Es regnet in Leipzig, die Temperatur schwankt irgendwo zwischen Frost und Klimakatastrophe. Für knapp eine Woche hat mich das nicht weiter gekümmert. Das ganze Konzept dieses "draußen" war mir egal, weil ich mich sowieso nur aus dem Messegebäude begab, um ins Hotel zu gehen, und das war kurz genug, um Dinge wie Wetter ignorieren zu können. Kurz: Ich war auf dem Congress.
Der Congress materialisiert sich seit 34 Jahren in der letzten Dezemberwoche immer wieder an anderen Orten und zieht inzwischen 15.000 Menschen an, die wenigstens für ein paar Tage endlich wieder normale Leute treffen wollen. Wer sich in einer Unterhaltung auf einen spezifischen Zeitpunkt beziehen möchte, bedient sich auf die Nummerierung, in diesem Jahr beispielsweise 34C3, wer es genauer braucht, auf die Tagesnummer innerhalb des Veranstaltungszeitraums. Niemand spräche vom 28.12.2017, sondern vom 34C3, Tag 2. Ansonsten ist es einfach kurz "der Congress".
Wachstumsschmerzen
Im Laufe der Jahre hat sich der Congress immer wieder vergrößert. Das gemütliche Hackertreffen mit wenigen hundert Teilnehmern ist inzwischen zu einer Großveranstalung mit 15.000 Menschen gewachsen, und es könnten noch viel mehr sein, wenn man sie denn ließe. Der Kampf um Tickets und freie Hotelzimmer nimmt immer absurdere Züge an. Seit sich herumgesprochen hat, dass die freiwilligen Helfer ab einer bestimmten Stundenzahl nicht nur ein Gratis-T-Shirt, sondern auf Vorkaufsrechte auf die nächsten Congresstickets bekommen, melden sich tausende als "Engel" an und prügeln sich förmlich um die freien Schichten. Einige tragen sich ein, tauchen aber nie auf, so dass scheinbar gut besetzte Teams nicht arbeiten können, weil zu wenig Leute da sind. Andere hingegen wollen arbeiten, können es aber wegen des vollen Besetzungsplans nicht und bleiben unterhalb des absurd hohen Stundenlimits. Der ansonsten so nichtkapitalistische Congress mutet an dieser Stelle an wie im frühindustrieellen Zeitalter, in dem wenige Fabrikbesitzer ihren Arbeitern praktisch alles zumuten konnten, weil sie am längeren Hebel saßen.
Wachstumsfreuden
Das sind unschöne Auswüchse, und ich bin sicher, der Club wird wieder einmal eine Lösung finden. Insgesamt nämlich kommt der Congress mit seinem Wachstum gut klar. Vor dem Umzug nach Leipzig gab es viele Bedenken: Wie ist es, in Messehallen Vortragssäle aufzubauen? Kann ein Hackcenter in solchen riesigen Räumen seine Gemütlichkeit behalten? Wenig überraschend können mobile Tribünen niemals den Komfort der perfekt ausgestatteten Säle 1 und 2 des CCH erreichen. Auf der anderen Seite haben ich auch schon sehr viel schlechtere Aufbauten erlebt. Was schon etwas mehr nervte, waren die langen Schlangen, die sich vor den Sälen bildeten und der Tatsache geschuldet waren, dass eine Messehalle einfach nicht dafür ausgelegt ist, auf einen Schlag 3.000 Menschen hinauszulassen, während gleichzeitig die gleiche Zahl hinein möchte. Ich fürchte, hiermit werden wir einfach zu leben lernen müssen. Was wirklich phantastisch funktionierte, war das Hackcenter. Wenn man nach oben viel Platz hat, baut man eben auch höher, und das nutzten gleich mehrere Assemblies.
Wie jedes Mal, wenn der Congress in ein wenigstens für den Moment noch zu großes Veranstaltungszentrum umzog, ergaben sich lange Laufwege, und einige Räume lagen etwas ab vom Schuss. Das galt insbesondere für den Raum "Freedom & Rights", den man leicht übersehen konnte. Auch das sehe ich nur als temporären Effekt. Sollte der Congress weiter wachsen, wird es auch auf den Gängen mehr Stände geben, so dass man beim Herumstreunen automatisch überall einmal vorbeikommen wird.
Auf die langen Wege reagierten die Hacker auf gewohnt verspielte Weise. Angefangen bei Hoverboards über die verschiedensten Tretrollermodelle bis hin zu, tja, Dingen mit Rädern, die sich irgendwie bewegten, gab es zahlreiche Fortbewegungsmittel, die beim Bewältigen der großen Distanzen halfen. Das funktionierte in der Auf- und Abbauphase hervorragend, während des Getümmels der eigentlichen Congresstage zumindest so gut, dass man vielleicht nicht unbedingt schnell, aber wenigstens mit Spaß vorankam. Im nächsten Jahr, vermute ich, wird es noch mehr Roller geben.
