Wieder einmal ist der 1. April, und wieder einmal überbieten sich die verschiedenen Nachrichtenredaktionen in mehr oder weniger gelungenen Juxartikeln. Die meisten von ihnen sind relativ leicht durchschaubar, andere wiederum sind auf dieser Grenzlinie, bei der man den Artikel verzweifelt nach Hinweisen durchforstet, dass man hier auf den Arm genommen werden soll. Die dritte Sorte handelt von intellektuellen Totalaussetzern, ist aber leider wahr. Viele Zeitgenossen reagieren inzwischen mittelschwer genervt auf die Flut zumeist reichlich bemühter Possenreißereien, ich hingegen begehe diesen Tag regelmäßig fast wie einen Feiertag, weil es der einzige Tag im Jahr ist, an dem das Gros der Menschen Nachrichten so liest, wie man sie lesen sollte: kritisch.
Es ist ja leider nicht so, als ob nicht an jedem anderen Tag im Jahr Dutzende Meldungen veröffentlicht werden, die wenn nicht eindeutig falsch, so doch zumindest grauenhaft ungenau oder schlampig recherchiert sind. Aus Zeit- und Kostengründen, mitunter auch einfach aus Faulheit beschränken sich viele Recherchen auf die Wikipedia, eine Google-Suche und als Gipfel des investigativen Journalismus vielleicht noch ein Telefonat. Wer weiß, vielleicht floss in den Aprilscherzartikel mehr Zeit als die meisten anderen Texte.
Falls Sie jetzt einen wuchtig hingeschriebenen Verriss der journalistischen Zunft erwarten, werde ich sie enttäuschen. Das Komprimieren einer umfangreichen Information auf wenige Zeilen ist eine wunderbare Kunst, die nur wenige wirklich beherrschen - am wenigsten diejenigen, welche sich in den Leserbriefspalten in epischer Breite über den Niedergang des Journalismus auslassen. Die Schwierigkeit besteht einfach darin, dass der größte Teil unseres potenziellen Wissens in die Kategorie "shit you don't know you don't know" fällt, während wir es irrtümlicherweise unter "shit you know you don't know" vermuten, was dazu führt, dass wir Nachrichten bereits dann glauben, wenn sie uns "irgendwie plausibel" vorkommen. "Irgendwie plausibel" sind Nachrichten beispielsweise dann, wenn Sie denken: "Na, das ist ja wieder mal typisch" oder: "Das klingt zwar völlig idiotisch, aber hey, es steht in der Zeitung". Zu einer Falschmeldung gehören zwei: Einer, der sie schreibt, und einer, der den Blödsinn glaubt. Natürlich wäre es übertrieben, jeden Wetterbericht mit dem Orignialdatensatz von Meteosat zu vergleichen, aber spätestens, wenn Sie beim Lesen eines Artikels das Gefühl haben, etwas Wichtiges zu lesen, etwas, das Ihre Meinung beeinflusst, sollten sie auch andere Quellen lesen, sich über andere Sichtweisen informieren. Seien Sie keine Ursula von der Leyen.
Heute lesen Sie jeden Artikel mit dem wachsamen Hintergedanken, er könne sich als völliger Unsinn entpuppen. Sie sollten öfter so denken. Lesen Sie jeden Artikel, als wäre er am 1. April geschrieben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen