Es ist ja nicht so, als hätte ich es nicht gesagt, als Maas mit seinem Netzdurchsetzungsgesetz (oder wie auch immer der Blödsinn hieß) ums Eck kam, aber: Ich hab's gesagt. Nehmt euch ein Phänomen her, gebt ihm einen Namen, vergesst aber, eine saubere Definition hinterher zu schieben, und - zack! - verbreitet sich der Begriff explosionsartig, jeder Depp nutzt ihn, jeder meint damit etwas Anderes, aber alle sind sich einig, dass dagegen unbedingt etwas unternommen werden muss. Das war so mit "Hate Speech", was irgendwann als diffuse Beschreibung höchst kontroverser Forenkommentare begann und inzwischen als Kampfbegriff gegen jede Meinung herhalten muss, die jemandem nicht in den Kram passt, und es ist so mit "Fake News", was irgendwann einmal als Beschreibung zur Meinungsmanipulation eingesetzter Falschmeldungen begann und inzwischen zur Universaldiffamierung jeder von der eigenen Filterblase abweichenden Realität missbraucht wird.
Ich fand es immer schon idiotisch, für einen in der eigenen Sprache eigentlich klar umrissenen Begriff irgendeine - ganz früher lateinische, später französische, heute bildungsonanierend-englische - Bezeichnung zu wählen, weil man offenbar den Gedanken nicht ertragen kann, dass jeder weiß, worum es geht, und sich jetzt in der Vorstellung zu sonnen, wie alle einen bewundern, weil man so toll Fremdsprachen kann. Was jedoch passiert, ist: Der Begriff wird wieder ins Deutsche rückübersetzt, diesmal allerdings mit einer subtilen, aber entscheidend anderen Bedeutung, aber alle glauben, es sei das Gleiche wie zuvor, immerhin hat man ja nur einmal hin und her übersetzt.
So war es mit "Fake News". Ursprünglich sprachen die Leute von "Lügen", "Propaganda", "Verleumdungen", dann kam jemand daher und nannte es "Fake News", was wieder ein Dritter für die bildungsfernen Schichten mit "Falschmeldung" rückübersetzte. Merken Sie, was passierte? Genau, die im Ursprungsbegriff steckende Intention ist auf einmal draußen, aber alle fordern, gegen diese "Falschmeldungen" müsse endlich etwas unternommen werden, obwohl sie eigentlich "Propaganda" meinen. Noch wilder: "Fake News" ist auf einmal ein Begriff, der sowohl manipulativ eingesetzte, bewusst falsche Nachrichten als auch möglicherweise (!) falsche Berichte umfasst. Da sich aber alle einig sind, dass "Fake News" verboten gehören, kann ich die Bezeichnung auf einmal gegen alles einsetzen, was sich nicht in mein Weltbild einfügt. Beispiele gefällig?
Heiko Maas, pro forma Bundesjustizminister, de facto Kampfdackel des Innenministeriums, gab nach den Krawallen von Hamburg der "Bild" ein Interview, in dem er sich die Aussage unterschieben ließ, er schlage ein "Rock-gegen-Links"-Festival vor. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für alle, die bei der SPD jegliche Hoffnung begraben haben, dass von dort ein intelligenter Satz kommen könnte. Fairerweise muss man sagen, dass Maas von "Bild" praktisch zu dieser Aussage gedrungen wurde, aber gleich wie die SPD-Fanboys von "Fake News" sprechen? Nein, ihr dummeligen Spezialdemokraten, den Satz hat euer Idol nun einmal gebracht. Natürlich hat "Bild" reichlich getrickst, um dieses Zitat zu bekommen, aber mit Verlaub: Keiner hat den Minister gezwungen, sich wie ein Schulbubb vorführen zu lassen. Das hat der Kerl ganz allein verzapft, und er bezog völlig zu Recht die Prügel dafür. Das waren einfach keine Fake News, das war eine Interviewfalle, in die Maas nur zu bereitwillig hineingetrampelt ist.
Zweites Beispiel: Vor einigen Tagen kursierte eine Meldung, die Firma eines Saugroboters wolle die von ihren Geräten beim Saugen erstellten Wohnungspläne verkaufen. Der Hersteller dementierte daraufhin, worauf dann wieder Leute was von "Fake News" krähten. Nein, es war eine Meldung, zu der es jetzt eine Gegenmeldung gibt. Mit Verlaub, nach dem Echo, das die Meldung auslöste, ruderte ich auch schnellstmöglich zurück. Es ist derzeit also nicht klar, ob da eine Information zum Aufreger aufgeblasen wurde oder ob an der Meldung wirklich etwas dran ist und eine Firma Schadensbegrenzung betreibt. Auf keinen Fall sind es aber "Fake News", weil weder eine Fälschungsabsicht erkennbar ist, noch der Versuch, jemanden mit völlig aus der Luft gegriffenen Fakten zu diskreditieren.
Spätestens, seit Donald Trump, also genau der Mann, den man wenn nicht als den Erfinder so doch wenigstens als den bezeichnen kann, der "Fake News" erstmals auf Industrieniveau anwandte und sich damit vom hoffnungslosen Außenseiter bis zum zweitmächtigsten Mann der Welt durchbiss, spätestens also seit dieser Mann in seiner ersten Pressekonferenz als noch nicht vereidigter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einen kompletten Nachrichtensender als "Fake News" abwatschte, hätte doch allen klar sein müssen: Dieser Begriff ist verbrannt. Aus. Ende. Man kann ihn einfach nicht mehr verwenden. So wie Nazivergleiche oder das Wort "Cyber". Es mag ja Zeiten gegeben haben, in denen man damit noch etwas ausdrücken konnte, aber spätestens, wenn ein Wort einmal durchs politische und gesellschaftliche Spektrum gegeistert und zur reinen Haudrauf-Vokabel verkommen ist, spätestens, wenn die hirntoten Parteisoldaten an den Wahlkampfständen in der Fußgängerzone von Düsseldorf ein Wort übernommen haben, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir sagen sollten: Das war'. "Fake News" ade. Wir werden dich nie wieder in den Mund nehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen