Montag, 4. August 2014

Ende einer christlich-muslimischen Waffenbrüderschaft

Auf den ersten Blick ist die Sache einfach: Der Schützenkönig von Sönnern (wer kannte das Kaff überhaupt vor dieser Meldung?) wird unsanft vom Thron gestoßen, weil er kein Christ, vielmehr: Moslem ist. "War ja klar, dieses braune Schützenvereinspack", mag man sich jetzt denken. "Wahrscheinlich verlangten die noch einen Ariernachweis von ihren Mitgliedern, wenn das seit 1945 nicht so einen seltsamen Beigeschmack hätte. Seit wann hat denn Filzrocktragen, Saufen und Rumballern was mit christlichen Grundwerten zu tun?"

Naja, seit das bei denen in der Satzung steht, also seit 1837. Da heißt es nämlich recht deutlich:

[...] Getreu dem Wahlspruch der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften „Für Glaube, Sitte, Heimat“ stellen die Mitglieder der Schützenbruderschaft St. Georg Sönnern-Pröbsting sich folgende Aufgaben:
  1. Bekenntnis des Glaubens durch:
  • aktive religiöse Lebensführung
  • [...]
  • Erziehung zum Werke christlicher Nächstenliebe
  1. Schutz der Sitte durch:
  • Eintreten für christliche Sitte und Kultur im privaten und öffentlichen Leben [...]

Und weiter:

Die Schützenbruderschaft dient ausschließlich unmittelbar christlichen und mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken

Nun kenne ich reichlich Muslime, die christliche Grundwerte deutlich überzeugender vertreten als offiziell mit einem Taufschein Ausgestattete, aber spätestens bei dieser Passage sollte klar sein, aus welcher Richtung im Verein der Wind weht:

  1. Die Bruderschaft beteiligt sich geschlossen und mit Fahnen an der Fronleichnamsprozession ihrer Pfarrei. Die Bruderschaft lässt alljährlich drei Hochämter halten:
- am Fest des heiligen Georg, des Schutzpatrons unserer Bruderschaft
- am Samstag beim Schützenfest und
- am Christkönigsfest.
Bei den Gottesdiensten nehmen die Fahnenabordnungen im Chorraum um den Altar Aufstellung.
Und schließlich:

Die Bruderschaft beteiligt sich an der Pflege christlicher und geschichtlicher Kultur der Heimat.

Wahrscheinlich liest kein Mensch die Satzung eines Schützenvereins, bevor er ihm beitritt, und sollte Herr Gedik es dennoch getan haben, spricht es für seine Toleranz, sich solchen Regeln unterzuordnen. Dass Christentum und Islam zwar viele gemeinsame Werte teilen, aber in einigen wichtigen Punkten auch wieder komplett unterschiedliche Religionen sind, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Ein Moslem kann mit dem wirren Konstrukt einer Dreifaltigkeit nichts anfangen. Für ihn gibt es exakt einen Gott, der nicht irgendwie herumfaltet, und ganz bestimmt ist Jesus aus seiner Sicht nicht sein Sohn, sondern gerade einmal ein Prophet. Die Auferstehung, Kern der christlichen Heilslehre, gibt es aus seiner Sicht nicht. Umgekehrt erkennt das Christentum den Propheten eben nicht als Propheten an, der Q'ran hat für sie keine Bedeutung, und die heiligen Stätten des Islam sowie die damit verbundenen religiösen Pflichten gelten für sie nicht. Manche mögen das als trennend empfinden, ich empfinde es als Bereicherung, durch den Islam noch einmal eine ganz andere Sichtweise kennenzulernen. Wie auch immer: Ein praktizierender Moslem muss in Glaubenskonflikte geraten, wenn er die oben genannten Vereinsziele leben will, ähnlich so wie ein Christ niemals ohne Konvertierung die Gesetze des Islam vollständig leben kann.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: "Ablehnung" ist noch ein sehr sanftes Wort für das, was ich gegen Schützenvereine empfinde. Das spießig-miefige, das diese Leute versprühen, stößt mich ab. Wäre ich Pastorin und einer dieser ordensbehängten Fahnenträger wagte es, sich auch nur in die Nähe des Altarbereichs zu begeben, steckte ich ihm eigenhändig die Fahne an den einzigen Ort, wo sie wirklich gut hinpasst und schöbe ihn zurück in die Bank. Wenn sich erwachsene Menschen außerhalb ihrer Arbeitszeit in Uniformen zwängen, müssen sie schon beim THW oder der freiwilligen Feuerwehr sein, um von mir nicht als vollkommen schwachsinnig angesehen zu werden.

Nun gibt es aber einmal diese Vereine, und wahrscheinlich gehören sie einfach zum Dorfleben dazu. Entsprechend ist es ein gutes Zeichen, wenn sich Herr Gedik dort wohl fühlt. Wer in kontrollierter Umgebung ein wenig mit Schusswaffen herumhantieren will, hat nach aller Erfahrung die damit verbundenen Regeln viel zu sehr verinnerlicht, als dass er damit irgendwelchen Unfug triebe. Es bleibt aus meiner Sicht die Frage, ob die oben zitierten Regeln in dieser Form noch zeitgemäß sind, ob sich die von Herrn Gedik und seinen Vereinsgeschwistern gelebten Werte nicht auch anders als mit dem Wort "christlich" beschreiben ließen, und ob die schon fast aufdringliche Kirchennähe nicht etwas gelockert werden könnte. Damit wäre wahrscheinlich allen Beteiligten geholfen.

Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass die St. Georg Schützenbrüderschaft Sönnern-Pröbsting eine Lösung für dieses Sommertheater findet - zusammen mit ihrem Schützenkönig Mithat Gedik.

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