Es gibt Kombinationen von Zeitpunkten und Nachrichten, bei denen man allen Beteiligten mindestens zwei Wochen Zwangspause verordnen möchte, damit jeder Zeit hat, über die Sache nachzudenken. Terrormeldungen zum Jahreswechsel gehören in diese Kategorie. Beim Wort "Terrorismus" schalten die Leute ohnehin schon gern die höheren Hirnfunktionen ab, und wenn sie dann noch über die Feiertage reichlich Zeit haben, all das, was ihnen gerade durchs glühweindurchtränkte Stammhirn wabert, ins nächstbeste Mikrofon zu erbrechen, kann dabei nur Unsinn heraus kommen.
Die Situation in Kürze: Acht Jahre nach dem letzten Flugzeugattentat versucht wieder jemand, eine Maschine beim Landeanflug auf Detroit zu sprengen. Pech für ihn, Glück für die anderen Passagiere: Er ist zu dämlich, den Zünder auszulösen. An dieser Aufgabe scheiterten vor ihm auch die Leute, die den Regionalexpress nach Koblenz in die Luft jagen wollten. Was immer man den Jungs in den Ausbildungslagern beibringt, Bombenbauen ist es offenbar nicht.
Nun hätte man den gescheiterten Anschlag zum Anlass nehmen und in Ruhe darüber nachdenken können, welche Konsequenzen man daraus zieht. Statt dessen stürzt man sich auf schnelle Lösungen wie eine Rugbymannschaft auf den Ball. Wie üblich werden die Durchsuchungen an den Flughäfen verschärft, und ich wage die Vorhersage, dass man nur ein paar Wochen warten muss, bis die Sicherheitskräfte die Sache wieder etwas laxer sehen. Als wenn Anschläge grundsätzlich nur im Bündel aufträten und nach spätestens zwei Wochen kein Terrorist mehr Lust hat, Leute umzubringen. Das ist etwa genau so dämlich wie die Leute, die wie verrückt in die Eisen treten, nachdem sie von einer Radarfalle geblitzt wurden. Es mag euch ja intellektuell überfordern, Freunde, aber Geld spart man, wenn man deutlich vor der Falle bremst, nicht dahinter.
Einzelne Fluglinien erwägen jetzt, Handgepäck komplett zu verbieten. Politiker wie Vural Öger von der SPD schlagen in einem Interview vor, Medikamente und Flüssigkeiten nur noch nach vorherigem Antrag an Bord nehmen zu dürfen. Großartige Idee, am besten vier Wochen vorher, damit hätten wir bei dieser Gelegenheit auch diese lästigen Last-Minute-Flüge abgeschafft. Warum schicken wir die Passagiere nicht gleich nackt an Bord - oder, noch besser: Wir lassen gar keine Menschen mehr an Bord, die Maschine fliegt leer ans Ziel, und die Reisenden fahren mit einer Kutsche hinterher, wo sie dann reichlich Gelegenheit haben, sich an die Zeiten zu erinnern, als die Technik noch dem Menschen diente und nicht umgekehrt.
Auch in anderer Hinsicht ist Ögers Interview bemerkenswert. Wer es mit den rhetorischen Meisterwerken von der Leyens oder Schäubles vergleicht, stellt auffällige Ähnlichkeiten in der Wahl der sprachlichen Mittel fest. Da wird die böse Botschaft ("Wir wollen teures Spielzeug für eine Sicherheitssimulation und den ehrlichen Fluggast spüren lassen, wie willkürlich er uns ausgeliefert ist") gerade einmal in Halbsätzen angerissen, während jede Möglichkeit genutzt wird, blitzartig das Thema zu wechseln, sich in langen Monologen über unstrittige Fragen auszulassen ("Wir müssen die Ursachen des Terrorismus ergründen", "Ich bin für vereinfachte Kontrollen") und natürlich geht es immer wieder um das Wort "Sicherheit". Acht mal benutzt er es innerhalb weniger Minuten. Das Wort "Freiheit" fällt nur zweimal. Begriffe wie "Menschenwürde" oder "Persönlichkeitsrechte" gebraucht, wenn überhaupt, der die Fragen stellende Journalist Jasper Barenberg.
Als die ultimative Waffe gegen den internationalen Terrorismus gelten im Moment Nacktscanner. Wenn man erst den Passagieren bis auf die Haut gucken kann, so ist man überzeugt, dann können die auch nichts mehr an Bord schmuggeln. Einigen Leuten ist freilich nicht ganz wohl beim Gedanken, sich ungewollt nackt vor einem Flughafenmitarbeiter aufbauen zu müssen, weswegen auch schnell Order ausgegeben wurde, die Maschinen künftig Ganzkörperscanner zu nennen. Die gelieferten Bilder bleiben wohlgemerkt die gleichen, aber sie klingen doch gleich viel netter. Um noch einmal auf Öger zurück zu kommen: Er spricht von "fortschrittlicher Technik".
Bemerkenswert bedeckt halten sich derzeit die Fluggesellschaften. Für sie läuft es natürlich prächtig. Jedes Kilo, das nicht als Handgepäck an Bord darf, muss in die Koffer und dort möglicherweise extra bezahlt werden. Jeden Bedarfsgegenstand, den der Fluggast im Koffer lässt, muss er sich möglicherweise an Bord teuer besorgen. Völlig neue Geschäftsfelder eröffnen sich beispielsweise für Mietnotebooks, an denen die Leute während des Fluges arbeiten können. So trennt sich endlich wieder Spreu von Weizen. Der Student soll brav die Zeitung vom Vortag lesen, während der Herr Manager neben ihm die Geschicke seiner Firma leitet.
Wenn Sie wirklich und in Zahlen nachweisbar etwas dagegen unternehmen wollen, dass Leute getötet oder verkrüppelt werden, dann setzen Sie sich für besser ausgebildete Ärzte ein. Damit retten Sie allein in Deutschland jedes Jahr so viele Menschen, wie beim Anschlag auf das WTC starben. Verbieten Sie das Rauchen - nicht ein bisschen, mit Aufklebern und in Restaurants, nein komplett. Auf diese Weise retten jährlich Sie so vielen Deutschen das Leben, wie bei der Schlacht um Kiew ums Leben kamen. Sorgen Sie dafür, dass die Leute vernünftig Auto fahren, und Sie retten jedes Jahr eine Landstadt wie Heimbach im Kreis Düren. Gut, der kulturelle Verlust mag sich in Grenzen halten, wenn Heimbach von der Landkarte verschwände, aber es handelt sich immerhin um vier- bis fünftausend Menschen, die im Zweifelsfall lieber leben als tot herumliegen.
Das sind jetzt nur die Zahlen für Deutschland. Sorgen Sie weltweit für bessere Ärzte, weniger Drogen und vorsichtige Autofahrer, und al-Qaida hat keine Chance, die Zahl geretteter Leben auch nur halbwegs wieder wegzubomben.
