Mittwoch, 3. Oktober 2012

Gefangen in der Provinz

"Köln macht süchtig", schwärmt das Kölner Fremdenverkehrsamt von sich selbst. "Wer einmal in unserer schönen Domstadt gelebt hat, will nicht mehr weg." Falsch. Man will nicht mehr weg, man kommt nicht mehr weg - weil man nicht mehr rausfindet.

Der Rheinländer allgemein, aber der Kölner auf besonders penetrante Weise, glaubt von sich, wahnsinnig weltoffen und aufgeschlossen zu sein. Die Ausländer, die Schwulen, ja selbst die Protestanten hätte man in der wundervollen "Domstadt" irgendwie integrieren können. Mal davon abgesehen, dass ein Moslem auch nur so lange die fadenscheinige Toleranz des Kölners genießt, wie er in der Kneipe brav das lokale Bierimitat namens "Kölsch" trinkt, mag es ja sein, dass man in Köln freundlicherweise am Leben gelassen wird, aber das ist es dann auch schon. Versuchen Sie beispielsweise, sich in Köln als Auswärtiger zurechtzufinden - keine Chance, vor allem, wenn Sie auf die Koalition des Grauens - Deutsche Bahn und Kölner Verkehrsbetriebe . angewiesen sind.

Angenommen, Sie wollen dem Chaos Computer Club Cologne einen Besuch abstattten. Sie sehen auf deren Webseite nach, finden die postalische Adresse, geben sie bei bahn.de in die Suchmaske ein und bekommen auch prompt die Antwort: Regionalbahn nach Köln, in Köln-West in die U-Bahn umsteigen und bis Venloer Straße fahren, dann sind es noch wenige Minuten Fußweg. Klingt einfach, ist auch einfach, wenn man den Bahnhof Köln-West kennt (ansonsten läuft man ein paar Minuten desorientiert herum und verpasst die Anschlussverbindung, wartet aber nur kurz auf die nächste). Das Tückische ist nur: Es fahren um die fragliche Uhrzeit im Abstand weniger Minuten zwei Bahnen von Süden nach Köln, von denen aber nur eine am Bahnhof West hält. "Nicht weiter schlimm", werden Sie sich denken. "Dann fahre ich eben zum Hauptbahnhof und suche mir dort eine passende Verbindung." Großer Fehler.

Der Fehler besteht in der Annahme, in Köln hätte man auch nur das leiseste Interesse daran, verirrten Reisenden zu helfen. Wenn Sie sich im Hauptbahnhof etwas auskennen, werden Sie vielleicht auf die Idee kommen, den nächsten DB-Fahrkartenautomaten als Fahrplanauskunft zu benutzen. Dummerweise funktioniert die Eingabe einer beliebigen Adresse, wie sie die Internetseite der Bahn ohne Schwierigkeiten beherrscht, hier nicht. "Nicht weiter schlimm", werden Sie denken. "Dann suche ich eben nach der Haltestelle Venloer Straße." Das können die Automaten auch nicht, die kennen nur DB-Bahnhöfe.

Praktischerweise befindet sich direkt neben der Haltestelle Venloer Straße auch ein S-Bahnhof, nur: Wie heißt der? Vom DB-Fahrkartenautomaten ist ja keine Auskunft zu erwarten. Von den vielen anderen Passanten, die hier herumirren, ebenfalls nicht, es sei denn, Sie wollen sich von einem Kölner Urgestein mit den Worten "Ja, woher soll isch datt den wissen?" abbürsten lassen. Wie wäre es mit dem Informationstresen der Deutschen Bahn? Da stehen doch Menschen, die sich vielleicht grob in Köln auskennen. Selbst wenn dem so wäre: Die Warteschlange ist so lang, dass eher der Kölner Dom durch Regentropfen wegerodiert, bevor Sie auch nur in Sichtweite des Schalters kommen. Wo ist der Informationsschalter der Kölner Verkehrsbetriebe, und wenn es den schon nicht gibt, wo ist ein Fahrkartenautomat, dem man vielleicht noch eine Information entlocken könnte? Keine Ahnung, jedenfalls nicht dort, wo die anderen Automaten stehen.

