Dienstag, 24. Dezember 2019

Rechenspiele mit Kohlendioxyd

Das wirklich Schlimme an einer Klimakatastrophe, die uns auch im Winter einen zweiten Sommer beschert, sind weniger die Temperaturen. Es sind die Leute, die uns eine zweite Saure-Gurken-Zeit bescheren, in der jede noch so schwachsinnige Nachricht tagelang von jedem aufmerksamkeitsheischenden Idioten kommentiert wird. Hat sich noch irgendjemand nicht über die Bahn im Allgemeinen und ihren Fahrgast Greta Thunberg im Besonderen ausgelassen? Seit 6 Tagen steht das politische Leben im Land still, weil wir erst einmal klären müssen, auf welchem Abschnitt ihrer Reise Frau Thunberg in welcher Wagenklasse auf dem Boden oder einem Sitz oder vielleicht auf dem Klo gesessen hat. Muss man wissen.



Eine andere komplett sinnfreie Frage ist dabei in Vergessenheit geraten, nämlich die, ob wir aus Umweltschutzgründen nicht am besten gleich unsere gesamte elektronische Kommunikation abschalten und endlich wieder mit Kreuzfahrtschiffen und Flugzeugen um den Planeten sausen sollen, um zu kommunizieren.

Ich weiß, das hat niemand so gesagt, aber genau das steckt hinter der Frage, die ich im Moment mehrmals täglich gestellt bekomme: Wie klimaschädlich ist eine E-Mail? Welchen CO2-Fußabdruck hat ein gestreamtes Video? Die Antwort ist schlicht: Wir wissen es nicht, und alle Versuche, zu einer Zahl zu gelangen, enden früher als später in wilder Jonglage. Als Beispiel nehme ich mir willkürlich einen Artikel, den mir meine Suchmaschine als ersten Treffer geliefert hat.
Das Schreiben, Versenden, Erhalten und Lesen von E-Mails kostet zwar kein Porto, dafür aber Strom. Wäre das Internet ein Land, so hätte es den dritthöchsten Stromverbrauch , nach China und den USA.
Keine Ahnung, woher diese Behauptung stammt, aber sie ließe sich verifizieren, wenn man den Stromverbrauch der Rechenzentren ansieht, eine halbwegs seriöse Abschätzung über die in Büros verbauten Netzkomponenten und kleinen Serverräume trifft und ganz am Ende vielleicht noch die Zahl der weltweit eingesetzten Desk- und Laptops sowie Mobilgeräte hinzuzieht. Mit etwas Geschick stimmt am Ende wenigstens die Zehnerpotenz oder wenigstens die Größenordnung, also ob wir von Kilo, Mega, Giga, Tera oder Peta sprechen. Der Grund, warum wir bereits hier schludern, liegt darin, dass wir die Zahl der weltweit aktiven Rechenzentren noch einigermaßen genau bestimmen können. Rechenzentren sind große, hässliche Klötze mit Mauern, Zäunen, Wachleuten, Notstromgeräten, sowie dicken Kabeln für Strom- und Netzversorgung. Solche Gebäude fallen auf, lassen sich zählen und oft gibt es da auch PR-Abteilungen, die Ihnen Zahlen nennen. Schwieriger wird es schon bei der Frage, was in Firmen an Infrastruktur verbaut ist. Das könnten die Ihnen anhand ihrer Inventarlisten zwar sagen, aber sie werden es Ihnen nicht erzählen. Völlig ins Reich der Spekulationen geraten Sie mit der Frage, wie viele Rechner weltweit nicht nur einfach verkauft, sondern auch wirklich im Einsatz sind. Auf der anderen Seite fällt deren Stromverbrauch auch weniger ins Gewicht als ein Rechenzentrum.
Der komplette weltweite Energiebedarf für elektronische Post ist in etwa so hoch wie der jährliche Stromverbrauch von Österreich oder der Schweiz 
Und das wissen wir bitte woher? Wie kommt diese Aussage zustande? Ich weiß nicht, wer von Ihnen einmal in einem Rechenzentrum gearbeitet hat. Da stehen hunderte bis tausende Server herum. Auf diesen Servern laufen je nach Ausbau dutzende, vielleicht sogar hunderte virtuelle Maschinen. Natürlich gibt es auch dedizierte Systeme, aber selbst in einem Rechenzentrum der letzten Jahrtausendwende stehen so viele verschiedene Server mit so vielen verschiedenen Aufgaben, dass ich mir nicht anmaßen möchte, zu sagen, wie viel Prozent des Gesamtstromverbrauchs auf den Betrieb von Mailservern gehen. Es mag Fälle geben, in denen das noch einigermaßen möglich ist, beispielsweise bei Web.de, GMX oder Posteo, aber weil deren Rechner sich meist die Rechenzentren mit anderen Anbietern teilen, ist es nicht leicht, an belastbare Zahlen zu kommen. Ob aber zum Beispiel Google sagen kann, wie viel Strom sie für ihre Suchmaschine, wie viel für Google Drive, für Google Docs und wie viel für Google Mail verbrauchen, bezweifle ich. Die haben da einfach ihre Rechenzentren stehen, für die sie pauschal Stromausgaben haben. Was davon welche Anwendung verbraucht, interessiert sie nicht besonders.
Je nach Herkunft kann bei der Produktion von Strom sehr viel CO2 entstehen, zum Beispiel durch die konventionelle Stromerzeugung aus Kohle oder Gas.

