Während des Bundestagswahlkampfs habe ich es ständig gehört, und jetzt geht es wieder los, diesmal vom Kanzler der Herzen, Peer Steinbrück: Die bösen Medien mit ihren Verleumdungskampagnen haben uns nicht fair behandelt. Hätten sie nicht ständig auf unwichtigen Nebensächlichkeiten herumgeritten, stünden wir viel besser da.
Das ist noch die diplomatische Version. Was man eigentlich sagen will, ist: Die schlechte Presse hat uns den Sieg gekostet.
Seien es die Piraten, die ihren Absturz aus dem Umfragenhimmel in die Bedeutungslosigkeit. oder die Sozialdemokraten, die ihr bestenfalls mäßiges Wahlergebnis irgendwie erklären wollen - Medienschelte ist nicht nur einfach schlechter Stil, sie ist ein Armutszeugnis, aus mehreren Gründen:
Erstens kaschiert sie eigene Fehler. Glaubt irgendwer ernsthaft, die Piraten säßen jetzt mit 15 Prozent im Bundestag und Steinbrück mit einer rot-grünen Mehrheit im Kanzleramt, wenn ein paar Artikel über sie schmeichelhafter ausgefallen wären? Wohlan, dann ist es jetzt Zeit für ein paar deutliche Worte, die euch vielleicht wieder auf den Boden der Realtität bringen: Der Grund für euer episches Versagen liegt in den Trampeltieren und Stümperinnen, die ihr ins Rennen geschickt habt. Er liegt in einer Politik, die kaum diesen Namen verdient, in peinlichen Selbstinszenierungen und idiotischen Selbstzerfleischungen, und es ist eine Frechheit, wenn ihr der Presse vorwerft, genau darüber zu berichten. In diesem Land herrscht so etwas wie Pressefreiheit, und wenn sich eure Truppe wie eine Rudel Schimpansen auf Koks benimmt, köpft nicht den Boten, der die traurige Nachricht überbringt.
Zweitens überschätzt ihr die Macht der Medien. Ich weiß nicht, ob ihr im vergangenen halben Jahr wirklich Medien konsumiert habt, denn dann wäre euch beispielsweise aufgefallen, wie intensiv über Snowden und den NSA-Skandal berichtet wurde. Kein Tag verging, an dem nicht Fernsehen, Radio und Zeitungen neue Enthüllungen und peinliche Details brachten. Vor allem die Kanzlerin und ihre Sockenpuppe von Innenminister gaben in dieser Zeit eine lächerliche Figur ab. Bei dieser Nachrichtenlage hätten die Piraten auf jeden Fall den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und Zehntausende auf den Straßen für ihre Rechte demonstrieren müssen - so wie seinerzeit Fukushima den Grünen Traumergebnisse bei Landtagswahlen bescherte. Was passierte statt dessen? Nichts. Warum? Weil die Leute eben nicht hinter jeder Trommel herrennen, die von den Medien gerührt wird.
Womit wir beim dritten Punkt angelangt wären: Für wie dämlich haltet ihr eure Wählerinnen? Welches Maß an Verachtung wollt ihr ihnen noch entgegen bringen? Was für ein Weltbild habt ihr? Glaubt ihr tatsächlich, das deutsche Wahlvolk blicke morgens in die Bild, abends in die Tagesschau und übernehme blind alles, was da gesendet wird? Meint ihr nicht, dass nicht wenigstens ein Teil von ihnen, wenigstens eure eigenen Wählerinnen, so schlau ist, sich nebenher noch woanders zu informieren? Oder anders herum: Seht ihr im Stimmvieh nur eine tumbe Masse, der man mit ein wenig gut platzierter Propaganda sagen kann, was sie zu meinen hat? Ist es das, was ihr von uns denkt?
Medienschelte bewegt sich nur knapp an der Verschwörungstheorie vorbei, nur dass diesmal nicht die Freimaurer, die Rosenkreuzer, die Tempelritter, die Bilderberger, die Illuminaten oder die Bolschewisten das Zepter der geheimen Weltregierung schwingen, sondern die Journalistinnen. Ich hatte das Vergnügen, ein wenig Einblick in den journalistischen Alltag zu bekommen und kann mit Sicherheit sagen: Da regieren nicht die Weisen von Zion, sondern Auflagenzahlen, Sendeslots und vor allem: Geschichten, die sich gut erzählen lassen.
Genau das ist auch die Erklärung: Medien berichten vor allem über das, was eine gute Geschichte abgibt. und ein Spottartikel über eine trampelhafte Presseerklärung oder ein zwielichtiges Geschäft verkauft sich einfach besser als ein hundertseitiges Wahlprogramm, das keiner lesen will, weil sich am Ende ohnehin niemand dran hält.
Nein, das ist nicht fair, aber es ist das, was man im Hinterkopf haben muss, wenn man im ganz großen Geschäft mitmischen will. Wer in der Profiklasse unterwegs ist, darf sich eben nicht wie ein Laie aufführen. Dafür können die Medien nichts.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen