Es gibt Berufe, die einem auf Parties gewaltig den Abend verderben können. Ärzte und Rechtsanwälte können ein Lied davon singen, bittet man sie bei solchen Gelegenheiten doch gern um eine kostenlose Spontanuntersuchung oder eine Rechtsberatung. Weniger bekannt ist, dass wir Admins in einer ähnlichen Situation stecken, die allerdings noch dadurch verschärft wird, dass man uns nicht einfach um Rat fragt, sondern auch noch daran herumkrittelt, weil man ja "irgendwie auch was von Computern versteht". Das nervt unserseins am meisten.
Es ist etwa so, als wolle jeder Führerscheininhaber einem Rettungssanitäter erzählen, wie sein Beruf funktioniert, nur weil er vor Jahrzehnten die Pflichtveranstaltung "Sofortmaßnahmen am Unfallort" besucht hat. Sehen Sie, das findet komischerweise jeder absurd, aber jeder Volltrottel, der mit Mühe und Not seinen Drucker installiert bekommt, sitzt der possierlichen Fehlannahme auf, mit Menschen auf Augenhöhe zu sein, die seit Jahrzehnten anderer Leute Systeme pflegen. Längst sind wir nicht allein ein Land mit 80 Millionen Bundestrainern, sondern auch von ebensovielen IT-Spezialisten. Ich verstehe gar nicht, wie die Branche bei einem derartigen Überangebot Schwierigkeiten hat, selbst ihre einfachsten Stellen zu besetzen. An der Bezahlung kann es nicht liegen.
Offenbar spielt bei der Frage um die Systemverwalterprivilegien die graue Hirnsubstanz eine eher untergeordnete Rolle, sondern archaischste Regionen unseres Nervenzentrums übernehmen die Kontrolle, in denen es vor allem darum geht, sich auf Felsen hockend darüber klar zu werden, wer das dickste Gemächte hat. Anders kann ich es mir wenigstens nicht erklären, warum die meisten Computeranwender so irrsinnig hohen Wert darauf legen, Adminrechte auf "ihrem" Affenfelsen, respektive Computer, zu haben. "Ihrem" ist hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt, geht es nämlich bei solchen Diskussionen häufig um Computer, die gar nicht ihnen, sondern ihrem Arbeitgeber gehören. Trotzdem muss man natürlich auch hier den dicken Max markieren können.
Fragt man dann etwas weiter nach, was an den Adminrechten auf einem Dienstrechner so unglaublich wichtig ist, kommt meistens wirres Zeug. Man selbst hätte ja gar nicht so viel Ahnung von Computern, aber der Sohn, der hätte es ja so richtig drauf. Aha, was will denn der Sohnemann auf der dienstlichen Maschine von Vattern? - Beim Installieren helfen. - Wozu das denn, dafür gibt es doch in der Firma speziell ausgebildete Leute, die genau dafür angestellt sind? - Ist ja auch egal, auf jeden Fall will man Systemverwalter sein.
Selbst wenn es nicht um Dienstrechner geht, die offenbar als großzügiges Geschenk für hervorragende Verdienste zum Wohl der Firma und nicht als notwendigerweise bereitgestelltes Werkzeug begriffen werden, sondern um Privatgeräte, auf denen es immer wieder zu unerklärlichen Fehlern kommt ("Ich hab nichts gemacht!"), scheint der Gedanke, nicht ständig Admin sein zu dürfen, etwas zutiefst Erniedrigendes zu besitzen. Ich frage mich, ob solche Leute auch immer mit einer geladenen und entsicherten Schusswaffe herumrennen, weil das so schön gefährlich und sinnlos ist. Die Frage, warum man beim Surfen, Maillesen und Texteschreiben unbedingt mit höchsten Systemprivilegien unterwegs sein muss, hat mir bislang niemand schlüssig erklären können. In solchen Momenten fällt dann der Satz: "Ich mach' ja nichts Besonderes auf der Kiste - nur Schreiben und Mails." Genau, und deswegen noch einmal: Wozu brauchst du dann Adminrechte?
