Mittwoch, 9. März 2011

Seehofers Endkampf

Der politische Aschermittwoch gilt gemeinhin nicht als Tag der feinsinnigen Rhetorik. Hier werden gern einmal die intellektuell etwas Zurückgebliebenen der Partei hervorgekramt, die man sonst schamhaft von den Mikrofonen wegdrängt, bevor sie allzu großen Unsinn verzapfen können, und lässt sie das absondern, was selbst auf der Titelseite der Bild noch niveaulos wirkt. Besonders, wenn Wahlkämpfe, vielleicht gar ein - aufgemerkt - "Superwahljahr" ins Haus stehen, darf es auch einmal so grobschlächtig zugehen, dass im Vergleich dazu ein Braunkohlebagger wie Uhrmacherwerkzeug erscheint. Doch selbst für diese Verhältnisse ist das, was Horst Seehofer heute zum Thema Zuwanderung von sich gab, dümmlich:



"Wogegen wir größte Vorbehalte und Bedenken haben, und da werden wir uns in der Berliner Koalition sträuben bis zur letzen Patrone, liebe Freunde, und niemals nachgeben, dass wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bekommen."

Ich verlange von niemandem, dass er Ausländer besonders mag. Ich will auch gar nicht die immer wiederholten Argumente für und gegen Zuwanderung herunterleiern. Was mich aufregt, ist die Wortwahl, mit der in einer Demokratie ein politisches Ziel verfolgt wird: "bis zur letzten Patrone". Ich bin wirklich kein Freund von Nazivergleichen, aber mit Verlaub: Das ist exakt die Wortwahl, mit der den deutschen Soldaten das Durchhalten in Stalingrad befohlen, das ist exakt die Parole, die zum Endkampf um Berlin ausgegeben wurde. Geben Sie die Phrase bei Google ein, und sehen Sie nach, in welchen Foren sie landen. Wer sich dieses Vokabulars bedient, der vegreift sich nicht zufällig im Ton, sondern spricht ganz bewusst ein bestimmtes Klientel an; der will gar nicht mehr argumentieren, der will Tote.

Wenn heute Nacht irgendein Dreckskerl ein Ausländerwohnheim anzündet, einen Türken zum Krüppel schlägt oder in irgendeiner anderen Weise das vollzieht, was Sie hier nur nachlässig verhüllt fordern, Herr Seehofer, dann hoffe ich, dass man nicht nur diesen Verbrecher zur Verantwortung zieht, sondern vor allem die Hintermänner wie Sie, die sich von ihren Anwälten ihre Reden so zurechtschleifen lassen, dass weiterhin vollkommen klar ist, was Sie meinen, aber man Sie nicht wegen Volksverhetzung verklagen kann. Leute wie Sie werden weiterhin schön bequem in ihren Ministersesseln und Staatskanzleien sitzen, weil sie wissen, dass es immer irgendjemanden geben wird, der für Sie die Drecksarbeit erledigt. Ich hoffe, dass es Richter gibt, bei denen Sie mit dieser Marionettenspielerei nicht durchkommen.

Ein türkischer Kollege, bei dem ich mich über das Seehoferzitat aufregte, blieb übrigens ganz gelassen: "Was regst du dich auf?" fragte er mich. "Stalingrad, Berlin, Gaddafi - jedesmal 'bis zur letzten Patrone'. Guck mal, wer am Ende gewonnen hat." Da musste ich dann auch grinsen.

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