Dieser Satz ist wahr. Bitte behalten Sie ihn einen Moment im Hinterkopf.
Ein Brief, der auf Papier geschrieben und mit der Post verschickt wird, verursacht dagegen im Schnitt 20 Gramm CO2. Wobei der Löwenanteil hier auf den Transport zurückzuführen ist. Was diesen anbelangt, ist für die Zukunft von sinkenden CO2-Ausstößen auszugehen. Die Deutsche Post arbeitet beispielsweise daran, ihre Fahrzeugflotte auf klimaschonende Elektroautos umzurüsten.
Elektroautos haben viele positive Eigenschaften. Sie sind leise, sie haben einfachere und damit weniger aufwendig herzustellende Getriebe als Verbrennungsfahrzeuge und sie stoßen im Fahrbetrieb tatsächlich keine Abgase aus. Völliger Unsinn hingegen ist die Vorstellung, Elektrofahrzeuge seien per se klimafreundlich. Das sind sie nur, wenn der für sie nötige Strom klimaschonend hergestellt wird. Besonders albern finde ich, bei Mails extra darauf hinzuweisen, wie schlimm die für den Betrieb der Rechenzentren nötigen Kraftwerke sein können, bei den Elektrofahrzeugen für den Zustellbetrieb aber davon auszugehen, dass die selbstverständlich mit Wind-, Wasser- oder Solarenergie versorgt werden.
Wenn wir dazu dem eigenen Büroklima etwas Gutes tun wollen, verzichten wir dann und wann ganz auf Emails und gehen einfach mal ins Nachbarbüro rüber, um die neusten Infos bei einem Fairtrade-Kaffee gemeinsam zu besprechen.
Ich habe eben nachgerechnet. Mein Nachbarbüro ist 675 km entfent. Alternativ hätte ich noch 7.699 km und 10.070 km zu bieten. Ich gehe da mal eben hin, richtig? Ach ja, und der Kaffee, der wächst bei uns im Hinterhof und hat allein deswegen ein positive Klimabilanz, weil er fair gehandelt wird, habe ich das korrekt verstanden?

Kurz: Ach, wie schön war es doch damals, als wir uns maximal einmal pro Tag Briefe schicken konnten, die dann ihrerseits erst am nächsten Tag ankamen. Damals kamen wir doch auch klar, oder? Warum schalten wir nicht alle einen Ganz zurück und arbeiten so wie in den Achtzigern, als selbst ein Faxgerät noch ein Luxusartikel war. Interessanterweise erwähnt der Artikel nicht einmal die Existenz von Telefonapparaten. Möglicherweise sind auch die Teufelszeug, weil sie Strom verbrauchen. Doch unabhängig davon ist allein schon der Vergleich von E-Mail und Briefpost eine Idee, auf die auch nur Leute kommen, die mental irgendwo vor knapp 30 Jahren stehengeblieben sind. Was viele Leute nämlich übersehen: Wir benutzen zwar Metaphern, um eine uns neue Technologie zu beschreiben, aber wenn wir in dieser Metapher verharren, verstehen wir nicht, worin das grundsätzlich Neue, das komplett Andere einer neuen Technologie besteht.