Bezeichnenderweise haben erfahrene Admins eine ausgesprochene Scheu vor ihren eigenen Möglichkeiten entwickelt, weil sie mehr als einmal erlebt haben, wie schnell eine Installation unwiederbringlich zerstört ist. Einige von uns sind dazu übergegangen, den Moment, an dem sie ernsthaft Unsinn anstellen können, mit optischen Warnsignalen zu versehen, damit ihnen klar wird: Achtung, ab hier wird's ernst. Der nächste Fehler bedeutet drei Tage Mehrarbeit.
Ich weiß, der Vergleich zwischen Autos und Computern ist überstrapaziert, aber anders ist adrenalingetränkten Männerhirnen offenbar nicht beizukommen: Der Computer als Massenphänömen ist keine 20 Jahre alt, und entsprechend schlecht sind seine Sicherungsmechanismen entwickelt. Wie fänden Sie es, wenn Sie auf der A3 mit 160 Sachen unterwegs und umgeben von lauter Leuten ohne Führerschein wären, die in ihrer Freizeit aus reiner Neugier ständig andere Reifen aufziehen, an den Bremsschläuchen herumspielen und meinen, die Lenkung neu justieren zu müssen? Komisch, da wird den Leuten mulmig, aber dass weltweit in diesem Moment millionen Nutzer mit Rechnern im Netz unterwegs sind, von denen sie nicht die blasseste Ahnung haben und nicht einmal merken, dass Schadprogramme schon seit Monaten die Herrschaft über ihr System besitzen, finden alle ganz toll. Wenn jedoch die nächste Virenwelle durchs Netz schwappt, schreien sie wieder nach dem Staat oder irgendeinem Großen Bruder, der sie gefälligst schützen soll.
Zum Thema Datenschutz herrscht ohnehin ein ambivalentes Verhältnis. Auf der einen Seite haben die Leute keine Schwierigkeiten, anderer Leute Personalakten unverschlüsselt per Mail quer durchs Netz zu schicken und mit ihrer Payback-Karte einzukaufen, aber Online-Banking finden sie böse, und wenn sie beim Mobil-TAN-Verfahren ihre Telefonnummer angeben müssen, schimpfen sie auf den Überwachungsstaat. Einerseits haben sie Bedenken gegen den Missbrauch ihrer persönlichen Daten, wenn sie jedoch mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Datenschutzverpflichtung unterschreiben sollen, wettern sie über unsinnige Bürokratie und staatliche Gängelung.
Kurz: Regeln sind eine tolle Sache, so lange sie nur für die Anderen gelten. Fragen der Rechner- und Datensicherheit mögen den Rest der Menschheit betreffen, man selbst bildet die magische Ausnahme. Auf der eigenen Maschine haben aufgrund göttlicher Fügung Schadprogramme keine Chance, und natürlich weiß man selbst am besten, wie andere Leute ihre intimsten Daten behandelt haben wollen.
Die folgenden Sätze mögen für viele selbsternannte Computerspezialisten schmerzhaft sein, aber das ist die Wahrheit häufig: Leute, ihr habt nicht die leiseste Ahnung von den Kisten, vor denen ihr sitzt, und das ist sogar noch die höfliche Variante dieser Aussage. Die Admins mögen menschliche Wracks sein, aber von Computern verstehen sie etwas. Sie tragen keine Krawatten, sie reden Technikergewäsch, und zum Thema Körperpflege haben sie ein höchst theoretisches Verhältnis, dennoch sind sie es, die rund um die Uhr an jedem Tag im Jahr dafür sorgen, dass in ihrer Firma der nächste Bahn- oder Telekomskandal unterbleibt. Diese komischen Datenschützer wissen nicht etwa besser als ihr, was Andere von sich preisgeben wollen, aber genau aus diesem Grund setzen sie alles daran, diese Entscheidung den Betroffenen selbst zu überlassen. Im Gegensatz zu euch haben sie sich lange mit der technischen und rechtlichen Situation befasst, weil sie es nämlich sind, denen man die Bude einrennt, wenn irgendwo massenweise Rechner zusammenbrechen oder Angestelltendaten auf der Firmenhomepage landen.
Denkt daran, bevor ihr uns bei der nächsten Party wieder von der Seite anmacht.
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