Aber nein, statt dessen brauchen wir Nacktscanner - möglichst schnell, möglichst teuer, möglichst viele. Es geht ja nicht darum, real etwas zu unternehmen, um unsere Überlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen, es geht um Populismus und Aktionismus. Politiker lassen sich offenbar lieber neben teurem High-Tech-Krempel fotografieren als vor 100.000 durch ein Nichtraucherprogramm geretteten Menschen.
Noch einmal: Die einzig wirklich sicheren Flugzeuge stehen unbenutzt im Hangar. Sobald jedoch sich eines in die Luft erhebt, sprechen alle bislang bekannten Statistiken und Naturgesetze dafür, dass es irgendwann auch wieder unten ankommen wird. Die Frage ist nur wie sanft und in wie vielen Teilen. Nehmen wir für den Augenblick an, die Wahrscheinlichkeit einer sanften Wiederankunft ließe sich durch Eingangskontrollen wie für Gefängnisinsassen signifikant erhöhen. Dann bliebe die Frage, ob sich die Terroristen nicht einfach ein neues, leichteres Ziel aussuchen - Züge zum Beispiel. Ich weiß, die Diskussion, ob wir an den Bahnhöfen nicht ähnliche Sicherheitsmechanismen wie an Flughäfen installieren sollen, wurde schon geführt, aber die Frage ist so dümmlich, dass ich sie nur mit einem Satz würdige: Was meint ihr, worin der einzige verbliebene Vorteil von Zügen als Verkehrsmittel ist, wenn es schon nicht Geschwindigkeit oder Preis sind?
Doch selbst, wenn man jetzt auch eine Stunde vor Abfahrt eines Zuges durch die Kontrollen gelangt sein müsste, was will man als nächstes schützen? Kaufhäuser? Das Wiesbadener Kreuz? Vor Schulen haben wir ja bereits mit Eingangskontrollen angefangen, in Kinos werden wir mit Nachtsichtgeräten kontrolliert, und jede U-Bahn hat mehr Kameras als der Big-Brother-Container. Glauben wir ernsthaft, uns gegen jede denkbare Bedrohung schützen zu können? Müssen wir wirklich jede Zeitungsmeldung über ein paar durchgeknallte Bubis zum Anlass nehmen, unsere Regierungen mit aller Macht zum Ausbau des Überwachungsstaats aufzufordern? Sind Freiheit und Menschenwürde tatsächlich so furchtbare Dinge, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, sie loszuwerden?
Angst und Hysterie sind schlechte Ratgeber, aber wir haben sie zunehmend zur Richtschnur unseres Handelns erhoben. Ein jugendlicher Amokläufer hat vor seiner Tat Halflife gespielt - prompt wollen alle ein Verbot der "Killerspiele". Zwei asoziale Idioten schlagen einen Rentner zusammen - alles schreit nach flächendeckender Kameraüberwachung. Die Familienministerin winkt mit ein paar zusammengelogenen Zahlen über Kindesmissbrauch - sofort fordern alle die Internetzensur. Ein Mistkerl versagt beim Zünden einer Bombe - das Volk giert nach Nacktscannern. Wenn es bloß auf alle Fragen des Lebens so einfache Antworten gäbe. Doch die Welt ist komplizierter, und für die meisten Antworten braucht man nun einmal etwas länger als ein paar Stunden. Wir sollten uns diese Zeit nehmen.
In diesem Sinne: einen schönen Jahrswechsel.
Mittwoch, 30. Dezember 2009
ARD aufs I-Phone
Um Missverständnisse zu vermeiden, zwei Dinge vorweg: I-Phones sind Spielzeuge für reiche Masochisten mit Minderwertigkeitskomplex, und die GEZ gehört abgeschafft.
Nachdem ich mir mit billigem Populismus etwas Aufmerksamkeit verschafft habe, hier die Begründung. Erstens ist das I-Phone ein an sich tolles Gerät mit einer großartigen Benutzeroberfläche und einer ganzen Menge toller Fähigkeiten - die allesamt viel zu viel Geld kosten, falls sie überhaupt freigeschaltet sind. Schöner, als ich es mit einem Satz ausdrücken könnte, fasst es dieser Artikel zusammen. Wer es gern etwas polemischer mag, kann sich Florian Schröder anhören.
Zweitens finde ich es in Ordnung, für die öffentlich-rechtlichen Sender Geld zu bezahlen. Ich mag nur nicht die Art, wie die Gebühren eingezogen werden. Das fängt damit an, wie von den Länderchefs jede Gebührenerhöhung ohne nennenswerte Rückfragen durchgewunken wird, geht weiter mit der Postenvergabe in den Rundfunkanstalten, die offenbar weniger nach Kriterien journalistischer Qualität sondern vor allem nach politischer Gefälligkeit erfolgt und endet bei den halbseidenen Methoden, mit denen die GEZ die Gebühren eintreibt.
Doch nun zahlen wir einmal die Gebühren, und dann erwarte ich auch entsprechende Leistung. Mariannes und Michaels große Supersilvestergala der Volksmusik gehört definitiv nicht dazu, auch nicht die Lindenstraße oder Leute, die bei "Wetten dass" zehntausend Reiskörner allein anhand des Gewichts auseinander halten können, während sie gleichzeitig mit einem Braunkohlebagger einen Manschettenknopf annähen. Doch sei es drum, einmal "Neues aus der Anstalt" entschädigt für vieles.
Doch genau hier liegt der Punkt. Ich habe, wie schon gesagt, dafür bezahlt, dass Priol und Schramm die Kanzlerin beschimpfen. Dummerweise wird die Sendung zu einer Zeit ausgestrahlt, die mir nicht passt. Kein Problem, sollte man meinen, inzwischen haben die Öffentlich-Rechtlichen ja dieses neue Internet entdeckt, von dem die Leute alle reden und stellen ihre Sendungen dort noch einmal zum Anschauen bereit - eine Woche lang.
Warum nicht länger? Gammeln die Bits nach einiger Zeit? Haben die Server des ZDF nur eine alte IDE-Platte aus den Neunzigern, auf die nur vier Filme gleichzeitig passen, so dass man ständig löschen muss? Nein, die Sendungen müssen nach einer Woche gelöscht werden, weil die Privatsender das so wollen.
Wie bitte? Haben die Privatsender die Rechte an der "Anstalt" gekauft? Das ganz bestimmt nicht, die bringen lieber die tollen - und jetzt kommt's - Kummiidijänns. Nein, der Grund, warum das ZDF nach einer Woche seine Filme von den Servern löschen muss, ist der, dass RTL und Sat1 andernfalls ihr Geschäftsmodell gefährdet sehen. Die Privaten verkaufen nämlich ihre Videoströme, und wer Schramm gratis beim ZDF herunterladen kann, kauft sich dann nicht auch noch Dirk Bach auf RTL.
