Du liebe Güte, sind euch im Wahlkampf schon so früh die Themen ausgegangen, dass ihr jetzt wieder die Leitkulturdebatte herauskramen müsst?
Es ist so langweilig, so vorhersagbar und am Ende auch ergebnislos: Irgendein CDU-Politiker fühlt sich medial unterrepräsentiert und beschließt, deswegen ein heißes Eisen anzupacken, ein ganz heißes. Naja, und dann reicht der Mut doch nur, um in das nächststehende Mikrofon das Wort "Leitkultur" zu rülpsen.
Letztlich ist es auch egal. Es wäre sogar verschwendete Energie, sich eines wirklich wichtigen Themas anzunehmen, denn es geht ja doch nur um die nächste Schlagzeile. Da reicht die Leitkulturdebatte allemal, denn Deutschlands "Progressive" funktionieren in dieser Hinsicht dankenswerterweise sehr zuverlässig.
Das Vorgehen ist immer gleich: Der CDU-Mensch nuschelt etwas davon, es gäbe so etwas wie einen kulturellen Kanon, dem "die Deutschen" sich verbunden fühlten und dem folglich alle, die hier dauerhaft leben wollten, sich unterordnen müssten. Statt nun aber mitleidig zu lächeln "jou, hatten wir schon etliche Male ohne vorzeigbare Resultate durchdiskutiert, geh woanders trollen" schreien alle, die sich politisch irgendwo zwischen Grünen, Linkspartei und SPD (die aber nur zum Teil, man ist ja immerhin staatstragend) verorten, reflexartig auf und beschwören Bilder von Fackelzügen durchs Brandenburger Tor herauf. Die Gegenthese lautet wahlweise, die behauptete Leitkultur gäbe es gar nicht, es gäbe sie zwar, sei aber total doof, weil nicht so wie beschrieben, oder es sei ja wohl eine Frechheit, wertvolle, hilflose andere Leitkulturen durch unsere Leitkultur einfach unterbuttern zu wollen.
Am Ende kommt heraus: eine Talkrunde bei Anne Will mit den üblichen Schwätzern der etablierten Dateien plus irgendeinem Nichts, dessen oder deren Tweet zum Thema mehr als hundert Retweets bekommen hat und das diese ungeheure Bekanntheit zum Anlass nimmt, schon einmal mit der Autobiografie anzufangen. Es kommt heraus: ein Vierseiter im Spiegel, eine Seite in der "Zeit" und ein bissiger Kommentar in der taz, der lustig wäre, wenn man nicht den nur marginal umgeschriebenen Text von der letzten ritualisierten Empörung genommen hätte. Die eigentliche Debatte ist keinen Millimeter vorangekommen, was aber auch kein Wunder ist, weil es nichts Neues gibt und alle denkbaren Argumente einfach immer wieder aufgewärmt werden.
Aber schön, dass wir darüber nicht geredet haben.
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