Sonntag, 29. Oktober 2017

taz: Es ist OK, "Neger" zu sagen

Als Kind benutzte ich den Begriff ganz naiv und dachte mir nichts Böses dabei. Dann hieß es plötzlich, das sei ganz schlimm, wir müssten "Farbige" sagen. Seit etwa zehn Jahren wissen wir: "Farbige" ist eigentlich noch schlimmer als der Ursprungsbegriff, der inzwischen nur noch euphemistisch als "das N-Wort" genannt werden darf. Die korrekte Bezeichnung lautet jetzt "PoC", was neudeutsch "People" oder "Person of Color" bedeutet, was man grob mit "farbige Person" übersetzen könnte, aber nicht darf, weil dann erstens keiner sieht, wie toll man Englisch kann, vor allem aber, weil dann jeder sofort merkt, dass man den gerade abgelösten Begriff einfach nur übersetzt und durch eine Abkürzung ersetzt hat. So funktioniert also Antirassismus.

In diese Debatte stößt jetzt völlig unvermutet die Speerspitze des linksalternativen Qualitätsjournalismus vor, indem sie anregt, dass ethnische Gruppen sich künftig nicht mehr mit Respekt, sondern mit Schimpfworten zu adressieren hätten. So sei es beispielsweise völlig in Ordnung, Deutsche als "Kartoffeln" zu bezeichnen und ihre Kultur bezugnehmend auf die Unsitte, in den Toiletten keine vernünftige Möglichkeit zu haben, sich den Hintern zu säubern, als "Dreckskultur". So geht es munter weiter, 457 Wörter lang. Die Botschaft: Rassismus ist so lange vertretbar, so lange er sich gegen diejenigen richtet, die es verdient haben. Der eigentliche Anlass des Artikels, die Frage nämlich, ob ein muslimischer Feiertag in Deutschland eine gute Idee wäre, geht dabei völlig unter, und bei einer studierten Medienkulturwissenschaftlerin als Autorin kann man davon ausgehen: Das war auch ihr Ziel. Natürlich respektiere ich diesen Wunsch und gehe deswegen auf diese an sich interessante Frage hier nicht weiter ein.

Doch diesmal war die "taz" offenbar zu weit gegangen und kassierte aus dem eigenen Lager reichlich Kritik. So sah sich die Redaktion genötigt, gegenzusteuern und die Kritik pauschal in die rechte Ecke zu schieben. Mit diesem rhetorischen Kunstgriff hoffte sie den linken Urreflex auszulösen, alles von rechts als per se falsch und nicht diskussionswürdig anzusehen. Der verlinkte Blogartikel der stellvertrenden Chefredakteurin ist jedoch ein Musterbeispiel, wie man eine Sache noch weiter verschlimmert, indem man sie zu rechtfertigen versucht, als einfach einmal zuzugeben, falsch gelegen zu haben.

So werden die rassistischen Beschimpfungen im Ursprungsartikel als "gewohnt polemisch" verharmlost. Damit ich das richtig verstehe: Ich muss einfach nur oft genug verbal ins Klo greifen, und dann geht das irgendwann als Kunstform durch? Ab wie vielen Hasstiraden ist Alexander Gauland bei der "taz" hoffähig, darf sich einer "kraft- bis gewaltvollen Sprache" bedienen und "geniale Pointen platzieren"?

Mit dem Satz "Diese Polemik hat allerdings mit Rassismus nichts zu tun" versucht die "taz" die Debatte in Pofalla-Manier zu beenden - und liegt wie ihr argumentatives Vorbild damit falsch. Rassismus von rechts mit Rassismus von links begegnen und damit offenbar bezwecken zu wollen, dass sich beide gegenseitig aufheben und eine vorurteilsfreie, weltoffene und liberale Gesellschaft daraus hervorgeht, erscheint mir schon fast tränenrührend naiv. Die Geschichte legt den Schluss nahe, dass es so nicht funktioniert.

Vielleicht war auch die Absicht der "taz" eine ganz Andere: Clickbait, das verzweifelte Betteln um Aufmerksamkeit. Allein 436 Kommentare in einer Woche sowie eine Erwähnung bei "Spiegel Online" sind für eine ansonsten eher schwach beachtete Zeitung ein wahres Woodstock. Wer wusste schon vor diesem Artikel, wer Hengameh Yaghoobifarah ist? Ich hoffe, der rhetorische Anschluss an die AfD hat sich für sie wenigstens in Form von Anzeigenklicks gelohnt.