Die Logik dahinter ist nicht unbedingt eingängig, und es erinnert mich an meine kleine Schwester, die immer, wenn sie nach dem Sandmännchen ins Bett musste, lauthals forderte, ich müsse jetzt auch schlafen gehen "weil das ist voll ungerecht". Männo, wenn's mir schlecht geht, soll es gefälligst allen anderen auch schlecht gehen.
Wie schon gesagt ist es ja auch nicht so, als hätte ich für die öffentlich-rechtlichen Videos nicht schon längst bezahlt, und wenn Oliver Pocher auf einem Niveau Pennälerwitze reißt, bei denen die Werbepausen als rettende Oase intellektuellen Feinsinns erscheinen, dann ist es offenbar das, was man unbezahlt maximal erwarten kann. Selbst wenn mir diese Komik gefiele, müsste ich mich eben damit abfinden, dass es die ungeschnitten eben nur gegen Bezahlung gibt. Es ist nur die Frage, ob ich vorher durch meine Gebühren oder für den Einzelabruf vom Server Geld ausgebe.
Doch damit nicht genug. Offenbar hat man inzwischen auch bei den Rundfunksendern begriffen, dass der Fernseher als Wohnzimmeraltar ein aussterbendes Modell ist. Die Leute wollen sich nicht mehr um eine bestimmte Uhrzeit vor ihrem 66-cm-Diagonale-Klotz einfinden, um dort wie festgewachsen die nächsten zwei Stunden auszuharren, sie wollen ihre Sendung sehen, wenn sie gerade in der Bahn sitzen oder in der Mittagspause etwas Zeit haben. Das herkömmliche Konzept der zeitgebundenen Ausstrahlung kann diesen Wunsch nicht erfüllen, wohl aber das Internet. Die ARD haben jetzt die Idee, für das I-Phone ein Programm, Verzeihung, eine "Äppp" zu entwickeln, damit man sich die Tagesschau dann anschauen kann, wenn man selbst und nicht Tom Buhrow es will. Eine gute Idee, sollte man meinen, die ARD gehen mit der Zeit. Genau dafür zahlt man Gebühren.
Das sehen die Privaten jedoch anders. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen schon mit Rundfunkgebühren durchgefüttert werden, argumentieren sie, dann sollen sie im Gegenzug auch die gleiche lausige Leistung bieten wie das Gratisfernsehen - das nebenher gar nicht so gratis ist. Wenn Sie wissen wollen, wann Sie bei den Privaten Geld zahlen, müssen Sie sich nur eine Viertelstunde vor den Fernseher setzen. Spätestens dann kommt nämlich der nächste Werbeblock, und jede Millionen, die der Baumarkt, der Joghurthersteller, die Brauerei, der Waschmittelfabrikant oder der Autobauer in seine Filmchen steckt, holt er sich postwendend zurück, wenn Sie das nächste Mal bei ihm einkaufen. So viel zum Thema "Free-TV".
Wer so wie der "Spiegel" gegen das geplante I-Phone-Programm wettert, hat weniger etwas gegen die konkrete Applikation, ihm geht es um Rundfunkgebühren im Allgemeinen. So lange ich aber sehe, wie RTL die Hälfte seiner angeblichen Nachrichtensendung damit verschwendet, selbst generierte Pseudomeldungen aus dem DSDS-Haus zu bringen, so lange mir drei Minuten vor Schluss eines Films mitten im Satz ein siebenminütiger Werbeblock reingeknallt wird, so lange mir abgehalfterte Hinterbänkler als "Promis im Dschungelcamp" serviert werden, so lange bin ich bereit, gebührenfinanziertes Fernsehen als eine Alternative anzusehen. So lange ich aber Fernsehgebühren zahle, will ich auch etwas für mein Geld bekommen, und wenn dies wie behauptet das Geschäftsmodell der Privaten gefährdet, sollen die mir erst einmal erklären, wie Fernsehsendungen, die angeblich kein Mensch sehen will, eine Konkurrenz für das vermeintlich von den Massen so heiß geliebte Privatfernsehen sein kann. So lange darauf eine schlüssige Antwort ausbleibt, können die ARD gern die Tagesschau aufs I-Phone bringen - und das eine "Äppp" nennen.
Nachdem ich mir mit billigem Populismus etwas Aufmerksamkeit verschafft habe, hier die Begründung. Erstens ist das I-Phone ein an sich tolles Gerät mit einer großartigen Benutzeroberfläche und einer ganzen Menge toller Fähigkeiten - die allesamt viel zu viel Geld kosten, falls sie überhaupt freigeschaltet sind. Schöner, als ich es mit einem Satz ausdrücken könnte, fasst es dieser Artikel zusammen. Wer es gern etwas polemischer mag, kann sich Florian Schröder anhören.
Zweitens finde ich es in Ordnung, für die öffentlich-rechtlichen Sender Geld zu bezahlen. Ich mag nur nicht die Art, wie die Gebühren eingezogen werden. Das fängt damit an, wie von den Länderchefs jede Gebührenerhöhung ohne nennenswerte Rückfragen durchgewunken wird, geht weiter mit der Postenvergabe in den Rundfunkanstalten, die offenbar weniger nach Kriterien journalistischer Qualität sondern vor allem nach politischer Gefälligkeit erfolgt und endet bei den halbseidenen Methoden, mit denen die GEZ die Gebühren eintreibt.
Doch nun zahlen wir einmal die Gebühren, und dann erwarte ich auch entsprechende Leistung. Mariannes und Michaels große Supersilvestergala der Volksmusik gehört definitiv nicht dazu, auch nicht die Lindenstraße oder Leute, die bei "Wetten dass" zehntausend Reiskörner allein anhand des Gewichts auseinander halten können, während sie gleichzeitig mit einem Braunkohlebagger einen Manschettenknopf annähen. Doch sei es drum, einmal "Neues aus der Anstalt" entschädigt für vieles.
Doch genau hier liegt der Punkt. Ich habe, wie schon gesagt, dafür bezahlt, dass Priol und Schramm die Kanzlerin beschimpfen. Dummerweise wird die Sendung zu einer Zeit ausgestrahlt, die mir nicht passt. Kein Problem, sollte man meinen, inzwischen haben die Öffentlich-Rechtlichen ja dieses neue Internet entdeckt, von dem die Leute alle reden und stellen ihre Sendungen dort noch einmal zum Anschauen bereit - eine Woche lang.
Warum nicht länger? Gammeln die Bits nach einiger Zeit? Haben die Server des ZDF nur eine alte IDE-Platte aus den Neunzigern, auf die nur vier Filme gleichzeitig passen, so dass man ständig löschen muss? Nein, die Sendungen müssen nach einer Woche gelöscht werden, weil die Privatsender das so wollen.
