Freitag, 6. Dezember 2019

SPD wählt neues Kanonenfutter

Die Casting-Show mit dem Spannungsgehalt einer Miss-Marple-Verfilmung hat ein Ende, und das Ergebnis, das eigentlich völlig egal ist, steht fest. Das Duo (Sekunde, ich muss es schnell nachschlagen) Esken-Borjans hat sich gegen Scholz-(nochmal nachschlagen)Geywitz durchgesetzt. Ist es mir peinlich, drei von vier Kandidatennamen nachgeschlagen zu haben? Nein, ich glaube nicht,  mir merken zu müssen, wer die SPD auf dem weiteren Weg in die Bedeutungslosigkeit begleitet. Wie bei DSDS ist allenfalls der Auswahlprozess bis zum Finale interessant. Wer will schon wissen, wer in einem Dreivierteljahr bei der Eröffnung des nächsten Baumarkts singt?



Scholz stand für "weiter so" - ein Rezept, mit dem die sich selbst in Verkennung jeder Realität "groß" nennende Koalition noch das Ende der Legislaturperiode, keinesfalls aber eine Wiederwahl erleben wird. Esken-Borjans will mit der Union nachverhandeln - was mich vom Grad der Absurdität her an Theresa Mays Brexit-Verhandlungen mit der EU erinnert. Wenn überhaupt hätte die SPD niemals in die jetzige Koalition einsteigen dürfen. Wenn sie jetzt mittendrin aussteigt, ist das vielleicht Balsam für die Seele der Parteilinken, die glaubt, dass mit einem Kurswechsel jetzt noch irgendwas zu retten wäre. Für alle Anderen ist sie die Vertragsbrüchige, die den Hals nicht voll genug bekommen kann, die aus der Panik des Existenzkampfes heraus den Zusammenbruch der Demokratie riskiert.

Zugegeben, das ist eine wuchtige These, aber schauen wir auf die Zahlen: Fände heute eine Bundestagswahl statt, gäbe es keine klaren Mehrheiten. Rot-Rot-Grün wäre ähnlich in der Minderheit wie Schwarz-Rot. Schwarz-Grün-Gelb ginge, aber dazu müsste die gelbe Spaßtruppe erst einmal erwachsen werden. Darüber hinaus hinge das Zustandekommen einer solchen Koalition stark von der neuen Kabinettsspitze ab. Selbst wenn Merkel eine weitere Kandidatur weniger deutlich ausgeschlossen hätte - die Partei hat sie innerlich schon abgeschrieben und bereitet sich auf ihre Nachfolge vor. Kramp-Karrenbauer hat nach ihrem Wanderausflug durch sämtliche sich bietenden Fettnäpfchen zumindest im Moment nicht die für das Amt nötige Autorität, und wenn die Grünen einen Kanzler Merz mittragen, können sie auch gleich bei der SPD nach einem guten Entrümpelungsunternehmen fragen, das ihnen beim Räumen ihrer Abgeordetenbüros hilft.

Das Einzige, worin sich die demokratischen Parteien noch halbwegs einig sind, ist ihre Ablehnung einer Koalition mit der AfD. Die wiederum legt immer weiter zu und erreicht mancherorts eine Größe, dass eine Regierung ohne sie nur noch möglich ist, indem alle anderen Parteien zusammenhalten. Die Überlappung von, sagen wir, CDU und der Linken ist vorsichtig formuliert nicht besonders groß, zumal Teile der CDU eine Koalition mit der AfD weniger aus inhaltlichen, sondern aus taktischen Gründen ablehnen, weil sie befürchten, dass die AfD ihnen weiter das Wasser abgräbt. "Komme, was wolle, bloß nicht die AfD auf der Regierungsbank" ist aber für einen Koalitionsvertrag eher dürftig. Die "Große Koalition" war einst die ultima ratio gegen instabile Verhältnisse. Inzwischen haben SPD und CDU derart an Stimmen verloren, dass an einer Koalition von ihnen nichts mehr groß ist - falls sie überhaupt noch genug Stimmen haben, um zusammen eine Mehrheit zu bilden.

Jetzt also versucht die SPD, die Reste ihrer linken Seele zu streicheln, indem sie sich zwei Feigenblätter vorbindet, die ab und zu wohldosiert ein paar zartrote Thesen abgeben dürfen. Soll doch niemand sagen, die SPD hätte ihre Wurzeln vergessen. Ob die beiden wirklich etwas ändern werden, oder ob die Basis sich nach erfolgtem Dampfablassen wieder im Gefühl sonnt, wahnsinnig staatstragend zu sein, bleibt abzuwarten.

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