Dienstag, 26. Februar 2019

Oberlehrer auf karnevalistischem Weltrettungseinsatz

Stelter.

Bernd Stelter.

Bernd Stelter, Schöpfer intellektueller Höhenflüge wie "Ma hat ma Glück, ma hat ma Pech, Mahatma Gandhi". Wie kann von ihm irgendwer etwas erwarten, was auch nur marginal über Pennälerhumor hinausgeht?

Im Karneval?

Für all diejenigen, welche die letzten 200 Jahre unter einem Stein, hinter dem Mond, oder noch schlimmer, in Hürth-Kalscheuren verbracht haben: Karneval ist das, was empfindungsfähige Wesen mit einer höheren Neuronendichte als ein Luftballon als das komplette Gegenteil von Humor ansehen. Da geht man nicht hin, um filigran gewobene Pointen, erst nach einigen Sekunden zündende Wortspiele oder gar Nebensätze zu hören. Da geht man hin, um insbesondere in der Kölner Gegend unfassbar blöde Kostüme zu tragen, sich die letzten IQ-Punkte mit dem rheinischen Ersatzbier wegzusaufen und über Witze einer Flachheit zu lachen, gegen welche die Einödnis Dithmarschens wie nepalesisches Hochgebirge wirkt.

Genau das Biotop eben, in dem sich der Humor Bernd Stelters tummelt.

Selbst, wenn ihm zu Annegret Kramp-Karrenbauer mehr einfiele, als dass sie einen albern klingenden Doppelnamen trägt - was angesichts Stelters sonstigen Oevres getrost bezweifelt werden kann -, ist das nichts, was die üblichen Besucherinnen einer rheinischen Karnevalssitzung hören wollen. Nicht im Gürzenich. Die wollen keine differenzierte Betrachtung der zwölften Fußnote des Koalitionsvertrags, die wollen es krachledern, und Witze über Doppenamen sind das Höchste, was man ihnen in diesem Zustand zumuten kann.

Natürlich war Stelters Witz über Kramp-Karrenbauers Namen schlecht. Er war selbst für seine Verhältnisse einfallslos. Aber er ist das, was ein Publikum hören will, das zwischen "Drej ma Null is Null is Null" und Stippeföttche (für Auswärtige: ein Tanz, bei dem auf der Bühne Männer fortgeschrittenen Alters in Militäruniformen paarweise das bekleidete Gesäß aneinanderreiben) einen Wortbeitrag erwartet. Natürlich kann man sowas auspfeifen, wenngleich ich mich frage, was das bringen soll. Besonders idiotisch aber finde ich es, dann auch noch auf die Bühne zu gehen und mit dem Mann zu diskutieren. Mit Verlaub: geht's noch?

Der Karnevalshumor hat mental die Fünfizgerjahre des letzten Jahrhunderts nie richtig verlassen. Er transportiert ein Weltbild, das - wohlwollend formuliert - antiquiert wirkt. Doch genau das ist es, was das Publikum will, genau dafür wird Bernd Stelter bezahlt, und genau das liefert er. Was bitte habt ihr anderes erwartet, als ihr viel Geld für die Sitzung im Gürzenich ausgegeben habt? Wenn euch das nicht passt, dann geht ins Kabarett, lauscht dort den fein ziselierten Sentenzen und jubelt euch eins auf euer Abitur.

Natürlich wird die Frau gerade in meiner Filterblase gerade gefeiert. Ach, was ist sie doch mutig, ach wie toll sie doch für Frauenrechte eintritt.

Nein.

Mit einem viertklassigen Schunkelkomödianten während seines Auftritts eine inhaltliche Debatte anzufangen, rangiert vom Grad der Situationsfehleinschätzung ungefähr auf der Ebene der Leute, die zur Zeit des Jugoslawienkriegs im Restaurant mit dem Keller zu diskutieren anfingen, was ihm den einfiele, serbische Bohnensuppe auf der Speisekarte zu führen. Klar, darüber kann man reden, aber unter Geschwistern: Ist euer Leben wirklich so leer, dass ihr euch um so einen Schwachsinn kümmern zu müssen meint?

Wenn es etwas noch Unerträglicheres als rheinischen Karnevalshumor gibt, dann ist es die unerträgliche Pestilenz deutschen Oberlehrerkleingeists, diese spießbürgerliche Attitüde, alles und jeden immer und überall belehren zu müssen. Das Erlebnis, Recht zu haben, setzt im teutonischen Blockwartshirn mehr Glückshormone frei als ein frisch vollzogener Paarungsakt, und jetzt raten Sie mal, warum die Germanen immer weniger werden. Sie werden aussterben, sie werden glücklich dabei sein, und der Satz, mit dem das letzte Exemplar ihrer Spezies auf dem Sterbebett selig das Leben aushauchen wird, wird sein: "Ich weiß es besser."

Wenn sie Stelter einfach hätte ein Programm abspulen lassen, dann hätte sich sein kläglicher Versuch einer Pointe einfach versendet und kein Mensch hätte davon länger als nur für einen kurzen, billigen Lacher Kenntnis genommen. So hingegen sitzt jetzt die selbsternannte Bildungselite auf dem Biedermeiersofa und sinniert darüber, wie TÜV-zertifizierter Qualitätshumor aussieht, von der Bundeswitzprüfstelle freigegeben, keimfrei, pädagogisch wertvoll und biologisch abbaubar. Von 200 Testpersonen probegelacht, die sorgfältig darauf achten, dass bloß niemand Anstoß nehmen kann.

Aber was rede ich. Herbert Feuerstein hat schon alles gesagt, was hierzu gesagt werden muss: "Mir sind Leute suspekt, die ihre Moral als Serviette umgebunden haben, um sich nicht selber schmutzig zu machen." und "Auch Behinderte haben ein Recht, verarscht zu werden."

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