Wie bitte? Haben die Privatsender die Rechte an der "Anstalt" gekauft? Das ganz bestimmt nicht, die bringen lieber die tollen - und jetzt kommt's - Kummiidijänns. Nein, der Grund, warum das ZDF nach einer Woche seine Filme von den Servern löschen muss, ist der, dass RTL und Sat1 andernfalls ihr Geschäftsmodell gefährdet sehen. Die Privaten verkaufen nämlich ihre Videoströme, und wer Schramm gratis beim ZDF herunterladen kann, kauft sich dann nicht auch noch Dirk Bach auf RTL.
Die Logik dahinter ist nicht unbedingt eingängig, und es erinnert mich an meine kleine Schwester, die immer, wenn sie nach dem Sandmännchen ins Bett musste, lauthals forderte, ich müsse jetzt auch schlafen gehen "weil das ist voll ungerecht". Männo, wenn's mir schlecht geht, soll es gefälligst allen anderen auch schlecht gehen.
Wie schon gesagt ist es ja auch nicht so, als hätte ich für die öffentlich-rechtlichen Videos nicht schon längst bezahlt, und wenn Oliver Pocher auf einem Niveau Pennälerwitze reißt, bei denen die Werbepausen als rettende Oase intellektuellen Feinsinns erscheinen, dann ist es offenbar das, was man unbezahlt maximal erwarten kann. Selbst wenn mir diese Komik gefiele, müsste ich mich eben damit abfinden, dass es die ungeschnitten eben nur gegen Bezahlung gibt. Es ist nur die Frage, ob ich vorher durch meine Gebühren oder für den Einzelabruf vom Server Geld ausgebe.
Doch damit nicht genug. Offenbar hat man inzwischen auch bei den Rundfunksendern begriffen, dass der Fernseher als Wohnzimmeraltar ein aussterbendes Modell ist. Die Leute wollen sich nicht mehr um eine bestimmte Uhrzeit vor ihrem 66-cm-Diagonale-Klotz einfinden, um dort wie festgewachsen die nächsten zwei Stunden auszuharren, sie wollen ihre Sendung sehen, wenn sie gerade in der Bahn sitzen oder in der Mittagspause etwas Zeit haben. Das herkömmliche Konzept der zeitgebundenen Ausstrahlung kann diesen Wunsch nicht erfüllen, wohl aber das Internet. Die ARD haben jetzt die Idee, für das I-Phone ein Programm, Verzeihung, eine "Äppp" zu entwickeln, damit man sich die Tagesschau dann anschauen kann, wenn man selbst und nicht Tom Buhrow es will. Eine gute Idee, sollte man meinen, die ARD gehen mit der Zeit. Genau dafür zahlt man Gebühren.
Das sehen die Privaten jedoch anders. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen schon mit Rundfunkgebühren durchgefüttert werden, argumentieren sie, dann sollen sie im Gegenzug auch die gleiche lausige Leistung bieten wie das Gratisfernsehen - das nebenher gar nicht so gratis ist. Wenn Sie wissen wollen, wann Sie bei den Privaten Geld zahlen, müssen Sie sich nur eine Viertelstunde vor den Fernseher setzen. Spätestens dann kommt nämlich der nächste Werbeblock, und jede Millionen, die der Baumarkt, der Joghurthersteller, die Brauerei, der Waschmittelfabrikant oder der Autobauer in seine Filmchen steckt, holt er sich postwendend zurück, wenn Sie das nächste Mal bei ihm einkaufen. So viel zum Thema "Free-TV".
Wer so wie der "Spiegel" gegen das geplante I-Phone-Programm wettert, hat weniger etwas gegen die konkrete Applikation, ihm geht es um Rundfunkgebühren im Allgemeinen. So lange ich aber sehe, wie RTL die Hälfte seiner angeblichen Nachrichtensendung damit verschwendet, selbst generierte Pseudomeldungen aus dem DSDS-Haus zu bringen, so lange mir drei Minuten vor Schluss eines Films mitten im Satz ein siebenminütiger Werbeblock reingeknallt wird, so lange mir abgehalfterte Hinterbänkler als "Promis im Dschungelcamp" serviert werden, so lange bin ich bereit, gebührenfinanziertes Fernsehen als eine Alternative anzusehen. So lange ich aber Fernsehgebühren zahle, will ich auch etwas für mein Geld bekommen, und wenn dies wie behauptet das Geschäftsmodell der Privaten gefährdet, sollen die mir erst einmal erklären, wie Fernsehsendungen, die angeblich kein Mensch sehen will, eine Konkurrenz für das vermeintlich von den Massen so heiß geliebte Privatfernsehen sein kann. So lange darauf eine schlüssige Antwort ausbleibt, können die ARD gern die Tagesschau aufs I-Phone bringen - und das eine "Äppp" nennen.
Samstag, 19. Dezember 2009
Der Unterschied zwischen Adminrechten und Manneskraft
Es gibt Berufe, die einem auf Parties gewaltig den Abend verderben können. Ärzte und Rechtsanwälte können ein Lied davon singen, bittet man sie bei solchen Gelegenheiten doch gern um eine kostenlose Spontanuntersuchung oder eine Rechtsberatung. Weniger bekannt ist, dass wir Admins in einer ähnlichen Situation stecken, die allerdings noch dadurch verschärft wird, dass man uns nicht einfach um Rat fragt, sondern auch noch daran herumkrittelt, weil man ja "irgendwie auch was von Computern versteht". Das nervt unserseins am meisten.
Es ist etwa so, als wolle jeder Führerscheininhaber einem Rettungssanitäter erzählen, wie sein Beruf funktioniert, nur weil er vor Jahrzehnten die Pflichtveranstaltung "Sofortmaßnahmen am Unfallort" besucht hat. Sehen Sie, das findet komischerweise jeder absurd, aber jeder Volltrottel, der mit Mühe und Not seinen Drucker installiert bekommt, sitzt der possierlichen Fehlannahme auf, mit Menschen auf Augenhöhe zu sein, die seit Jahrzehnten anderer Leute Systeme pflegen. Längst sind wir nicht allein ein Land mit 80 Millionen Bundestrainern, sondern auch von ebensovielen IT-Spezialisten. Ich verstehe gar nicht, wie die Branche bei einem derartigen Überangebot Schwierigkeiten hat, selbst ihre einfachsten Stellen zu besetzen. An der Bezahlung kann es nicht liegen.
Offenbar spielt bei der Frage um die Systemverwalterprivilegien die graue Hirnsubstanz eine eher untergeordnete Rolle, sondern archaischste Regionen unseres Nervenzentrums übernehmen die Kontrolle, in denen es vor allem darum geht, sich auf Felsen hockend darüber klar zu werden, wer das dickste Gemächte hat. Anders kann ich es mir wenigstens nicht erklären, warum die meisten Computeranwender so irrsinnig hohen Wert darauf legen, Adminrechte auf "ihrem" Affenfelsen, respektive Computer, zu haben. "Ihrem" ist hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt, geht es nämlich bei solchen Diskussionen häufig um Computer, die gar nicht ihnen, sondern ihrem Arbeitgeber gehören. Trotzdem muss man natürlich auch hier den dicken Max markieren können.
