Donnerstag, 15. September 2011

Chinesische Lehrstunde

Die Watschen mag ein Bluff sein, aber sie offenbart viel: China unterbreitet Europa  und den USA ein Angebot, das bei Firmen einer Übernahme gleich käme: Wir pumpen massiv Geld in eure marode Bude, dafür gelten ab dann unsere Regeln. Garniert wird das Ganze noch mit der von oben herab erteilten Ermahnung, gefälligst die Grundregeln der Volkswirtschaft zu lernen und wenigstens nicht wie völlige Kretins mit Geld umzugehen. Lehrstunden in Wirtschaft - erteilt von Kommunisten, den Anhängern jenes Wirtschaftssystems also, das im Westen als hoffnungslose Fehlkonstruktion angesehen wird. Wie reagieren die europäischen Wirtschaftsgenies auf diese kaum noch steigerungsfähige Demütigung? Wie halb verhungerte Hunde, denen man einen Knochen vorwirft: Großartige Idee, guck mal, wir können weiter wie verrückt Geld verbrennen, unseren auf ganzer Linie gescheiterten Börsenzockern weiterhin ganze Wirtschaftssysteme zum Ruinieren übergeben, und im Gegenzug müssen wir uns nur in völlige Abhängigkeit von China begeben. Kommt, lasst uns gleich unseren Managern, die das Geschäft einfädeln, ein paar Millionen als Provision geben.

Ich habe Heroinabhängige auf Entzug gesehen, die rationaler und mit längerer Perspektive handelten. Was die Wirtschaftsprofis offenbar in erster Linie sehen, ist der nächste Schuss in Form einer Investitionszusage. In ihrer Gier sind sie bereit, dafür alles zu geben und überhören dabei die Aufforderung, endlich die Spielcasinomentalität zu beenden und wieder solide zu wirtschaften. Zweitens übersehen sie, dass die Macht, vor der sie sich so eifrig zu prostituieren bereit sind,  einer komplett anderen Vorstellung von Wirtschaft und Politik anhängt, und dass man dafür wohl auch einen demokratischen Preis wird zahlen müssen - beispielsweise im Zugeständnis, dass der Dialog mit der Opposition durchaus auch einmal vom Geschützturm eines Panzers aus geführt werden kann und dass ein bisschen Zensur doch allenfalls zu einem harmonischeren Miteinander beiträgt. Ich kann mir  einige Bundestagsabgeordnete vorstellen, die sich dieser Auffassung anschlössen.

Selbst wenn wir einmal annähmen, dass China nicht den Westen vor sich hertriebe - wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, China betriebe eine solide Wirtschaft? Dieser Staat lebt genau so auf Pump wie alle anderen Staaten auch, und allein die gewaltigen Reserven, die das noch Land hat, sorgen dafür, dass dies nicht sofort auffällt. Tatsächlich betreibt China die gleiche auf Expansion gerichtete Wirtschaftspolitik wie der von ihr so gescholtene westliche Kapitalismus und nimmt dabei maximale ökologische und menschliche Opfer in Kauf. Das Land ist groß, so dass man durchaus mal einige hundert Quadratkilometer verseuchen kann, ohne dass sich jemand daran stört, und selbst wenn dies geschehen sollte: Was sind schon eine Millionen Menschen, wenn man 1.3 Milliarden hat? 



Es deutet vieles darauf hin, das China im Begriff ist, die USA als dominierende Macht abzulösen. Allein schon die Dimensionen des Landes und die Straffheit seiner Organisation bieten ideale Voraussetzungen. Auf der anderen Seite verbrennt auch China nur ein Strohfeuer - größer als alle anderen Strohfeuer dieses Planeten und damit eindrucksvoller, aber ich sehe noch keinen Ansatz, wie es weiter gehen soll, wenn man mit atemberaubendem Tempo alle Rücklagen aufgebraucht hat. Dann hat man vielleicht die größten und modernsten Fabriken, aber nichts, was man darin verarbeiten, nichts, womit man sie betreiben könnte. Ist es wirklich das, was wir als leuchtendes Vorbild für eine funktionierende Wirtschaft annehmen wollen? Das westliche Modell mag versagt haben, möglicherweise ist es Zeit, es abzulösen. Das europäische Strohfeuer durch das chinesische abzulösen, das allein deswegen noch brennt, weil es später gezündet wurde, scheint mir keine sinnvolle Strategie zu sein.

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