Montag, 1. Januar 2024

Deutsche Riten: Böllerverbote

Spätestens am 27.12. eines Jahres beginnt zuverlässig die gleiche ebenso hysterisch wie folgenlos geführte Debatte, ob die Silvesterknallerei verboten werden soll. Mir ist es eigentlich egal, weil ich die Nacht zum Jahreswechsel so verbringe wie jede andere Nacht auch: schlafend, oder zumindest mit dem Versuch zu schlafen. Als Teenager fand ich das Reinfeiern noch interessant, mit guten Freunden sowie der heimlich Verehrten lauter ungesundes Zeug in sich hineinzustopfen, über Vergangenes und Zukünftiges zu sinnieren, gegen Mitternacht die Lieblingsplatte aufzulegen und dann irgendwann den Schlafsack auszurollen, um wenigstens ein bisschen Schlaf zu bekommen.

Dann kam das Raclette-Zeitalter.

Sonntag, 3. September 2023

Aiwangers Selbstmitleid

Aiwanger. Hubert Aiwanger, oder auch Hubot Oiwongo, wie er sich selbst zu nennen pflegt. Die Synchronstimme von Seelefant aus den Urmelfilmen, wahlweise auch der Hund aus dem Loriot-Sketch, von dem es am Ende heißt: "Ich glaube, Ihr Hund kann gar nicht sprechen. Er beherrscht nur einen einzigen Laut, sowas wie 'o'." Der Mann, der nur wenige Sekunden zu reden braucht, um von jeder Amtsärztin den Hirntod attestiert zu bekommen. Als ich die Nachricht über den Flugblattfund in seinem Schulranzen hörte, war meine erste Reaktion: Unfassbar, Aiwanger kann schreiben?

Mittwoch, 5. Juli 2023

Masturbierodon

Es bedarf nicht zwangsläufig einer Horde Nazis, um ein an sich interessantes Medium in einen schwer erträglichen Ort zu verwandeln. Mastodon zum Beispiel war einmal ein beschaulicher Nerd-Tummelplatz, die sich ab und zu mal eine Nachricht schickten, ansonsten aber sich angenehm ruhig verhielten. Mastodon, darüber waren wir uns einig, ist ganz nett, aber unbedeutend. Es gab keinen Grund, sich aufzuplustern, weil sowieso kaum jemand davon etwas mitbekommt.

Dann kaufte Elon Musk Twitter.

Samstag, 17. Juni 2023

Antiterroristischer Aktionismuszwang

In Hamburg betritt ein ehemaliger Zeuge Jehovas einen Königreichssaal, erschießt sieben Menschen und anschließend sich selbst. Wie immer nach solchen Taten schauen jetzt alle zurück auf deren Vorgeschichte und defäkieren klug, wie das Ganze hätte verhindert werden können. Das ist etwa so sinnig, als fragten Sie nach einem verwandelten Elfmeter den Torwart, warum er sich nicht in die richtige Ecke gestellt hat, wo doch so klar war, dass der Schütze dorthin zielen wird, aber offenbar ist es das, was im Journalismusstudium als "kritische Berichterstattung" verkauft wird.

Montag, 5. Juni 2023

Völlig bekloppt und doch irgendwie richtig

Eigentlich könnte es mir völlig egal sein, wer sich wann warum wo auf welche Straße klebt. So selten, wie ich Auto fahre, müsste es schon ein enormer Zufall oder der Protest enorm eskaliert sein, wenn ausgerechnet ich in einem von der "Letzten Generation" verursachten Stau stehe. Trotzdem fühle ich mich von dieser Aktionsform aus mehreren Gründen genervt.

Samstag, 18. Februar 2023

Alternativloser Krieg

Jahrzehntelang haben wir über Merkels rhetorische Figur der "Alternativlosigkeit" gespöttelt. Das sei Unsinn, sagten wir, in Demokratien gäbe es immer mindestens eine weitere Option. Wir mögen sie als schlecht oder gar ungeeignet ansehen, aber müssten bei unseren Überlegungen sie immer als existent im Kopf behalten - nicht, weil wir sie ernsthaft erwögen, sondern um uns zu vergegenwärtigen, dass politische Entscheidungen keine Naturgesetze sind.

Jetzt überlegen Sie bitte, wie wir den Ukrainekrieg diskutieren.

Samstag, 11. Februar 2023

Spielverderben als Argumentersatz

Den Hype um Harry Potter habe ich nie ganz verstanden. Ja, die Bücher gefielen mir, aber die Anleihen bei anderen Fantasy-Werken waren mir zu deutlich. Die ständigen Wutausbrüche Harry Potters gingen mir auf die Nerven, ebenso Harrys Stiefeltern, die sich über sechs lange Jahre hinweg keinen Millimeter weiterentwickeln, obwohl sie reichlich Anlass dazu hätten. Selbst der von vielen Fans geliebte Severus Snape bleibt seltsam statisch, und die am Ende gelieferte Erklärung reicht mir nicht aus. Auch die Filme sind weit davon entfernt, mich zu überzeugen. Optisch mögen sie überwältigen, aber das entschädigt in meinen Augen nicht für das - Entschuldigung - mittelmäßige Schauspiel Daniel Radcliffes und einige stümperhafte Schnitte mit resultierenden Handlungssprüngen, die ohne Kenntnis der Bücher nicht verständlich sind. All das führten bei mir zu einer ambivalenten Haltung dem Harry-Potter-Universum gegenüber. Ich fand es interessant und unterhaltsam, ein echter Potterhead war ich aber nie.