I danced in the morning when the world was begun,
And I danced in the moon and the stars and the sun,
And I came down from heaven and I danced on the earth,
At Bethlehem I had my birth.
Angesichts dieser Zeilen sollte man meinen, dass man im Christentum zum Lachen nicht unbedingt in den Keller geht. Die Betonung liegt auf "sollte". Sieht man sich die Realität an, fragt man sich unwillkürlich, ob wir im Westen mit verfassungsgemäß garantierter Trennung von Staat und Kirche leben, oder ob die von uns gern verteufelte Scharia ihr christliches Pendant gefunden hat. Wie weit es mit der Offenheit und Toleranz ist, derer sich der Rheinländer so gerne rühmt, zeigt sich dann, wenn es beispielsweise darum geht, den Bonner Karnevalsprinzen im traditionellen Mundartgottesdienst reden zu lassen. Dummerweise ist der Mann Moslem, und der hat in einer christlichen Kirche gefälligst den Mund zu halten. Wohlgemerkt: Er wollte keine Eucharistie feiern oder den Segen spenden, er wollte nur das übliche Karnevalistengewäsch ablassen.
Natürlich endet die christliche Bevormundungswut nicht vor der eigenen Kirchentür. So ruft der Bonner Stadtdechant zum Protest auf, weil in einer Buchhandlung Verkaufstische stehen, deren Werbebanner vom "Hasenfest" künden. Im Vergleich dazu mutet es schon fast harmlos an, dass die Kirchen in diesem Jahr besonders hohen Wert auf das in einigen Bundesländern an den Osterfeiertagen geltende Tanzverbot legen. Wohlgemerkt geht es nicht darum, dass gläubige Christen es für unangemessen halten, selbst zu tanzen, sondern darum, dass die weit überwiegende Mehrheit, die sich mit der Bedeutung des Osterfestes allenfalls auf Schokohasenebene befasst, auch nicht tanzen darf.
Derlei religöse Verbohrtheit reizt natürlich zum Widerspruch, und so finden sich zum Thema Tanzverbot reichlich Blogartikel mit eindeutig atheistischem oder zumindest kirchenfeindlichem Hintergrund. Das war zu erwarten. Warum man auch als Christ am liebsten den eigenen Kopf - besser noch: den des Stadtdechanten - auf den Tisch hauen möchte, versuche in den folgenden Absätzen zu beschreiben.
Mehr als ein Vierteljahrhundert bin ich nun in der Kirche aktiv, und ich habe sie in weiten Teilen als weltoffen, tolerant und dialogorientiert erlebt. Es bereitet mir große Sorge, dass die Menschen in Scharen der Kirche den Rücken kehren. Ich behaupte, es entgeht ihnen etwas, aber ich kann verstehen, dass man die Kirche nicht mehr versteht.
Das Osterfest ist für mich das tiefgründigste Fest des Christentums, weit aussagekräftiger als das Weihnachtsfest, das wir zwar viel pompöser begehen, bei dem es aber im Wesentlichen um die Geburt eines Jungen geht, der erst 12 Jahre später auffällig wird und seine wirkliche Bedeutung im Alter von 30 Jahren zeigt. Die Ereignisse von Gründonnerstag bis Ostersonntag erzählen sehr kompakt die wichtigsten Merkmale des Christentums. Falls Sie mit Glaubensdingen nichts am Hut haben, vergessen Sie bitte für einen Moment die wissenschaftliche Strenge und konzentrieren sich einfach auf die Geschichte.
Am Gründonnerstag heißt es Abschied nehmen. Tief bewegt zelebriert der Führer einer kleinen jüdischen Charismatikerbewegung ein Traditionsmahl. Er weiß, dass seine Handlungen der letzten Zeit nicht ohne Folgen bleiben werden und rechnet sehr bald mit seiner Verhaftung. Seine Anhänger reagieren entsetzt. Was soll der Auftritt?
In der Nacht gehen dem ansonsten so souverän auftretenden Glaubensführer fast die Nerven durch. Hin- und hergerissen zwischen der verlockenden Flucht und dem Märthyrertod streift er ruhelos umher, entschließt sich aber am Ende, zu bleiben.
Der Karfreitag beginnt mit der Verhaftung. Alle Anhänger lassen ihren Anführer im Stich. Nach einem äußerst zweifelhaften Prozess folgt eine der qualvollsten Hinrichtungen, die man seinerzeit kannte. In einem Moment äußerster Verzweiflung hadert der bislang in seinem Glauben Stabile und schreit seine Hilflosigkeit hinaus. Schließlich aber findet er wieder sein Gottvertrauen und stirbt. Sein Leichnahm wird hastig in eine Grabkammer gebracht.