Fragt man dann etwas weiter nach, was an den Adminrechten auf einem Dienstrechner so unglaublich wichtig ist, kommt meistens wirres Zeug. Man selbst hätte ja gar nicht so viel Ahnung von Computern, aber der Sohn, der hätte es ja so richtig drauf. Aha, was will denn der Sohnemann auf der dienstlichen Maschine von Vattern? - Beim Installieren helfen. - Wozu das denn, dafür gibt es doch in der Firma speziell ausgebildete Leute, die genau dafür angestellt sind? - Ist ja auch egal, auf jeden Fall will man Systemverwalter sein.
Selbst wenn es nicht um Dienstrechner geht, die offenbar als großzügiges Geschenk für hervorragende Verdienste zum Wohl der Firma und nicht als notwendigerweise bereitgestelltes Werkzeug begriffen werden, sondern um Privatgeräte, auf denen es immer wieder zu unerklärlichen Fehlern kommt ("Ich hab nichts gemacht!"), scheint der Gedanke, nicht ständig Admin sein zu dürfen, etwas zutiefst Erniedrigendes zu besitzen. Ich frage mich, ob solche Leute auch immer mit einer geladenen und entsicherten Schusswaffe herumrennen, weil das so schön gefährlich und sinnlos ist. Die Frage, warum man beim Surfen, Maillesen und Texteschreiben unbedingt mit höchsten Systemprivilegien unterwegs sein muss, hat mir bislang niemand schlüssig erklären können. In solchen Momenten fällt dann der Satz: "Ich mach' ja nichts Besonderes auf der Kiste - nur Schreiben und Mails." Genau, und deswegen noch einmal: Wozu brauchst du dann Adminrechte?
Bezeichnenderweise haben erfahrene Admins eine ausgesprochene Scheu vor ihren eigenen Möglichkeiten entwickelt, weil sie mehr als einmal erlebt haben, wie schnell eine Installation unwiederbringlich zerstört ist. Einige von uns sind dazu übergegangen, den Moment, an dem sie ernsthaft Unsinn anstellen können, mit optischen Warnsignalen zu versehen, damit ihnen klar wird: Achtung, ab hier wird's ernst. Der nächste Fehler bedeutet drei Tage Mehrarbeit.
Ich weiß, der Vergleich zwischen Autos und Computern ist überstrapaziert, aber anders ist adrenalingetränkten Männerhirnen offenbar nicht beizukommen: Der Computer als Massenphänömen ist keine 20 Jahre alt, und entsprechend schlecht sind seine Sicherungsmechanismen entwickelt. Wie fänden Sie es, wenn Sie auf der A3 mit 160 Sachen unterwegs und umgeben von lauter Leuten ohne Führerschein wären, die in ihrer Freizeit aus reiner Neugier ständig andere Reifen aufziehen, an den Bremsschläuchen herumspielen und meinen, die Lenkung neu justieren zu müssen? Komisch, da wird den Leuten mulmig, aber dass weltweit in diesem Moment millionen Nutzer mit Rechnern im Netz unterwegs sind, von denen sie nicht die blasseste Ahnung haben und nicht einmal merken, dass Schadprogramme schon seit Monaten die Herrschaft über ihr System besitzen, finden alle ganz toll. Wenn jedoch die nächste Virenwelle durchs Netz schwappt, schreien sie wieder nach dem Staat oder irgendeinem Großen Bruder, der sie gefälligst schützen soll.
Zum Thema Datenschutz herrscht ohnehin ein ambivalentes Verhältnis. Auf der einen Seite haben die Leute keine Schwierigkeiten, anderer Leute Personalakten unverschlüsselt per Mail quer durchs Netz zu schicken und mit ihrer Payback-Karte einzukaufen, aber Online-Banking finden sie böse, und wenn sie beim Mobil-TAN-Verfahren ihre Telefonnummer angeben müssen, schimpfen sie auf den Überwachungsstaat. Einerseits haben sie Bedenken gegen den Missbrauch ihrer persönlichen Daten, wenn sie jedoch mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Datenschutzverpflichtung unterschreiben sollen, wettern sie über unsinnige Bürokratie und staatliche Gängelung.
Kurz: Regeln sind eine tolle Sache, so lange sie nur für die Anderen gelten. Fragen der Rechner- und Datensicherheit mögen den Rest der Menschheit betreffen, man selbst bildet die magische Ausnahme. Auf der eigenen Maschine haben aufgrund göttlicher Fügung Schadprogramme keine Chance, und natürlich weiß man selbst am besten, wie andere Leute ihre intimsten Daten behandelt haben wollen.
Die folgenden Sätze mögen für viele selbsternannte Computerspezialisten schmerzhaft sein, aber das ist die Wahrheit häufig: Leute, ihr habt nicht die leiseste Ahnung von den Kisten, vor denen ihr sitzt, und das ist sogar noch die höfliche Variante dieser Aussage. Die Admins mögen menschliche Wracks sein, aber von Computern verstehen sie etwas. Sie tragen keine Krawatten, sie reden Technikergewäsch, und zum Thema Körperpflege haben sie ein höchst theoretisches Verhältnis, dennoch sind sie es, die rund um die Uhr an jedem Tag im Jahr dafür sorgen, dass in ihrer Firma der nächste Bahn- oder Telekomskandal unterbleibt. Diese komischen Datenschützer wissen nicht etwa besser als ihr, was Andere von sich preisgeben wollen, aber genau aus diesem Grund setzen sie alles daran, diese Entscheidung den Betroffenen selbst zu überlassen. Im Gegensatz zu euch haben sie sich lange mit der technischen und rechtlichen Situation befasst, weil sie es nämlich sind, denen man die Bude einrennt, wenn irgendwo massenweise Rechner zusammenbrechen oder Angestelltendaten auf der Firmenhomepage landen.
Denkt daran, bevor ihr uns bei der nächsten Party wieder von der Seite anmacht.
Es ist etwa so, als wolle jeder Führerscheininhaber einem Rettungssanitäter erzählen, wie sein Beruf funktioniert, nur weil er vor Jahrzehnten die Pflichtveranstaltung "Sofortmaßnahmen am Unfallort" besucht hat. Sehen Sie, das findet komischerweise jeder absurd, aber jeder Volltrottel, der mit Mühe und Not seinen Drucker installiert bekommt, sitzt der possierlichen Fehlannahme auf, mit Menschen auf Augenhöhe zu sein, die seit Jahrzehnten anderer Leute Systeme pflegen. Längst sind wir nicht allein ein Land mit 80 Millionen Bundestrainern, sondern auch von ebensovielen IT-Spezialisten. Ich verstehe gar nicht, wie die Branche bei einem derartigen Überangebot Schwierigkeiten hat, selbst ihre einfachsten Stellen zu besetzen. An der Bezahlung kann es nicht liegen.