Kaputte Metaphern

Eine Mail ist eben nur auf den ersten Blick nichts weiter als die elektronische Form eines Briefs. Das geht schon bei der Vertraulichkeit einer Mail los, die mindestens auf den Servern jeder mitlesen kann. Das geht weiter bei der Rechtskräftigkeit. Per Papierpost kann ich verbindliche Verträge mit weitreichenden Konsequenzen schließen. Per Mail kann ich nicht einmal ein Busticket abrechnen, weil die Reisekostenabteilung unbedingt Originale braucht. Besonders absurd wird es, wenn ich für die Abrechnung nach der Fahrt meine Bahntickets überhaupt erstmals in Papierform bringe, weil das PDF nicht als Original gilt. Dafür aber ist eine Mail schnell. So schnell, dass sie sich dadurch nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ grundlegend vom Papierbrief unterscheidet. Da kaum etwas einfacher geht, als mal eben eine Mail abzuschicken, schreibe ich eben nicht mehr sorgfältig formulierte Texte, sondern klimpere durchaus auch halbgare Notizen und Erinnerungen in die Tastatur.

Zu behaupten E-Mails seien einfach nur Briefe in Elektronenform ist etwa so, wie zu sagen, das Auto sei nicht mehr als eine Kutsche ohne Pferde. Als erste Metapher und in der Anfangszeit mag das gestimmt haben, aber eine Kutsche, die sich nahezu jeder leisten kann, die in 5 Stunden statt in 5 Tagen von Hamburg nach Frankfurt fährt, ohne dabei die Pferde wechseln zu müssen und an deren Herstellung ganze Volkswirtschaften hängen, ist dann doch deutlich mehr. Wer die Umweltbilanz einer Pferdekutsche mit der eines Autos vergleicht - ob benzin- oder stromgetrieben ist kaum entscheidend - und daraus den Schluss ableitet, die Rückkehr zur Kutsche sei eine gute Idee, wünscht sich nicht nur technologisch eine andere Gesellschaft herbei.

Kommunikationshygiene

Doch zum Glück fordert - noch - niemand ernsthaft, wir sollten zurück zur Briefpost gehen. Statt dessen sollen wir weniger Mails schreiben und die Anhänge klein halten. Das raten viele, die sich mit elektronischer Kommunikation beschäftigen, schon seit Jahrzehnten, allerdings nicht aus ökologischen, sondern aus ökonomischen Gründen. Es gibt Gründe, warum wir Mail, Chat und Telefonie haben. Für jedes dieser Medien gibt es Anwendungsfälle, und wir sollten sie sauber voneinander trennen. Wer Mails zum Chatten oder zur Dateiübertragung nutzt, mag vielleicht ökölogisch fragwürdig handeln. Vor allem aber gestaltet er seine Kommunikation unnötig umständlich.

Nun könnte es uns egal sein, aus welchem Grund sich die Leute vernünftig verhalten. Tatsächlich aber zeigt sich gerade bei Pseudodiskussionen wie der, ob wir eine Mail schreiben oder lieber gleich die Atombombe zünden sollen, wie verlogen und instrumentalisiert die Debatte inzwischen ist. Schon im Sommer forderten Innenpolitiker die Ausweitung der KFZ-Kennzeichenscans - nicht etwa mit dem bisher üblichen Argument, den Muselmann von seinem Lieblingshobby abzuhalten, mit Flugzeugen in Hochhäuser zu fliegen, WAS ER DEN GANZEN TAG TÄTE, wenn wir ihn nicht mit Kennzeichenscans davon abhielten -, sondern weil, weil... WEIL KLIMA. Weil durch den Überwachungsstaat das Klima besser wird. Nein, das ist noch nicht griffig genug, Sekunde, gleich hab ich's. Weil wir damit die Einhaltung der Fahrverbotszonen besser kontrollieren können. Das ist gut. Den Blödsinn glauben sie uns. Wir müssen nur irgendwas mit "Klima" stammeln, dann kaufen sie uns alles ab.