Hier könnte man die Geschichte abbrechen, und tatsächlich kommt mit der am Sonntag stattfindenden Auferstehung der Teil, mit dem die Meisten ihre logischen Schwierigkeiten haben. Tatsache ist: Irgendetwas muss geschehen sein, das diese Bewegung am Leben erhielt, etwas, das die zunächst vollkommen verängstigen Jünger bewog, mit der Mission fortzufahren.
Das war jetzt sehr komprimiert, und ich habe aus Platzgründen viel von dem ausgelassen, was mir an der Osterzeit erwähnenswert erscheint. Worauf ich hinaus will: Die Ostergeschichte ist facettenreich und faszinierend. Ihre menschlichen Aspekte bieten so viel Interessantes, dass man nicht einmal an ihre Historizität glauben muss, um sich damit zu befassen.
Von der Kirche hätte ich erwartet, dass sie dies weiß und mit entsprechender Souveränität vertritt. Statt dessen kümmert sie sich um Tanzveranstaltungen, Kaufhausschilder und Ausrichter von Massenbesäufnissen. Mit Verlaub, das zeugt nicht von Größe.
Oft wird damit argumentiert, jemand fühle sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt. Wie schon gesagt: Ich arbeite seit Jahrzehnten für den Laden, und egal, was man gerade veranstaltet: Irgendwer findet immer etwas zum Meckern. Wer nur laut genug jammert, bekommt bei Kirchens jede Veränderung aufgehalten, und genau das ist es, was viele Menschen in ihrer Kirche vermissen: das 21. Jahrhundert. Das hat mit der vom Stadtdechanten beklagten "Säkularisierung" nichts zu tun, aber viel damit, dass die Kirche zunehmend ihr eigenes Süppchen kocht und für Menschen außerhalb der Kerngemeinde kaum noch attraktiv ist.
Dass man an einem Tag, an dem Christen dem Foltertod ihres Religionsstifters gedenken, nicht unbedingt ein Straßenfest mit DJ Ötzi veranstalten sollte, leuchtet rücksichtsvollen Menschen vielleicht noch ein. Dass aber ein generelles Verbot für alle Tanzveranstaltungen gilt, also auch an Orten, wo die nach Ruhe suchenden Christen niemals vorbei kommen werden, ist für mich weder nachvollziehbar, noch glaube ich, dass dies einen verhinderten Discogänger beeindruckt. Glauben die Kirchenvertreter denn tatsächlich, dass ein paar gelangweilte Teenies daheim herumhängen und sich sagen: "Alter, jetzt wo es hier schon so öde ist, lass uns lieber in die Kirche gehen, da geht richtig was ab"? So verzweifelt werden sie niemals sein, dass ihnen ein Gottesdienst als eine spannende Alternative vorkommt.
Für die meisten Menschen ist Ostern einfach ein willkommes langes Wochenende. Der theologische Hintergrund dürfte nur den wenigsten bekannt sein, und wenn nicht jedes Jahr die immer gleichen Artikel mit den Grundlagen in der Zeitung stünden, wüsste auch kaum jemand, ob oder was Hasen und Eier mit Passah, Kreuzigung und Auferstehung zu tun haben. Die Aufgabe der Kirchenoberen besteht meiner Meinung nach genau darin, diese Inhalte zu vermitteln. Tanzverbote vermitteln dabei allenfalls den Eindruck einer in Rückzugsgefechten befindlichen Religion, der schon lange die Argumente ausgegangen sind und die sich in ihrer Ratlosigkeit auf alt hergebrachte Privilegien besinnt.
Wer mag, nehme sich die Zeit, die "Religiöse Nachricht" von Hanns Dieter Hüsch zu lesen. Vielleicht sind Kirchenaustritte nicht das Schlimmste, was dem Christentum passieren kann.
Das Lied oben geht übrigens noch weiter:
I danced on a Friday and the sky turned black;
It’s hard to dance with the devil on your back;
They buried my body and they thought I’d gone,
But I am the dance and I still go on.
Und schließlich:
They cut me down and I leapt up high,
I am the life that’ll never, never die;
I’ll live in you if you’ll live in me;
I am the Lord of the Dance, said he.
In diesem Sinne: ein schönes Osterfest.
Fußnote: Aufmerksame Leser werden mitbekommen haben, dass ich nicht zwischen den verschiedenen Konfessionen unterscheide, sondern von "der Kirche" schreibe. Das ist beabsichtigt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen