Irgendwann in der gymnasialen Mittelstufe kommt der Zeitpunkt, an dem wir lernen, wie Argumentationen geschrieben werden. Das Ergebnis sind Dutzende furchtbar langweilige, uninspiriert geschriebene Hausarbeiten zu einem unverfänglichen Thema, deren einziger Zweck darin besteht, die Grundtechniken einzuüben. Wir lernen ein paar Phrasen, mit denen wir die einzelnen Abschnitte einleiten können, vor allem aber lernen wir das Sammeln und Anordnen der Argumente und einige Tricks, wie wir sie so zurechthämmern, dass sie nicht mehr versuchen, möglichst objektiv alle Aspekte abzuwägen, sondern unser Publikum subtil in eine Richtung drängen. An genau diese Trickkiste der Mittelstufe fühle ich mich erinnert, wenn ich mir die peinlich plumpe Durchschaubarkeit ansehe, mit der die Debatte um die Erhöhung der Rundfunkgebühren geführt wird.
Leider bekleckern sich beide Seiten sich argumentativ nicht mit Ruhm, und so komme ich nicht umhin, auch Watschen an die Seite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auszuteilen, auf dessen Seite ich eigentlich stehe. Vor allem aber werde ich - zum wiederholten Mal - Parteien angreifen, denen ich mich deutlich näher sehe als den Knallchargen von der AfD. Bedauerlicherweise schützt die richtige Gesinnung nicht vor idiotischem Gequatsche, weswegen ich hier eins vorweg schicke: Ich bin trotz aller Auswüchse des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems für die Erhöhung der Gebühren,und was ich von der AfD halte, kann ich in einem öffentlich einsehbarem Blog nicht schreiben, ohne mir eine Anzeige wegen Beleidigung einzufangen. Gut, dass wir diesen Punkt geklärt haben.
In kaum einer Debatte ist es so einfach, herauszufinden, auf wessen Seite die Verfasser der scheinbar neutral gehaltenen Artikel tatsächlich stehen. Die Öffentlich-Rechtlichen sprechen konsequent von 86 Cent, die pro Haushalt monatlich mehr zu zahlen sind. Diese Zahl ist unbestritten wahr, ebenso wahr allerdings auch wie die von Alice Weidel auf der Gegenseite genannten 1,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen vom Jahr 2021 bis 2024 insgesamt. Die einzig sinnvolle Erkenntnis aus dieser Zahlenjongliererei kann daraus bestehen, dass absolute Werte hier nicht helfen. Seriöser und überraschend selten genannt ist in meinen Augen die prozentuale Steigerung von 4,9 Prozent, eine Zahl, die bei einem Tarifabschluss ein zufriedenes Grinsen auf die Gesichter der verhandelnden Gewerkschaft zaubert. Wir können noch darüber diskutieren, wie viele Jahre die Rundfunkgebühren stabil waren und dass inflationsbereinigt die Erhöhung nicht gar so üppig ausfällt wie es auf den ersten Blick erscheint, mich ärgert nur, wie durchschaubar hier die Wahrheit verzerrt wird.
Das sollte aber nicht weiter überraschen. Wir kennen derartige Tricksereien auch in anderem Kontext. Peinlich berührt haben mich vor allem die Argumente der CDU und der Grünen, warum sie für oder gegen die Erhöhung sind und die vor allem eines zeigen: erschreckende Defizite im Verständnis, wie Demokratie funktioniert.
So bemängelt die CDU vor allem, die Öffentlich-Rechtlichen hätten in ihrer Berichterstattung die ostdeutschen Befindlichkeiten nicht angemessen berücksichtigt. Ich übersetze das politische Floskelgebilde kurz ins Hochdeutsche: Was erlauben Funk? Hat berichtet wie Flasche leer. Wir bezahlen den ganzen Spaß, dann können wir ja wohl auch bestimmen, worüber wie berichtet wird.
Wer meint, hier sei schon der untere Anschlagpunkt der Diskussion erreicht, hat nicht mit der Fähigkeit der Grünen gerechnet, jedes Niveau souverän unterbieten zu können. Die CDU dürfe nicht gegen die Erhöhung stimmen, argumentieren sie, weil sie ja dann gemeinsam mit der AfD abstimme. MIT DER AFD! Das ist naz, ach was sage ich, NAZINAZ!
Um mich von der lupenrein antifaschistischen Haltung der Grünen zu überzeugen, habe ich willkürlich eine Bundestagsabstimmung zum Haushaltsentwurf angeklickt, und siehe da: Natürlich haben da unsere tapferen Widerstandskämpfend*innen mutig und entschlossen gegen die Regierungsvorlage und damit zusammen mit, also ich meine eigentlich ja nicht, aber dann doch - ähm.
Ja, ich weiß, in Sachsen-Anhalt sitzen die Grünen mit der CDU in der Regierung, im Bundestag zusammen mit der AfD in der Opposition, aber das ändert an der Albernheit des Arguments nichts. Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, dass von der AfD zum großen Teil Blödsinn kommt, aber allein auf dieser Wahrscheinlichkeitsaussage beruhend pauschal alles von der AfD als Nazigewäsch abzuhaken, ersetzt den politischen Diskurs durch Dogmatismus. Nicht zuletzt gesteht es der AfD eine Macht zu, die ihr nicht gehört, denn wenn sie weiß, dass die anderen Parteien niemals gemeinsam mit ihr abstimmen, braucht sie nur Anträge für eine liberale Migrationspolitik, Frauenquoten oder Förderung regenartiver Energie einreichen und dann entspannt lächelnd den Grünen zusehen, wie sie sich winden. Einfacher gesagt: Es ist möglich, die Rundfunkgebühren so zu lassen, wie sie sind, ohne dass am Abend die SA einen Fackelzug durchs Brandenburger Tor veranstaltet.
Die Einen wünschen sich Hofberichterstattung, die Anderen haben keine Argumente, warum sie mehr Geld für die Öffentlich-Rechtlichen wollen und jazzen deswegen die Angelegenheit zur antifaschistischen Gretchenfrage hoch.
Und ich hatte immer vermutet, es bedürfe für die parlamentarische Arbeit eines gewissen Mindest-IQ.
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