Sonntag, 25. Juni 2017

Warten in Leipzig im Kampf gegen G20

Manchmal möchte man am liebsten rechts werden, nur um nicht mit linker Bescheuertheit in einen Topf geworfen zu werden.

Stellt sich raus: Rechts sind sie auch nicht besser, aber ist das denn Grund für die Linken, jede intellektuelle Stringenz sausen zu lassen?

Zum Hintergrund: Vor einigen Tagen gab es mehrere Brandanschläge auf die Kommunikationsinfrastruktur der Deutschen Bahn. Offenbar handelte es sich um eine konzertierte Aktion, denn die Anschläge fanden an mehreren Orten übers Bundesgebiet verstreut statt. Im Ergebnis mussten Millionen Bahnreisende Verspätungen von einer Stunde und mehr hinnehmen.

Nun sollte man meinen: Verspätungen? Das bekommt die Bahn doch ganz alleine hin. Anlässe findet sie dazu zahlreich. Mal sind es Stellwerkschäden, defekte Bahnübergänge, kaputte Triebwagen, und wenn die Gefahr, doch aus Versehen einmal den Fahrplan einzuhalten, zu akut wird, errichtet man schnell noch eine Baustelle, und alles ist wieder im Lot. Ab und zu montieren Diebe noch ein paar hundert Meter Oberleitung ab oder einige Lebensmüde halten es für eine besonders tolle Idee, bei ihrem Freitod Lokführer zu Psychatriefällen werden lassen und den Bahnverkehr an ihrer Todesstelle für Studen zum Erliegen bringen zu müssen. Kurz: Was Verspätungen angeht, ist die Bahn schon gut im Geschäft, die braucht da keine weitere Hilfe.

Doch wie immer, wenn ein Verbrechen so blöde ist, dass selbst der "Islamische Staat" davon absieht, sich dazu zu bekennen, finden sich auch diesmal bei unseren Hochleistungsdenkern von "Linksunten"  Leute, die mächtig stolz darauf sind und das Ganze mit einem verquasteten Ideologiegeschwalle begründeten, das bereits die Bekennerschreiben der RAF unlesbar sein ließ.

Das Gekokel an den Datenkabeln der Bahn galt nämlich, und darauf wäre ich von allein wirklich nicht gekommen, dem G20-Gipfel in Hamburg.

Sekunde, und dafür legt man in Leipzig und Köln Feuer? Diese Städte liegen, man möge meine mangelnden Geografiekenntnisse gegebenenfalls korrigieren, nicht unmittelbar vor den Toren Hamburgs. Ja, toll, nicht wahr? Der Trick ist nämlich: In den gleichen Schächten wie die Bahnkabel liegen auch Internetleitungen kommerzieller Provider. Da sind Daten drin. Ganz viel Daten. UND DATEN SIND BÖSE!

Was das hängt jetzt wie genau mit G20 zusammen? Das ist doch klar: In Hamburg treffen sich böse Kapitalisten, und der böse Kapitalismus braucht zum Funktionieren funktionierendes Internet. Wenn man also in Leipzig Internetkabel durchtrennt, dann geht in Hamburg der G20-Gipfel in die Knie. Logisch, nicht wahr?

Interessant ist nur: Alle sprachen von Millionen Bahnreisenden, die nicht voran kamen. Haben Sie auch nur eine einzige Meldung gelesen, dass es zu nennenswerten Störungen bei den Internetanbietern kam? Kein Wunder, denn dieses Internet hat bereits seit seinen ersten Tagen eine Eigenschaft, die gerade dieser Art von Störung Rechnung trägt: Redundanz. Wenn irgendwo eine Strecke ausfällt, dann werden die Daten eben umgeleitet. Wenn man den Netzverkehr wirklich stören will, dann reicht es nicht, planlos ein paar Kabel zu zerstören, da muss man sich schon die zentralen Knotenpunkte hernehmen. Die wiederum sind gut geschützt.

Jetzt wird auch klar, worum es bei der Aktion wirklich geht. Tief im Innersten war den Autorinnen des Bekennerinnenschreibens (hoffentlich) klar, dass der Bogen von kaputten Datenkabeln zum G20-Gipfel selbst für linke Verhältnisse arg weit gespannt ist. Um jedoch dem erklärten Gegner wirklich Ärger bereiten zu können, hätte man nach Hamburg reisen und sich ihm stellen müssen. Die Konferenz dort ist allerdings gut geschützt - ähnlich gut wie die zentralen Knotenpunkte der Datenleitungen. Da man in Hamburg keine Schnitte hat, sucht man sich deutlich schwerer zu schützende Ziele, zum Beispiel Kabelschächte entlang von Bahngleisen. Das ist klassische Guerilla-Taktik, nur mit einem wichtigen Unterschied: Die Stadtguerilla der RAF hat bei ihrer Refokussierung weg von der gut geschützten ersten Garde (Bundeskanzler, Kabinett) hin zur schwächer geschützten zweiten (Generalbundesanwalt) bis schließlich hin zur kaum noch geschützten dritten (Bank- und Treuhandchefs) immer noch auf ihre Gegner gezielt und nie auf Zivilistinnen, deren Solidarität sie immer wollten. Sie hätte ihren Kampf niemals auf dem Rücken von Millionen Berufspendlerinnen ausgetragen, die Stunden zu spät zur Arbeit kamen, Gehaltseinbußen hinnehmen mussten oder vielleicht sogar die Abmahnung riskierten. Abgesehen von einigen wenigen grenzdebilen Kommentaren, die schrieben, sie hätten sich anfangs geärgert, dann aber dankbar lächeln müssen, als sie erfuhren, für welch höheres Gut sie gerade am Bahnsteig herumstünden, klang bei den Linksunten-Kommentaren auch wenig Solidarität mit. Um sich in Hamburg einem gut ausgerüsteten Gegner zu stellen, sind sich die heroischen Berufsrevolutionärinnen zu fein, aber ganz mutig in Köln ein Kabel anzündeln, das bekommen sie gerade noch hin.

Die ganze Aktion war peinlich. Sie zielte auf den falschen Gegner, war nicht einmal besonders raffiniert und ging auf Kosten der Falschen. Das kindische Gekokel mit großer Geste zur grandiosen Heldentat hochzujazzen, zeigt nur, dass die radikale Linke schon längst nicht mehr den großen gesellschaftlichen Umschwung plant, sondern schon völlig zufrieden ist, vor ihrer Filterblase ordentich onanieren zu können.

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