Samstag, 1. März 2014

Präpubertäres Aufmerksamkeitsgeheische

Damals, früher, in den Achtzigern, da war es noch einfach, gegen Nazis zu sein. Das waren nämlich die militanten Idioten. Die Linken, das waren die Coolen, die mit Abitur und Spiegel-Abo, die beim Versuch, grammatisch korrekte Nebensätze zu bilden, keinen Hirninfarkt bekamen. Die Welt war klar geordnet: rechts doof, links schlau.

Das ist inzwischen leider nicht mehr so einfach. Inzwischen hängen bei den Linken nämlich auch reichlich Idioten herum. Die haben das mit den Nebensätzen vielleicht weiterhin besser drauf, aber genug IQ-Punkte, um wenigstens gegen einen Feldweg in puncto Denkvermögen nicht zu sehr abzufallen, bekommen sie nicht zusammen.

Um auf den Punkt zu kommen: Was hat diese Schwachköpfe eigentlich geritten, sich bei den Alliierten für die Bombardierung Dresdens zu bedanken? Dass wir und die Welt heilfroh sein können, dass Nazideutschland den Krieg verloren hat - unbestritten. Dass ein Land, das zweimal die Welt mit Krieg überzogen hat und beim zweiten Mal noch einen Völkermord drauflegen zu müssen meinte, sich nicht wundern braucht, wenn die Reaktion der Anderen nicht gerade zimperlich ausfällt - kein Widerspruch. Sich aber bei den Alliierten für ein Kriegsverbrechen - und um nichts Anderes handelt es sich bei der von General Harris entworfenen Taktik - auch noch zu bedanken? Leute, habt ihr sie noch alle?

Ja, Deutschland hat den Weltkrieg begonnen. Ja, die Deutschen standen mehrheitlich hinter diesem Krieg. Ja, eine komplette Generation ist schuldig geworden. Ja, wenn eine High-Tech-Armee Europa in Brand steckt und selbst in militärisch aussichtslosen Situationen weitermordet, ist Gewalt das einzige Mittel, diese Armee zu stoppen. Dadurch werden die komplett sinnlosen Bombardements von Großstädten aber nicht zu einer großherzigen Tat, für die man in irgendeiner Weise Dank empfinden könnte. Dass die KZ-Insassen und Partisanen über jeden Militärschlag gegen ihre Peiniger Freude empfanden, kann ich sofort nachvollziehen. Dass aber 69 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs irgendwelche verwöhnten Wohlstandskindchen in einer Mischung aus Aufmerksamkeitssucht und pseudointellektueller Selbstgeißelung die massenhafte Tötung von Zivilisten zur heroischen Großtat verklären, ist schon nicht mehr peinlich. Es weckt in mir die Frage, wie Leute, die so einen präpubertären Schwachsinn aushecken, jemals auch nur in die Nähe eines akademischen Abschlusses kommen konnten.

Ich will hier nicht relativieren. Ich will hier nicht abwiegeln. Die deutsche Luftwaffe hat genau diese Kriegsverbrechen ebenfalls begangen - in Spanien, in England, lange vor der alliierten Antwort. Die Wehrmacht hat überall in Europa komplette Orte bisweilen so weit zerstört, dass man sie nach dem Krieg im Gegensatz zu Dresden gar nicht erst wieder aufgebaut hat. Bomben auf Zivilisten sind ein Verbrechen, egal ob auf ihnen das Hakenkreuz oder der Union Jack prangt.

Warum mich das überhaupt kümmert? Weil ich in der politischen Linken einmal die Zukunft gesehen hatte. Weil ich einmal die Hoffnung hatte, mit den Ideen dieser Strömung könne das Zusammenleben freiheitlicher, weltoffener, anregender und gerechter werden. Jetzt aber sehe ich dort immer mehr Denkschablonen, logische Inkonsistenzen, Borniertheit und Spießigkeit. Früher einmal sah ich in der politischen Linken einen gesellschaftlichen Gegenentwurf zu einem erstarrten System. Inzwischen sehe ich dort die gleichen Hirnblockaden wie bei der politischen Rechten.

Es ist Rassismus, wenn man Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft bestimmte wertende Eigenschaften zuschreibt. Die Nationalität oder Hautfarbe eines Menschen haben keinen Einfluss aus dessen Denkvermögen, Musikalität oder Neigung, Verbrechen zu begehen. Das gilt allerdings auch für die Deutschen, in deren Erbgut eben noch kein hakenkreuzförmiges Gen gefunden wurde.

Nicht einmal Schneid haben die Danksagerinnen von Dresden. Namentlich zu dieser Aktion bekannt haben sie sich erst, nachdem wirklich jede Andere anhand von Vergleichsfotos hinter die Gesichtsmasken blicken konnte, und selbst dann standen sie nicht zu ihren Worten, sondern versuchten sich mit dem Argument herauszuwieseln, sie hätten sich für die Bombardierung Dresdens gar nicht bedanken wollen. Mein Englisch mag etwas eingerostet sein, aber "thank you" kann man grob mit "danke" übersetzen, richtig?