Angriff des Mittelbaus

Was auf der großen politischen Ebene funktioniert, lässt sich auch auf Firmen übertragen. Da gibt es im Wesentlichen zwei wichtige Rollen: Die Einen ganz unten im Maschinenraum leisten wirklich wahrnehmbare Arbeit, stellen etwas her, führen Dienstleistungen durch und sorgen dafür, dass Geld reinkommt. Geld, dass die Managementetage ganz oben auf der Brücke an die Aktionäre verjuxen und sich bei dieser Gelegenheit auch ein paar Milliönchen davon in die eigene Tasche stecken kann. Als Gegenleistung fällen sie irgendwelche Entscheidungen. Das hört sich jetzt nicht nach besonders viel an, ist es auch nicht, aber irgendwer muss den Kurs vorgeben. Zwischen Brücke und Maschinenraum wurde im Verlauf der Zeit ein immer verworreneres Dickicht an Führungsetagen eingezogen, von denen einige zumindest einmal Sinn ergeben haben, andere aber nichts weiter als Parkpositionen für eine ganz eigenartige personelle Ausschussware sind, die selbst fürs Kohleschippen im Maschinenraum zu blöd war, es aber geschafft hat, ihre Nutzlosigkeit als Unterforderung zu verkaufen und sich in irgendwelche Bullshit-Jobs zu manövrieren, deren einzige Funktion darin besteht, bloß niemanden merken zu lassen, wie überflüssig sie in Wirklichkeit sind. Um Wichtigkeit zu simulieren, verfallen solche Leute gelegentlich in Aktionismus, und da sie nach Laurence J Peter bereits die Stufe ihrer Inkompetenz erreicht haben, stellen sie sich hierbei bestenfalls ungeschickt, meist sogar schädlich an. Wie viele Reorganisationen hat Ihre Firma in den letzten Jahren durchlaufen?

Solche Leute sind es, die auf einmal Dienstreisen für die niedrigen Hierarchiestufen untersagen und dies mit dringend notwendigen Sparmaßnahmen oder, weil es gerade en vogue ist, mit Klimaschutz begründen. Dass die Effizienz der Firma deutlich sinkt, weil es einen enormen Aufwand bedeutet, die Reibungsverluste zu kompensieren, die entstehen, wenn Menschen über hunderte oder gar tausende Kilometer Distanz nur noch elektronisch miteinander kommunizieren können, ist dabei egal, denn es geht weder um Geld noch ums Klima. Es geht darum, das Ego derer zu streicheln, die weiterhin mit gewichtiger Mine in Besprechungen darauf hinweisen können, sie müssten früher raus, weil sie den Flieger nach Mumbai noch erwischen müssen.

Falls Ihnen gerade aufgefallen ist, dass ich argumentativ scheinbar die Seite gewechselt habe: Das habe ich nicht. Ich fand und finde sowohl Mail als auch persönliche Gespräche sinnvoll. Sie sind für mich einfach nur keine Antagonisten, sondern ergänzen einander. Wer glaubt, das Eine durch das Andere ersetzen zu können, verkennt die unterschiedlichen Anlässe, zu denen jede dieser Kommunikationsformen funktioniert - ähnlich wie Chat und Telefon.

Doch zurück zum Flieger nach Mumbai oder genauer: den Leuten, die ihre Nutzlosigkeit durch Regelungswut zu kaschieren versuchen. Solche Leute lesen auch Artikel wie die mit den Berechnungen zur CO2-Bilanz einer E-Mail und wittern sofort eine Chance, auch hier ihre Wichtigkeit zu demonstrieren - denn was läge näher, als hier nicht sofort regulierend einzugreifen? Da muss doch eine neue Maßnahme her. Eine, die den Leuten verbietet, mehr als 20 Mails pro Tag zu schreiben. Wer mehr schreiben will, kann das natürlich. Er muss nur dieses Excel-Sheet ausfüllen und per Mail an die Domänenadministration schicken, die dann auf dem Exchange-Server temporär ein Kontingent von 5 weiteren Mails freischaltet. Gleiches gilt für Mailanhänge, deren Größe auf maximal 1 MB beschränkt wird. Natürlich ist klar, dass ab und zu auch einmal größere Datenmengen verschickt werden müssen. Dafür gibt es ein FTP-Fileshare, auf dem man mit einem für die jeweilige Transaktion spezifischen und 24 Stunden gültigen Passwort eine Datei ablegen kann. Um sicherzustellen, dass es auch wirklich diese eine Datei ist, muss man den MD5-Hash per Mail an das Netzteam schicken, das den Cronjob pflegt, der alle Dateien mit nicht registrierten Prüfsummen automatisch löscht. Ach ja, und natürlich haben die Arbeitsplatzrechner keine Firewallfreischaltung für das FTP-Share. Die muss man erst beantragen. Auch dafür gibt es natürlich ein Excel-Formular. Man will die Sache ja nicht unnötig verkomplizieren.

