackte im universitären Mittelbau und Sheldons soziale Interaktion war eine Katastrophe. Howard und Raj hatten weitgehend die Hoffnung aufgegeben, jemals eine Freundin zu bekommen und zogen sich deswegen in eine Welt aus Comics, Science-Fiction und Wissenschaft zurück, in der sie gut klarkamen.

Die Konstellation funktionierte und sorgte für einige Höhepunkte, etwa Rock-Paper-Scissors-Lizard-Spock, Raj und Sheldon, die zu den Klängen von "Eye of the tiger" auf eine Tafel voller Formeln starren, das Lied "Soft kitty, warm kitty" und vor allem Sheldons Begeisterung, als er zu Weihnachten eine Serviette geschenkt bekam, mit der sich Leonard Nimoy den Mund abgewischt hatte, was Sheldon auf die Idee brachte, sich aus der enthaltenen DNS einen eigenen Mr Spock zu klonen. Allerdings ließ sich dieses Setting auch nicht endlos ausquetschen. Insbesondere die Beziehung von Leonard und Penny wirkte irgendwann nicht mehr glaubwürdig. Natürlich konnten die beiden einige Zeit umeinander herumtänzeln, aber eine Klärung musste her. Ebenso mussten sich die anderen Charaktere weiterentwickeln, wollten sie das Publikum nicht langweilen. Es passierte das, was bei Serien in diesem Stadium immer passiert: Es wurden neue Figuren hineingeschrieben. Ich konnte verstehen, dass aus dramaturgischen Gründen diese Erweiterung Sinn ergab, was ich nicht verstehen konnte, war die mit Abstand unlustigste Lösung, zu der sich die Serie entschloss: Amy als weiblicher Abklatsch Sheldons und Bernadette mit der Quietschestimme. Ab diesem Moment war Big Bang Theory nicht mehr eine Nerd-, sondern eine zutiefst durchschnittliche Beziehungskomödie. Ab diesem Moment ging es nur noch darum, wer mit wem warum wie gut kann. Natürlich ergaben sich auch hier einige schöne Momente, aber es interessierte mich einfach nicht besonders.

Eins aber wird man der Serie nicht nehmen können: Sie war die erste für Nicht-Nerds erträgliche Begegnung mit der Nerdwelt. Über 12 Jahre zeigte sie, dass auch Erwachsene an Comics Spaß haben können und dass eine Star-Wars-Filmnacht oder ein Abend bei Videospielen cool sind. Vor allem stellte sie Kenntnisse in Naturwissenschaften als etwas Erstrebenswertes dar. Es wäre übertrieben zu behaupten, Big Bang Theory hätte Nerds von gesellschaftlichen Außenseitern in den Mainstream geschoben, aber mit Sicherheit hat diese Sitcom einen bestehenden Trend begleitet. Während ihrer Laufzeit wurden Steve Jobs, Bill Gates, Mark Zuckerberg und Elon Musk zu Figuren der Popkultur. Offenbar waren Mathematik und Naturwissenschaften mehr als akademische Turnübungen, man konnte damit richtig reich werden. Natürlich zeigte die Serie weiterhin nur ein Zerrbild dieser Welt, aber es war dieses Zerrbild, das den Nerds gesellschaftliche Akzeptanz verschaffte.

Allerdings sind Massenphänomene das genaue Gegenteil dessen, was Nerds interessiert, und so schwand mit zunehmenden Einschaltquoten meine Neigung, die Serie zu schauen. Das kümmerte deren Autoren natürlich nicht. Ihr Rezept lieferte zuverlässig Zuschauer und damit Werbeeinnahmen. Was es nicht lieferte, waren neue Ideen. Howard und Bernadette heirateten und bekamen zwei Kinder. Leonard und Penny heirateten, Sheldon und Amy heirateten, nur Raj blieb der ewige Loser.

So plätscherte die Geschichte vor sich hin. Ab und zu ging ich in den Buchladen um nachzusehen, ob wieder eine Staffel so weit im Preis gesunken war, dass ich  sie mir kaufen wollte. Früher hätte ich zähneknirschend jeden Preis gezahlt, inzwischen aber sah ich das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr.