Offenbar spielt bei der Frage um die Systemverwalterprivilegien die graue Hirnsubstanz eine eher untergeordnete Rolle, sondern archaischste Regionen unseres Nervenzentrums übernehmen die Kontrolle, in denen es vor allem darum geht, sich auf Felsen hockend darüber klar zu werden, wer das dickste Gemächte hat. Anders kann ich es mir wenigstens nicht erklären, warum die meisten Computeranwender so irrsinnig hohen Wert darauf legen, Adminrechte auf "ihrem" Affenfelsen, respektive Computer, zu haben. "Ihrem" ist hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt, geht es nämlich bei solchen Diskussionen häufig um Computer, die gar nicht ihnen, sondern ihrem Arbeitgeber gehören. Trotzdem muss man natürlich auch hier den dicken Max markieren können.
Fragt man dann etwas weiter nach, was an den Adminrechten auf einem Dienstrechner so unglaublich wichtig ist, kommt meistens wirres Zeug. Man selbst hätte ja gar nicht so viel Ahnung von Computern, aber der Sohn, der hätte es ja so richtig drauf. Aha, was will denn der Sohnemann auf der dienstlichen Maschine von Vattern? - Beim Installieren helfen. - Wozu das denn, dafür gibt es doch in der Firma speziell ausgebildete Leute, die genau dafür angestellt sind? - Ist ja auch egal, auf jeden Fall will man Systemverwalter sein.
Selbst wenn es nicht um Dienstrechner geht, die offenbar als großzügiges Geschenk für hervorragende Verdienste zum Wohl der Firma und nicht als notwendigerweise bereitgestelltes Werkzeug begriffen werden, sondern um Privatgeräte, auf denen es immer wieder zu unerklärlichen Fehlern kommt ("Ich hab nichts gemacht!"), scheint der Gedanke, nicht ständig Admin sein zu dürfen, etwas zutiefst Erniedrigendes zu besitzen. Ich frage mich, ob solche Leute auch immer mit einer geladenen und entsicherten Schusswaffe herumrennen, weil das so schön gefährlich und sinnlos ist. Die Frage, warum man beim Surfen, Maillesen und Texteschreiben unbedingt mit höchsten Systemprivilegien unterwegs sein muss, hat mir bislang niemand schlüssig erklären können. In solchen Momenten fällt dann der Satz: "Ich mach' ja nichts Besonderes auf der Kiste - nur Schreiben und Mails." Genau, und deswegen noch einmal: Wozu brauchst du dann Adminrechte?
Bezeichnenderweise haben erfahrene Admins eine ausgesprochene Scheu vor ihren eigenen Möglichkeiten entwickelt, weil sie mehr als einmal erlebt haben, wie schnell eine Installation unwiederbringlich zerstört ist. Einige von uns sind dazu übergegangen, den Moment, an dem sie ernsthaft Unsinn anstellen können, mit optischen Warnsignalen zu versehen, damit ihnen klar wird: Achtung, ab hier wird's ernst. Der nächste Fehler bedeutet drei Tage Mehrarbeit.
Ich weiß, der Vergleich zwischen Autos und Computern ist überstrapaziert, aber anders ist adrenalingetränkten Männerhirnen offenbar nicht beizukommen: Der Computer als Massenphänömen ist keine 20 Jahre alt, und entsprechend schlecht sind seine Sicherungsmechanismen entwickelt. Wie fänden Sie es, wenn Sie auf der A3 mit 160 Sachen unterwegs und umgeben von lauter Leuten ohne Führerschein wären, die in ihrer Freizeit aus reiner Neugier ständig andere Reifen aufziehen, an den Bremsschläuchen herumspielen und meinen, die Lenkung neu justieren zu müssen? Komisch, da wird den Leuten mulmig, aber dass weltweit in diesem Moment millionen Nutzer mit Rechnern im Netz unterwegs sind, von denen sie nicht die blasseste Ahnung haben und nicht einmal merken, dass Schadprogramme schon seit Monaten die Herrschaft über ihr System besitzen, finden alle ganz toll. Wenn jedoch die nächste Virenwelle durchs Netz schwappt, schreien sie wieder nach dem Staat oder irgendeinem Großen Bruder, der sie gefälligst schützen soll.
Zum Thema Datenschutz herrscht ohnehin ein ambivalentes Verhältnis. Auf der einen Seite haben die Leute keine Schwierigkeiten, anderer Leute Personalakten unverschlüsselt per Mail quer durchs Netz zu schicken und mit ihrer Payback-Karte einzukaufen, aber Online-Banking finden sie böse, und wenn sie beim Mobil-TAN-Verfahren ihre Telefonnummer angeben müssen, schimpfen sie auf den Überwachungsstaat. Einerseits haben sie Bedenken gegen den Missbrauch ihrer persönlichen Daten, wenn sie jedoch mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Datenschutzverpflichtung unterschreiben sollen, wettern sie über unsinnige Bürokratie und staatliche Gängelung.
Kurz: Regeln sind eine tolle Sache, so lange sie nur für die Anderen gelten. Fragen der Rechner- und Datensicherheit mögen den Rest der Menschheit betreffen, man selbst bildet die magische Ausnahme. Auf der eigenen Maschine haben aufgrund göttlicher Fügung Schadprogramme keine Chance, und natürlich weiß man selbst am besten, wie andere Leute ihre intimsten Daten behandelt haben wollen.
Die folgenden Sätze mögen für viele selbsternannte Computerspezialisten schmerzhaft sein, aber das ist die Wahrheit häufig: Leute, ihr habt nicht die leiseste Ahnung von den Kisten, vor denen ihr sitzt, und das ist sogar noch die höfliche Variante dieser Aussage. Die Admins mögen menschliche Wracks sein, aber von Computern verstehen sie etwas. Sie tragen keine Krawatten, sie reden Technikergewäsch, und zum Thema Körperpflege haben sie ein höchst theoretisches Verhältnis, dennoch sind sie es, die rund um die Uhr an jedem Tag im Jahr dafür sorgen, dass in ihrer Firma der nächste Bahn- oder Telekomskandal unterbleibt. Diese komischen Datenschützer wissen nicht etwa besser als ihr, was Andere von sich preisgeben wollen, aber genau aus diesem Grund setzen sie alles daran, diese Entscheidung den Betroffenen selbst zu überlassen. Im Gegensatz zu euch haben sie sich lange mit der technischen und rechtlichen Situation befasst, weil sie es nämlich sind, denen man die Bude einrennt, wenn irgendwo massenweise Rechner zusammenbrechen oder Angestelltendaten auf der Firmenhomepage landen.
Denkt daran, bevor ihr uns bei der nächsten Party wieder von der Seite anmacht.