Habe ich zu erwähnen vergessen, dass diese Regeln natürlich nicht für die oberen Führungsebenen gelten? Nein, deren Mails werden ja mit klimafreundlichem Strom verschickt, und für jedes Gigabyte Manager-Mailpostfach wird in Brasilien ein Baum gepflanzt. Dass die Firma so etwas nicht für jeden Angestellten kann, sollte ja wohl bitte klar sein.

Augenzuhalten lässt Dinge nicht verschwinden

Man muss Greta Thunberg nicht mögen. Man kann über hihihiwielustige Tweets von Fridays for Future Germany die Stirn runzeln (und wie brüllend komisch sie erst werden, wenn man "Großeltern" durch "Ausländer" ersetzt), aber das ändert nichts daran, dass wir im Begriff sind, das Ökosystem dieses Planeten so schwer zu stören, dass es auch in den gemäßigten Zonen unangenehm wird. Tief in uns ist allen klar, dass wir etwas ändern müssen und dass es kein Spaß wird. Nun haben wir aber seit den Achtzigern immer wieder gelernt: Aussitzen funktioniert, und damit das nicht so auffällt, führen wir Scheindebatten und Symbolpolitik. Ich sehe SUVs als einen der schwachsinnigsten Fahrzeugtypen überaupt an, und meine Geringschätzung der Leute, die sie mit den hirnrissigsten Ausreden fahren, wird allenfalls noch durch die gegenüber denen überboten, die im vergangenen Sommer diese Fahrzeuge zum Inbegriff alles Bösen stilisierten und sich so verhielten, als ließe sich die Klimakatastrophe allein dadurch aufhalten, dass wir jetzt ein schönes Feindbild haben. Ähnlich ist es mit Mails und Streamingdiensten. Es mag ja sein, dass wir irgendwo in der Arktis das Abschmelzen einiger Kubikzentimeter Eis verhindern, indem wir weniger Mails schreiben und Filme wieder auf DVD gucken (auf der sie dummerweise gar nicht erhältlich sind, aber jetzt wollen wir bitte nicht kleinlich sein), aber eine Antwort auf die wirklich interessante Frage liefert dieses Possenspiel nichts. Die Frage nämlich, wie wir uns eine Gesellschaft vorstellen, in der Mobilität wieder zum Luxusgut wird, in der Urlaubsflüge den Reichen vorbehalten sein werden - den Reichen, die es sich noch leisten können, in klimatisch angenehmen Gegenden zu wohnen, die das Geld haben, ihre Wohnungen im Winter warm und im Sommer kühl zu halten. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, dass niedrige Einkommensgruppen es immer schwerer haben werden, auch nur die Grundbedürfnisse zu finanzieren, während wir auf sie herabblicken und uns beschweren, warum sie immer noch mit ihrem Benzinauto zur Arbeit fahren um beim Discounter einkaufen, dessen gesamtes Sortiment weder gesund noch ökologisch akzeptabel, dafür aber bezahlbar ist. Wir werden eine Antwort darauf finden müssen, wie wir sozial den Zusammenbruch der Automobilindustrie verarbeiten. Der Umbau des Ruhrgebiets gelang so halbwegs. An der Wiedervereinigung knabbern wir seit 30 Jahren mit nur mäßigem Erfolg. Ich sehe im Moment noch nicht, wie wir nach der Schließung oder zumindest erheblichen Schrumpfung der Ford- und VW-Werke die Arbeitslosen dieser Branche und der Zulieferbetriebe unterbringen sollen. Ich weiß, die Standardantwort lautet: "Lass sie in Hartz IV rutschen, aus den Augen aus dem Sinn, Hauptsache hier bei uns auf dem Sonnendeck geht die Party weiter."

Sie wird nicht weitergehen.

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