Das schien auch anderen so zu gehen. Nach einiger Zeit verschwanden die DVDs aus dem Regal. Offenbar blieb die Nachfrage aus. Irgendwann las ich dann die erlösende Meldung: Mit der 12. Staffel sollte endlich der Abschluss kommen.

Die DVD dazu musste ich mir bestellten. Mein Buchladen hatte sich schon ab der 10. Staffel nicht mehr die Mühe gegeben, sie ins Regal zu packen. Ein fulminantes Finale war mir versprochen worden. Was kam, war - okay. Sheldon und Amy bekommen den Nobelpreis. Na gut, wenn's sein muss. Sogar Stuart findet in Denise eine passende Partnerin. Auch in Ordnung. Nur Raj bleibt der ewig in Kurzbeziehungen scheiternde Single, und das ärgert mich - nicht etwa, weil ich noch eine Hochzeit mehr in der Serie gewollt hätte, sondern weil bei der Figur so viel Potenzial verschenkt wurde. Immer wieder wurde eine homoerotische Beziehung zwischen ihm und Howard angedeutet, aber die konsequent zuende geführt. Natürlich wäre es dramaturgisch schwer geworden, die dadurch entstehende Dreierbeziehung dem Publikum zu vermitteln, aber wenn die Autoren sich nicht von Folge zu Folge, sondern mit etwas Perspektive geschrieben hätten, wäre auch hier eine Lösung möglich gewesen. Noch mehr geärgert hat mich das erzkonservative Bild, dass zu einer ordentlichen Ehe ein Kind zu gehören hat. Penny stellt gleich zu Beginn der Staffel klar, dass sie keine Kinder will und bekommt dafür von allen Seiten Feuer. Warum eigentlich? In welchem Jahr sind wir doch gleich? 1950? Eine Frau hat gefälligst zum Gebären da zu sein? Im Lauf der Folgen kocht das Thema immer wieder hoch, aber Penny hält die Position - bis sie in der vorletzen Folge im Verlauf einer ungeschützten Nacht mit Leonard doch schwanger wird und es dann irgendwie in Ordnung findet. Wenn es eines eines weiteren Belegs bedarft hätte, wie sich die USA unter Trump gesellschaftlich zurückentwickeln - hier ist er.

Doch bei all dem Ärger - ein bisschen Wehmut beschlich mich doch, als in der letzten Einstellung der Staffel alle beim Essen vom Lieferdienst zusammensaßen und die rockige Titelmusik eher melancholisch auf einer Akustikgitarre eingespielt wurde. Das war es also. Überfällig, aber schade. Es ist ungefähr so, wie der letzte Schultag. Ich war froh, dass es zuende war. Es hatte einige schöne Momente gegeben, aber am Ende nicht mehr richtig Spaß gebracht. Dennoch - wir haben mehr als ein Jahrzehnt miteinander verlebt. Viel ist in dieser Zeit passiert. Ich habe mich geändert, und ich werde mich an vieles erinnern. Nein, ich will nicht die Uhr zurückdrehen. Ich will ich nicht, dass es weitergeht. Aber es ist der Moment gekommen, sich von etwas zu verabschieden, das mich über Jahre begleitet hat. Das neben einigen offensichtlichen Schwächen dennoch gut genug war, dass ich es mir immer wieder ansah. Es war nicht die beste Serie, die ich je gesehen habe, aber gut genug, um wie ein ordentlicher Soundtrack nebenher zu laufen. Das ist auch schon mal was.

Danke dafür.

1 Kommentar:

Akif Sahin hat gesagt…

Zuerst: Du bist nicht wie Sheldon :)
Ansonsten: Ich habe die Serie auch verfolgt und ich habe keine einzige DVD gekauft. Stattdessen konnte ich die Serie immer über verschiedene Plattformen, wie Netflix, Amazon Prime oder auch Joyn streamen. Die letzte Staffel mit den letzten Folge habe ich dann auch entsprechend so gesehen.

Die Serie hat dem Nerd- und Geek-Tum ein bisschen die Richtung gewiesen. Auf der anderen Seite war das amerikanische Original (also keine Synchronisation) oft komischer als die deutsche Fassung. TBBT war letztlich das "Friends" dieser Zeit. Das es jetzt zu Ende gegangen ist, war nur folgerichtig. Die Geschichte lebte schon länger nur noch von Beziehungsproblemen, statt von interessanten Einblicken in die Welt der Wissenschaft.