Die affige Nummer, man sei ja nur aus dem Zusammenhang gerissen zitiert und dann auch noch falsch verstanden worden, kannte ich bislang nur von den öligen Politprofis, die aus den Parlamenten zu jagen sich bereits seit Jahren eine Gruppe junger Aktivistinnen vorgenommen hat. Jetzt sind sie noch nicht einmal in die Nähe dieses Ziels gelangt und winden sich schon genau so peinlich wie die Alten.

Wer Bombenhagel sät, wird Shitstorm ernten. Den Nazis wird zu recht vorgeworfen, sie wollten die Täterinnen zu Opfern umdefinieren. Es sage aber bitte niemand, die andere Seite könne das nicht auch. Nachdem das Dresdner Dankeschön zum Teil heftig kritisiert, zum Teil aber auch vom braunen Mob mit Worten bedacht wurde, die sämtliche negativen Vorurteile gegen ihn wieder einmal bestätigten, sehen sich die Aktivistinnen in der Opferrolle. Opfer sind toll. Opfer haben automatisch recht. Opfer muss man einfach lieb haben. Deswegen formierte sich auch prompt eine mehrere hundert Teilnehmerinnen zählende Solidaritätsdemonstration. Mit Verlaub, wer in diesem Alter mit dieser Ausbildung diese Äußerungen tätigt, weiß genau, welche Konsequenzen so etwas hat. Der Eklat war kalkuliert. Wenn kleine Kinder mit einem Stöckchen in einem Wespennest herumstochern, kann man Mitleid haben. Wenn junge Erwachsene, die den Anspruch erheben, in Parlamente einzuziehen und damit Führungspositionen einzunehmen, die gleiche Aktion durchziehen, frage ich mich allenfalls, ob man für Parlamente statt einer Mindestprozentklausel eine Mindest-IQ-Hürde einführen sollte.

Das wäre allerdings auch bei der jetzigen Sitzverteilung interessant.

Interessant ist übrigens auch die Asymmetrie im menschlichen Umgang. Die gleichen Leute, die es vollkommen in Ordnung finden, Kriegsverbrechen zu bejubeln, legen äußerste Sensibilität an den Tag, wenn es um die Frage geht, wie Menschen einer ethnischen Herkunft angesprochen werden, die ihrer Haut eine stärkere Pigmentierung verlieh, und wenn man dann noch berücksichtigen will, dass die entsprechende Person sich vielleicht als Frau fühlt, die im Körper eines homosexuellen Mannes gefangen ist, im Zuge einer Geschlechtsumwandlung aber gerade den männlichen Teil ihres Ichs stärker betont wissen möchte, ohne dabei ihre weiblichen Aspekte zu verleugnen, dann kann es schon einmal ein paar Shitstorms dauern, bis auch nur die korrekte Fragestellung einigermaßen geklärt ist.

Die gleichen Leute, die sich einen Dreck darum scheren, ob sie bei den Überlebenden von Dresden oder deren Angehörigen irgendwelche Trigger auslösen, verwenden viele Gedanken auf die Frage, ob eine Fahne mit der Aufschrift "No Masters - No Slaves - No Gods" den Rassismus verharmlose. Für solche Fragen gibt es sogar eigene Arbeitsgruppen - "Awarnessteams", wie man korrekterweise sagen sollte.

Mit Verlaub, geht's noch? Spielt ihr jetzt auch noch die Antisexistinnen gegen die Antirassistinnen aus? Gibt es in eurer verquasten Welt auch noch Abstufungen in der Diskriminierungshierarchie? Müssen sich eure Unterdrückt_innen auch noch darum streiten, wer opferiger ist? Kann jedes Individuum bei euch jede noch so sinnvolle Aktion stoppen, wenn es nur laut genug "Belästigung" kreischt? Hättet ihr die Fahne auch dann abgenommen, wenn eine Jüdin, eine Muslima oder eine Christin sich vom antireligiösen Charakter der Fahne angegriffen gefühlt hätte?

Ich finde es schade.

Ich finde es schade, dass die Antwort auf einen erstarrten und abgehobenen Politbetrieb aus linken Spießerinnen besteht, die sich unsterblich in ihren Master in Sozialwissenschaften verliebt haben und die Bluffs, die man an der Uni zum Überleben im akademischen Blenderbetrieb lernt, mit realen Fähigkeiten verwechseln. Der Mief der linken Selbstgefälligkeit - in ihren Augen soll er nicht nur im Prenzlauer Berg, sondern im ganzen Land herrschen. Wir mögen an den großen Aufgaben scheitern - so lange die Lara-Christine keinen Rassismen bei Bibi Blocksberg ausgesetzt ist und Pedro, der in Südamerika die Bohnen meines Latte Macchiato pflückt, garantiert nicht homophob ist, kann mir der Rest egal sein.

Ich glaube, dass wir neue Politikerinnen brauchen. Ich glaube nicht, dass wir sie schon gefunden haben.