Die Aktion Mensch veranstaltet jährlich ein Filmfestival, in dem es generell um die Frage geht, wie wir unsere Welt und unser Leben gestalten wollen. In diesem Jahr geht es um Macht - wie sie funktioniert, wie sie ausgeübt wird, nötige und unnötige Regeln sowie die Frage, wie weit wir uns durch Andere bestimmen lassen wollen.
Datenschützer werden hellhörig, denn genau darum geht es bei der Grundrechtsdebatte: Wie viel Macht maßt sich die Regierung an, wofür braucht sie diese, und hat sie es möglicherweise schon zu weit getrieben?
Um diese Frage dreht es sich auch in der Dokumentation Strange Culture, der am 22.11. um 15 Uhr im Bonner Rex gezeigt wird. Der amerikanische Künstler Steve Kurtz wacht eines Morgens auf und stellt fest, dass seine Frau Hope tot neben ihm im Bett liegt. Die herbei gerufenen Rettungskräfte bemerken, wie im Haus Petrischalen mit Bakterienkulturen herumstehen und alarmieren das FBI, das kurz darauf in Schutzanzügen das Haus stürmt. Dass Kurtz in Vorbereitung einer Veranstaltung zu genetisch manipulierten Lebensmitteln vollkommen harmlose Bakterien ganz legal im Internet bestellt hat, geht in die Köpfe der Ermittler nicht hinein. Sie sehen nur ein Buch über Bioterrorismus und eine Einladung zu einer Kunstausstellung, auf der dummerweise auch noch ein paar arabische Schriftzeichen stehen. Damit ist die Sache klar: Kurtz plant einen biologischen Anschlag. Kurtz wird verhaftet.
Zwar stellt sich schnell heraus, dass Hope ganz schlicht an Herzversagen gestorben ist und dass man mit den Bakterienkulturen keinen Schaden anrichten kann, aber wenn die Mühlen erst einmal zu mahlen begonnen haben, dann mahlen sie eben, und wenn man einen Terroristen erst einmal am Wickel hat, dann bekommt man den schon irgendwie verurteilt - egal, weswegen.
Deswegen lautet die Anklage auch Betrug unter Ausnutzung des Postwesens. Immerhin wurden die Bakterienkulturen ja per Post verschickt. Was daran Betrug sein soll, wenn man harmlose Bakterien mit der Post transportieren lässt und wer überhaupt der Betrogene ist, bleibt offen. Hauptsache, man klagt erst einmal.
So absurd das Verfahren auch sein mag, so bezeichnend ist die Reaktion seines Umfelds. Seine eigenen Studenten weigern sich, eine Unterschriftenliste mit Solidaritätsadressen zu unterzeichnen - nicht, weil sie an seiner Unschuld zweifeln, sondern weil sie Angst haben, mit der Wahrnehmung ihrer Meinungsfreiheit anzuecken und Repressalien befürchten.
Der Film wirft viele Fragen auf: Warum war die Staatsanwaltschaft so versessen darauf, Kurtz zu verurteilen? Wollte man einen kritischen Geist ruhig stellen, wollte man sein eigenes Scheitern nicht eingestehen, hat man einfach im Rahmen der 9/11-Hysterie der Meinung nicht wahrhaben wollen, dass ungewöhnliches Verhalten keine Straftat ist? Kann uns Ähnliches auch in Deutschland blühen?
Wer Lust hat, über diese Fragen zu diskutieren, ist eingeladen, nach dem Film noch eine Weile zu bleiben. Als Referenten stehen neben Vertretern der Humanistischen Union und des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung auch der Kölner Rechtsanwalt und Netzaktivist Dominik Boecker zur Verfügung.