Allein schon die reine Wahrscheinlichkeitslehre sagt uns, dass - eine hinreichend große Beobachtungsmenge vorausgesetzt - immer wieder unerwünschte Ereignisse eintreten. Auf die menschliche Gesellschaft übertragen heißt dies: Irgendwo geht immer etwas schief. Es wird immer wieder zu Massenkarambolagen, Kraftwerksexplosionen, Anschlägen, Überfällen, Entführungen und anderen durch den Menschen verursachten Unglücken kommen - Amokläufe inbegriffen. Das ist schlimm.
Verständlicherweise wollen wir solche Ereignisse eindämmen, weswegen es gut ist, darüber nachzudenken, wie man vorbeugend handeln kann. Über eine Sache muss man sich aber im Klaren sein: Es ist relativ leicht möglich, in der Anfangsphase mit geringem Aufwand große Erfolge zu erzielen. Drück den Leuten ein Stück Seife in die Hand, und schlagartig sind geschätzte drei Viertel aller Infektionskrankheiten kein Thema mehr. Der ganze Aufwand, den wir als moderne Industrienationen mit Hygienemaßnahmen betreiben, dient dem Versuch, das restliche Viertel zu bändigen.
Ähnlich ist es mit Gewaltausbrüchen. Eine Maßnahme, die praktisch kein Geld kostet, sich aber als immens effektiv erweist, ist gesellschaftliche Ächtung von Gewalt. Eine andere besteht darin, den Leuten wenigstens die gefährlichsten Waffen abzunehmen. Beides zusammen führt dazu, dass zumindest in Deutschland die allermeisten Auseinandersetzungen glimpflich verlaufen.
Was nicht heißt, dass es nicht gelegentlich zu katastrophalen Zwischenfällen kommt. Einige Male pro Jahr dreht irgendwo in der Republik jemand vollkommen durch, sei es ein frustrierter Teenager, ein überforderter Familienvater oder, wie jetzt in Lörrach, eine 41-jährige Rechtsanwältin. Das ist, wie schon gesagt, schlimm, weil es immer schlimm ist, wenn Menschen vorzeitig und gegen ihren Willen sterben müssen. Aber - und das wird vielen nicht gefallen - daran lässt sich nichts ändern.
http://www.stern.de/panorama/nach-amoklauf-in-loerrach-das-web-spottet-1605548.html
Was soll das heißen? Keine hastig ins Mikrofon erbrochenen Forderungen nach neuen Verboten, schärferen Gesetzen, härteren Strafen, verbesserter Überwachung? Kein schnell in die Tastatur geklimperter Betroffenheitsartikel? Keine Instrumentalisierung der Trauer? Keine Auflagensteigerung durch breitgewalztes menschliches Leid? Kein billiger Populismus auf Kosten der Toten? Wie sollen wir sonst unsere Beißreflexe ausleben?
Erwies der Täter, wie beispielsweise in Winnenden, der CDU den Gefallen, vorher am Computer gesessen oder Filme gesehen zu haben, stürzen deren Apologeten des Analogzeitalters sofort in die nächste Zeitungsredaktion, um den dort anwesenden Journalisten brühwarm zu erzählen, diesem Gemetzel könne man nur mit umfassenden Verboten von Killerspielen, Gewaltvideos und bösen Internetseiten entgegen wirken. War die Tatwaffe unerhörterweise offiziell registriert, passt dies perfekt ins grüne Feindbild: Schützenvereine, Brutstätten der Reaktion, Kaderschulen des Konservativismus. Nun mag es wahrhaft intellektuell weniger beklagenswerte Anblicke geben als den Zenit des Lebens deutlich überschritten habende Träger grüner Jägertrachten, mit Schützenabzeichen übersät wie weiland sowjetische Generalsuniformen, aber in diesem Land hat jeder das verbürgte Recht, sich selbst immer und überall zum kompletten Idioten zu deklassieren, und so lange mich niemand zwingt, diese Zurschaustellung geistiger Ausbaufähigkeit in irgendeiner Weise gut zu finden, sind doch alle Beteiligten glücklich. Ich möchte lieber nicht wissen, was Außenstehende von langhaarigen Computerautisten mit schwarzen T-Shirts halten.
Was wollen denn die grünen FriedensfreundInnen, wenn sie den erlaubten Waffenbesitz verbieten wollen? Dass die Leute mit unerlaubten Waffen erschossen werden? Genau das wird nämlich passieren, wenn man echten Waffennarren ihre Spielzeuge wegnimmt: Sie besorgen sich das Zeug auf dem Schwarzmarkt, und dann gibt es keine staatliche Kontrolle mehr, die den schlimmsten Blödsinn verhindert, keine spießigen Schützenvereine, deren Mitglieder aus klassischer Linksperspektive gesehen vielleicht völlig indiskutabel sind, aber in der Regel äußerst allergisch auf Möchtegern-Rambos in ihren Reihen reagieren. Halten Sie von Schützenvereinen, was sie wollen, aber den idealen Nährboden für Amokläufer bilden sie nicht.
Was immer die Profischwätzer dieses Landes behaupten: Es wird immer wieder zu Amokläufen kommen. Gründe, warum Menschen durchdrehen, gibt es viele, und alle im Rahmen eines demokratischen Rechtsstaats möglichen Maßnahmen werden vielleicht an den Details des Ablaufs etwas ändern, nicht jedoch den Ausbruch an sich verhindern. Es gibt nicht die zwei, drei alles entscheidenden Stellschrauben, an denen man nur kräftig genug drehen muss, um dieses Land in ein Paradies zu verwandeln. Stellen Sie sich dieses Land eher wie den Kölner Dom vor: Sie müssen ständig herumwerkeln, um ihn in Schuss zu halten, aber wenn Sie am einen Ende fertig sind, können Sie gleich am anderen wieder anfangen. Dennoch kommt keiner auf die Idee, den ganzen Bau durch etwas zu ersetzen, was man leichter pflegen kann, und vor allem fordert niemand, den Regen zu verbieten, damit es nicht mehr reinregnet.
1 Kommentar:
Schau an ... Killerspiele ... auch EMMA-Extremisten haben diesesmal garkeinen Zusammenhang mit Killerspielen oder Pornos oder whatever gezogen, merkwürdig merkwürdig:
http://cymaphore.net/j/54
Aber hauptsache die armen Waffen haben mit der Tat nix zu tun (Bosbach) !!1!
:-)
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