Sonntag, 13. Dezember 2009
Spezialdemokratische Spontanamnesie
Über Jahre hat sie sich jede erdenkliche Mühe gegeben, dort anzukommen, wo sie jetzt ist: die SPD in der politischen Bedeutungslosigkeit. Wer auch immer sich den Prinzipien der Sozialdemokratie verbunden fühlte - die SPD gab ihm zu verstehen, dass diese Partei nicht der richtige Ort für ihn ist. Zurück blieben zwei Sorten von Menschen: Traditionalisten mit 50 Jahren Parteizugehörigkeit, die der Partei die Nibelungentreue halten und Karrieristen, die in der desolaten Personalsituation der SPD davon träumen, allein deswegen schon der nächste Kanzlerkandidat zu sein, weil sich niemand sonst dafür findet.
Bei all dem führt sich die SPD so auf, als sei sie immer noch eine politische Größe, ohne die in der Republik nichts liefe. Ihre Vertreter treten mit einer Attitüde auf, die irgendwo zwischen dem Pomp des frisch an die Macht geputschten Präsidenten einer Bananenrepublik und der Wichtigkeit des zweiten Kassenwarts im Verein der Dackelfreunde Hürth-Kalscheuren liegt: über die Grenze der Peinlichkeit hinaus selbstverliebt, aber ohne jede reale Bedeutung. Dass man in einer parlamentarischen Demokratie Mehrheiten braucht, dass man so viel wie möglich Leute um sich sammeln muss, um etwas bewegen zu können, scheinen sie nicht so recht begriffen zu haben.
Man darf nicht ungerecht sein: Vereinzelt scheinen SPD-Mitglieder doch so etwas wie Verständnis für elementare Mathematik zu besitzen und einzusehen, dass mit Stimmanteilen zwischen 10 und 30 Prozent auf Landes- und Bundesebene Regierungschefs nur in Ausnahmefällen von der eigenen Partei gestellt werden. Es müssen also Wähler her, und da man offenbar davon ausgeht, dass nur völlige Idioten die SPD wählen, hat man den Stimmenfang auf diese Gruppe hin optimiert. So erklärt SPD-Bundestagsfraktionschef Olaf Scholz nun, Internetzensur sei falsch, Inhalte müssten gelöscht statt gesperrt werden. Er geißelt die Gesetzesinitiative der damaligen Bundesfamilienministerin als "populistisch" und warnt vor den Gefahren für das Grundrecht auf Informationsfreiheit, wenn eine mit vemeintlich besten Absichten installierte Zensurinfrastruktur erst einmal funktioniert und für andere Zwecke missbraucht wird. Jedes dieser Worte trifft auf meine ungeteilte Zustimmung, zumal sie genau das beschreiben, was die Zensurgegner seit über einem halben Jahr den Parteien zu erklären versuchen. Die Sperren seien unwirksam, stellt Scholz überrascht fest. Dem möchte ich entgegnen: "Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen." Und von wegen Populismus. Wahr ist doch hingegen: "Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren." Beides Zitate Olaf Scholz, Juni 2009.
Nun ist es keine Schande, seine Meinung zu ändern. Im Gegenteil, das Erkennen eigener Fehler zeugt von Reflexionsvermögen. Beim sich gegenwärtig abzeichnenden Meinungsumschwung in der SPD drängen sich mir jedoch einige Fragen auf: Warum stellt sich die neue Erkenntnis ausgerechnet genau zu dem Zeitpunkt ein, an dem die neue Bundesregierung äußerst holprig ihre Tätigkeit aufgenommen hat und dennoch niemand die SPD vermisst? Was wäre passiert, hätte sich die SPD mit Ach und Krach in der Regierung halten können? Ich halte zwar von der FDP und vor allem ihrer Außeministersimulation nichts, aber wenigstens wurden bei den Koalitionsverhandlungen verschiedene Punkte der inneren Sicherheit und digitalen Bürgerrechte zur Sprache gebracht. Das Ergebnis mag lächerlich sein, aber ich bin mir sicher, hätte statt der FDP die SPD am Verhandlungstisch gesessen, wäre es allenfalls darum gegangen, wie man die Republik noch schneller einen Polizeistaat wandeln kann. Um das Vertrauen, das man seit der Regierung Schröder verschleudert hat, wieder zu gewinnen, braucht es viel mehr als ein paar Presseerklärungen. Die SPD sollte die Bedeutungsflaute, in der sie gerade herumdümpelt, als Chance begreifen, sich in aller Ruhe thematisch und personell wieder aufzubauen. Das mag ein paar Jahre dauern, aber ein solcher Umbau hat es auch in sich.
Stimmenverhältnisse ändern sich derzeit rasant, und das mag eine der größten Gefahren für den Neubeginn der SPD werden. Waren vor zwanzig Jahren Stimmbewegungen um vier Prozent noch Grund für Sondersendungen zum rapiden Umbau der Parteienlandschaft, gehören inzwischen solche Änderungen zum gewohnten Bild eines Wahlabends. Hatte eine Partei in den Achtzigern zwischen sieben und zehn Prozent verloren, wusste man, dass in den nächsten drei Legislaturperioden nicht mit ihr zu rechnen war. Sieht man sich an, wie vernichtend die CDU unter Kohl geschlagen wurde, als Schröder Kanzler wurde, und wie schnell es ihr gelang, auf Bundesebene wieder zu Bedeutung zu gelangen und die Regierung vor sich her zu treiben, weiß man, dass kein vermeintlicher Erdrutschsieg für mehr als vier Jahre Sicherheit bietet. Die gleiche Sympathiewelle, die eine Partei ins Amt spülte, kann kurz darauf in die andere Richtung schwappen. Es kann also gut sein, dass nach ein paar Skandälchen, schlechten Arbeitsmarktzahlen und chaotischer Wirtschaftslage sich die SPD unversehens wieder in der einen oder anderen Regierung wiederfindet, ohne auf diese Rolle vernünftig vorbereitet zu sein. Gleichzeitig mag sie dies als Zeichen begreifen, ihren internen Umbau erfolgreich abgeschlossen zu haben und wieder in den alten Trott verfallen. Vergleichen Sie es mit der deutschen Fußballnationalelf, die regelmäßig nach einen wirklich schönen Spiel meint, es sei nun wieder an der Zeit für den guten alten Rumpelfußball.
Der gleiche Populismus, der die SPD im Juni bewog, sich für Internetzensur einzusetzen, treibt die Partei jetzt in der Opposition, ihre eigenen Beschlüsse zu kritisieren - und dabei mit dem schauspielerischen Talent eines Seifenoperndarstellers noch den Eindruck erwecken zu wollen, das Zensurgesetz sei allein mit den Stimmen der Union verabschiedet worden. Kein Wort des Bedauerns, nicht ein einziger Satz der Art: "Ja, wir haben damals die Büchse der Pandora zu öffnen geholfen, aber die Wähler haben uns deutlich gezeigt, was sie davon halten. Wir sehen ein, dass wir einen Fehler begangen haben und versuchen jetzt nach Kräften, diesen Fehler zu korrigieren."
