"Der #Schulzzug hat jetzt eine Geschwindigkeit von 4.355 km/h und rast auf Berlin zu."
Mag ja alles sein, aber wirklich Aussagen mit Inhalt kamen von dem Mann bisher nicht und-
"SCHULZZUG!!"
Zugegeben, die SPD war noch nie eine Partei für Leute, die mehr IQ-Punkte als Zuckerstücke im Morgenkaffee haben, aber was sich gerade abspielt, ist selbst für diese sich selbst "Sozialdemokraten" Nennenden geistlos. Die Delegierten bestimmen ihn mit 605 von 605 abgegebenen gültigen Stimmen zum Parteichef. Solche Zahlen wären selbst der SED peinlich, und man hätte sie der Glaubwürdigkeit halber nach unten manipuliert. Gleichzeitig schnellen die Umfragewerte der SPD überall nach oben. Selbst im ansonsten eher ereignisarmen Landtagswahlkampf springt die SPD ohne eigenes Zutun nach oben. Der Grund: Schulzzug, und das ohne eine einzige Aussage, was er denn als Kanzler zu ändern gedenke. Ach ja, doch, eine inhaltliche Aussage kam von ihm: Staatliche Willkürmaßnahmen gegen Hartz-IV-Empfänger sind total töfte. Das sind nämlich keine Schikanen, sondern "Spielregeln".
Interessant ist dabei, wie geschickt die SPD den Eindruck vermittelt, gegenwärtig in der Opposition zu sein, und wie großartig es sein wird, wenn sie erst einmal an der Regierung ist. Oh, Moment, hoppla, die SPD ist ja an der Regierung. Wie kommt es dann, dass all die himmlischen Segnungen uns nicht bereits jetzt zuteil - SCHULZZUG!
Die etwas älteren Semester werden sich an den Wahlkampf Schröder gegen Kohl Ende der Neunziger erinnern. Damals gelang es dem Herausforderer, mit an Diffusität nicht überbietbaren Aufmunterungsreden den Rekordkanzler vom Thron zu kippen. Der wiederum hatte geglaubt, die Tatsache, dass er bereits Kanzler sei und das schon richtig lang, müsse ja wohl als Argument ausreichen. Diesen Fehler begeht Merkel nicht. Streng genommen begeht sie überhaupt nichts. Sie handelt so wie immer: abwarten, rechtzeitig zur Mehrheitsmeinung springen und sich ansonsten irgendwie durchwurschteln. Zugegeben, Glanz und Glamour sehen anders aus, aber es schien bislang zu funktionieren. Nun aber ist die Kanzlerin eingeklemmt zwischen "Merkel-muss-weg"-Gekreisch von ganz rechts und "SCHULZZUG!" von Mitte-Rechts. Ja, ich weiß, das Bild stimmt nicht, weil Mitte-Rechts nicht etwa links von der Merkel-CDU ist, sondern sich beide Regierungsparteien diese Position teilen. Merkels Vorteil bestand darin, ihre Partei als das Original und die SPD als die billige Kopie erscheinen zu lassen. Diese Taktik greift dem Anschein nach nicht mehr.
Vielleicht ist es auch nicht der Schröder-Wahlkampf im Jahr 1998, an den mich der Schulzzug-Klamauk der SPD gerade erinnert. Es könnte auch der FDP-Wahlkampf im Jahr 2002 sein. Mit Projekt 18 und dem Guidomobil, dem Versuch der FDP, als coole Spaßpartei zu punkten. Das Ergebnis war irgendwas zwischen Konfirmandendisko und der Piratenpartei auf der "Freiheit statt Angst" im Jahr 2009: nicht ganz unlustig aber auch ganz schön peinlich.
Wenn man der Regel glaubt, dass Wahlkämpfe in der Anfangsphase noch so etwas wie Inhalt haben, gegen Ende aber zunehmend hysterischer und platter werden, steht uns bis September noch einiges bevor.
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