Wenn bei einer Belagerung den Verteidigern die Waffen ausgehen, fangen sie in ihrer Verzweiflung an, alles mögliche über die Zinnen zu werfen: alte Fässer, Kuhmist und am Ende Sachen, die selbst den Angreifern die Tränen des Mitleids in die Augen treten lassen.
Noch-Justizministerin Zypries scheint auch nicht mehr allzu weit von dem Moment entfernt zu sein, an dem der Burgherr entnervt beschließt, die Tore öffnen zu lassen, anstatt auch nur eine Minute länger in diesem Drecksloch von Burg ausharren zu müssen. Sie schmeißt jetzt mit Begriffen um sich, die zur Zeit ihrer politischen Sozialisierung vor knapp 40 Jahren in der linken Szene noch als Schimpfwörter galten. "Konservativ" zum Beispiel findet sie ganz besonders böse, und deswegen benutzt sie die Kampfvokabel aus der Mottenkiste auch gleich, um die Piratenpartei in Misskredit zu bringen. Dabei übersieht sie in ihrer selbstverkündeten Progressivität allerdings, dass sich die Zeiten inzwischen gewandelt haben und "konservativ" längst nicht mehr den bösen Leumund von einst besitzt. Konservativ sind zum Beispiel die GrünInnen, wenn sie Natur erhalten und mit Windmühlen Strom gewinnen wollen. Konservativ ist die Linkspartei, wenn sie sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen und soziale Absicherung einsetzt. Konservativ, ja schon fast reaktionär sind all die Bürgerrechtsgruppen, die sich dafür engagieren, ein vor 60 Jahren verabschiedetes Grundgesetz in seinem Geist zu erhalten, anstatt ständig so daran herum zu huddeln, als hätte man noch ein zweites in Reserve.
Dieser Konservativismus ist es übrigens auch, der mich dazu veranlasst, die Vorratsdatenspeicherung für ausgemachten Blödsinn zu halten. In der Bundesrepublik, in der ich aufwuchs, mussten die Ermittlungsbehörden dem Verdächtigen eine Straftat nachweisen. Heute muss ich beweisen, dass ich trotz meines computergenerierten Persönlichkeitsprofils, das auf einer statistischen Analyse meiner Bewegungsdaten basiert, kein Terrorist bin. Was, Frau Noch-Ministerin, ist aus der guten alten Unschuldsvermutung geworden? Wenn es progressiv sein sollte, sich den Überwachungsstaat herbei zu sehnen, bin ich gerne konservativ.
Hat eigentlich jemand der guten Frau inzwischen erklärt, was ein Browser ist?