Es ist eine Binsenweisheit, dass Einsicht der erste Schritt zur Besserung ist, aber diese simple Erkenntnis scheint der SPD fremd zu sein. Wenn eine Partei einen Bruch in ihrer Haltung wie im Fall der Internetzensur entweder nicht erkennt oder erkennen will, braucht sie offenbar ein paar Legislaturperioden Opposition zum Nachdenken.
Bei all dem führt sich die SPD so auf, als sei sie immer noch eine politische Größe, ohne die in der Republik nichts liefe. Ihre Vertreter treten mit einer Attitüde auf, die irgendwo zwischen dem Pomp des frisch an die Macht geputschten Präsidenten einer Bananenrepublik und der Wichtigkeit des zweiten Kassenwarts im Verein der Dackelfreunde Hürth-Kalscheuren liegt: über die Grenze der Peinlichkeit hinaus selbstverliebt, aber ohne jede reale Bedeutung. Dass man in einer parlamentarischen Demokratie Mehrheiten braucht, dass man so viel wie möglich Leute um sich sammeln muss, um etwas bewegen zu können, scheinen sie nicht so recht begriffen zu haben.
Man darf nicht ungerecht sein: Vereinzelt scheinen SPD-Mitglieder doch so etwas wie Verständnis für elementare Mathematik zu besitzen und einzusehen, dass mit Stimmanteilen zwischen 10 und 30 Prozent auf Landes- und Bundesebene Regierungschefs nur in Ausnahmefällen von der eigenen Partei gestellt werden. Es müssen also Wähler her, und da man offenbar davon ausgeht, dass nur völlige Idioten die SPD wählen, hat man den Stimmenfang auf diese Gruppe hin optimiert. So erklärt SPD-Bundestagsfraktionschef Olaf Scholz nun, Internetzensur sei falsch, Inhalte müssten gelöscht statt gesperrt werden. Er geißelt die Gesetzesinitiative der damaligen Bundesfamilienministerin als "populistisch" und warnt vor den Gefahren für das Grundrecht auf Informationsfreiheit, wenn eine mit vemeintlich besten Absichten installierte Zensurinfrastruktur erst einmal funktioniert und für andere Zwecke missbraucht wird. Jedes dieser Worte trifft auf meine ungeteilte Zustimmung, zumal sie genau das beschreiben, was die Zensurgegner seit über einem halben Jahr den Parteien zu erklären versuchen. Die Sperren seien unwirksam, stellt Scholz überrascht fest. Dem möchte ich entgegnen: "Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen." Und von wegen Populismus. Wahr ist doch hingegen: "Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren." Beides Zitate Olaf Scholz, Juni 2009.
Nun ist es keine Schande, seine Meinung zu ändern. Im Gegenteil, das Erkennen eigener Fehler zeugt von Reflexionsvermögen. Beim sich gegenwärtig abzeichnenden Meinungsumschwung in der SPD drängen sich mir jedoch einige Fragen auf: Warum stellt sich die neue Erkenntnis ausgerechnet genau zu dem Zeitpunkt ein, an dem die neue Bundesregierung äußerst holprig ihre Tätigkeit aufgenommen hat und dennoch niemand die SPD vermisst? Was wäre passiert, hätte sich die SPD mit Ach und Krach in der Regierung halten können? Ich halte zwar von der FDP und vor allem ihrer Außeministersimulation nichts, aber wenigstens wurden bei den Koalitionsverhandlungen verschiedene Punkte der inneren Sicherheit und digitalen Bürgerrechte zur Sprache gebracht. Das Ergebnis mag lächerlich sein, aber ich bin mir sicher, hätte statt der FDP die SPD am Verhandlungstisch gesessen, wäre es allenfalls darum gegangen, wie man die Republik noch schneller einen Polizeistaat wandeln kann. Um das Vertrauen, das man seit der Regierung Schröder verschleudert hat, wieder zu gewinnen, braucht es viel mehr als ein paar Presseerklärungen. Die SPD sollte die Bedeutungsflaute, in der sie gerade herumdümpelt, als Chance begreifen, sich in aller Ruhe thematisch und personell wieder aufzubauen. Das mag ein paar Jahre dauern, aber ein solcher Umbau hat es auch in sich.
Stimmenverhältnisse ändern sich derzeit rasant, und das mag eine der größten Gefahren für den Neubeginn der SPD werden. Waren vor zwanzig Jahren Stimmbewegungen um vier Prozent noch Grund für Sondersendungen zum rapiden Umbau der Parteienlandschaft, gehören inzwischen solche Änderungen zum gewohnten Bild eines Wahlabends. Hatte eine Partei in den Achtzigern zwischen sieben und zehn Prozent verloren, wusste man, dass in den nächsten drei Legislaturperioden nicht mit ihr zu rechnen war. Sieht man sich an, wie vernichtend die CDU unter Kohl geschlagen wurde, als Schröder Kanzler wurde, und wie schnell es ihr gelang, auf Bundesebene wieder zu Bedeutung zu gelangen und die Regierung vor sich her zu treiben, weiß man, dass kein vermeintlicher Erdrutschsieg für mehr als vier Jahre Sicherheit bietet. Die gleiche Sympathiewelle, die eine Partei ins Amt spülte, kann kurz darauf in die andere Richtung schwappen. Es kann also gut sein, dass nach ein paar Skandälchen, schlechten Arbeitsmarktzahlen und chaotischer Wirtschaftslage sich die SPD unversehens wieder in der einen oder anderen Regierung wiederfindet, ohne auf diese Rolle vernünftig vorbereitet zu sein. Gleichzeitig mag sie dies als Zeichen begreifen, ihren internen Umbau erfolgreich abgeschlossen zu haben und wieder in den alten Trott verfallen. Vergleichen Sie es mit der deutschen Fußballnationalelf, die regelmäßig nach einen wirklich schönen Spiel meint, es sei nun wieder an der Zeit für den guten alten Rumpelfußball.
Der gleiche Populismus, der die SPD im Juni bewog, sich für Internetzensur einzusetzen, treibt die Partei jetzt in der Opposition, ihre eigenen Beschlüsse zu kritisieren - und dabei mit dem schauspielerischen Talent eines Seifenoperndarstellers noch den Eindruck erwecken zu wollen, das Zensurgesetz sei allein mit den Stimmen der Union verabschiedet worden. Kein Wort des Bedauerns, nicht ein einziger Satz der Art: "Ja, wir haben damals die Büchse der Pandora zu öffnen geholfen, aber die Wähler haben uns deutlich gezeigt, was sie davon halten. Wir sehen ein, dass wir einen Fehler begangen haben und versuchen jetzt nach Kräften, diesen Fehler zu korrigieren."
Es ist eine Binsenweisheit, dass Einsicht der erste Schritt zur Besserung ist, aber diese simple Erkenntnis scheint der SPD fremd zu sein. Wenn eine Partei einen Bruch in ihrer Haltung wie im Fall der Internetzensur entweder nicht erkennt oder erkennen will, braucht sie offenbar ein paar Legislaturperioden Opposition zum Nachdenken.
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