Doch wozu hat der Nerd von Welt sein Notbook dabei? Vorhin beim Herumirren, da haben Sie doch einen T-Online-Hotspot gesehen. Wenn man sich da einen Internetzugang verschafft, die DB-Seiten aufruft und nach einer Verbindng sucht, müsste es doch klappen. Den Hotspot finden Sie nach einiger Suche, klappen das Notebook auf, suchen nach einem WLAN, suchen, suchen. Suchen.

Es gibt natürlich nicht nur ein WLAN, sondern ganz furchtbar viele, nur keins von T-On... halt, da war was. Mit der geringsten Signalstärke von allen. Direkt am Hotspot. Ah ja. Egal, Empfang haben wir ja. Da wäre nur das Problem: Wie loggt man sich an einem T-Online-Hotspot ein? Es ist nicht etwa so, als werde man beim ersten Seitenaufruf direkt zum Login geleitet. Statt dessen sieht man eine Werbeseite, die wortreich die Segnungen der verschiedenen T-Online-Tarife vorschwärmt. Da steht auch was von Hotspot, aber nur, was es kostet und wie man nach Hotspots sucht. In Köln soll es am Hauptbahnhof auch einen geben. Ach wirklich.

Da, auf der dritten oder vierten Unterseite findet man in einer Art Gebrauchsanweisung auch die Adresse, die man aufrufen muss. Das Login gelingt auch brav, die Seiten der Bahn bauen sich auf, und schon nach wenigen Augenblicken hat man die Verbindung zum Bahnhof Ehrenfeld. Nachdem man vorher zehn Minuten lang versucht hat, sich einzuloggen.

Bevor mir ein paar eingefleischte Kölner den Kommentarbereich mit "Wenn man runter zur Achchtzehn jeht, dann is da uff de Mennerklo in de Butzgammer en Schlüssel, mit dem kannste det Kessdsche in de zweite Glogabiine uffmachche, da hängt inge Dellefon, da gannse Moondachs zwische 8 Uur 14 un 9 Uur zwounzwansisch wen anruufe, der dir dat verzälle kann. (Und jetzt kommt's:) Dat muss man doch wissen." fluten. Nee, dat muss man eben nisch wissen. Wir sind im 21. Jahrhundert. Da erwarte ich am Hauptverkehrsknotenpunkt einer Stadt, die sich in frommer Übertreibung gern als Millionenmetropole sieht, dass man als Ortsunkundiger vielleicht 5, maximal 10 Minuten braucht, um sich zumindest mit öffentlichen Verkehrsmitteln wieder weiterbewegen zu können. Ich erwarte von einem bundesweit operierenden Unternehmen wie der Bahn, dass sie nach Jahrhunderten Geschäftsbetrieb mit einem System aufwarten kann, das es einem an einem beliebigen Bahnhof der Republik Gestrandeten ermöglicht, sich anhand eines einheitlichen und klaren Systems sofort zurechtzufinden, und ich erwarte von den örtlichen Verkehrsbetrieben, dass sie ihren Teil dazu beitragen. Ich habe hier Köln als Beispiel aufgeführt, aber ich hätte auch eine beliebige andere deutsche Großstadt nehmen können. Immer wieder lese ich Plakate, auf denen steht, dass es "Fremdenfeindlichkeit in unserer Stadt nicht gibt". Fremdenfeindlichkeit fängt ganz früh an. Beim Verlassen eines Zuges. Wie soll man sich als Fremder in einer Stadt willkommen fühlen, die verlangt, dass man erst einmal den örtlichen Straßenplan, das Busnetz und ein komplett zusammengekifftes Tarifsystem auswendig lernt, bevor man sich halbwegs gezielt in ihr bewegen kann? Ich will nicht für so etwas eine "Äpp" für mein "Ei-Fohn" "daunlohdn", ich will aus dem Zug steigen und mich zumindest grundsätzlich zurechtfinden, und dann, vielleicht dann stellt es sich ein, "dieses einzigartige Gefühl aus fröhlicher Lebensart, atmosphärischem Stadterlebnis und südländischem Flair, das keinen mehr los lässt. Und sofort Heimweh auslöst, wenn man nicht da sein kann."


1 Kommentar:

Ramon Kukla hat gesagt…

Sehr lesenswert und man kann es halten wie man will. Koeln ist Scheisse und maximal fuer drei Dinge gut.
Jungesellenabschied feiern. Besoffen in eine Ecke kotzen und durch fahren.