Angriff der Profilneurotiker
Der Congress wächst und hat zwischenzeitlich eine Größe erreicht, die neben den Hardcode-Nerds auch die Gruppe der ganz schlicht Bescheuerten erreicht, die schon immer einmal ihre Profilneurose auf Kosten Anderer ausleben wollten. Wir hatten diese Typen in der Piratenpartei erlebt, und nachdem sie die schön kaputt gekriegt haben, ist jetzt der CCC dran. Auf dem 29C3 hatten wir schon die ersten Anzeichen gesehen, als eine Horde Schreihälse mit Creeper-Cards um sich warf und ihre Artikulationsunfähigkeit dem Congress anlasteten, der ihrer Überzeugung nach unbedingt einen Code of Conduct haben müsste. Das funktionierte nur mäßig. Es ging um abstrakte Vorwürfe, es sei zwar nichts passiert, aber sollte dann doch einmal etwas passieren, gebe es keine angemessenen Möglichkeiten, dem zu begegnen.
Hin und Her beim Hausverbot
Diesmal war die Lage anders. Es gab ein Opfer, wenngleich auch nicht klar war, wer es war, es gab einen Täter, wenngleich auch nicht klar war, wer es war und es gab einen tätlichen Angriff, wenngleich auch nicht klar war, was genau passiert war. Statt dessen gab es eine wahre Flut von Tweets, die dem Medium geschuldet relativ diffus blieben. Was genau passiert war, stellte sich erst in den folgenden Tagen heraus, und streng genommen gibt es bis jetzt vielleicht einen Bericht, der sich wenigstens um Objektivität bemüht.
Die Kurzfassung: Vor einigen Monaten wurde eine Frau tätlich angegriffen, die danach ärztlich behandelt werden musste und gegen den mutmaßlichen Täter Anzeige erstattete. Als sie erfuhr, dass der mutmaßliche Täter zum Congress kommen wollte, bat sie die Veranstalter, ihm Hausverbot zu erteilen. Nach einigem Hin und Her, bei dem erst der Mann, dann die Frau, dann beide und schließlich niemand ausgeladen wurden, entschied sich die Frau, trotz aller Bedenken den Congress zu besuchen und begleitete ihre Entscheidung mit der eingangs geschilderten Twitter-Litanei.
Die Schreihals-Fraktion war entzückt. Endlich hatte sie den Beweis, dass eine überwiegend von weißen Männern besuchte Veranstaltung nichts Anderes sein kann, als eine Rund-um-die-Uhr-Vergewaltigunsorgie. Eifrig wurden weitere Beweise gesammelt: Nur knapp ein Viertel der Vorträge wurde von Personen mit weiblichem Vornamen gehalten. Sexismus! Alle Vortragseinreichungen, die sich mit sexualisierter Gewalt beschäftigten, waren abgelehnt worden. Sexismus! Und, Skandal über Skandal, auf der Unisex-Toilette waren Männer gesichtet worden, die bei offener Klotür gepinkelt haben.
Tja, wie soll ich's sagen: Ich habe ohnehin nicht verstanden, was Leute so erstrebenswert daran finden, dass Männer, Frauen und wasweißich gemeinsam ein Klo benutzen. Dass Männer auf Toiletten bisweilen zivilisatorische Defizite aufweisen, ist jetzt nichts wahnsinnig Neues. Toll ist das nicht, aber wer sich daran stört, hat zumindest als Frau eine relativ leichte Möglichkeit, dem zu begegnen: einfach eine Frauentoilette benutzen.
Was die angeblich wegen ihres Themas abgelehnten Vorträge angeht: Ich habe die Einreichungen nicht gesehen, aber vielleicht waren die einfach Mist. Das Programmteam entscheidet nach Qualität und nicht nach Empörungsfaktor.
Was den geringen Anteil mutmaßlicher Frauen unter den Vortragenden angeht: Eine Quote, ist es das, was ihr wollt? Wollt Ihr Verhältnisse wie bei den Grünen, bei denen
Katrin Göring-Eckardt allein deshalb gewählt war, weil die Quote gar kein anderes Ergebnis zuließ? Wollt ihr, dass ein Vortrag nicht mehr deswegen angenommen wird, weil er etwas taugt, sondern weil die Referentin bei der Einreichung das von euch als gewünscht angeordnete Geschlecht angegeben hat?
Mangelhaftes Krisenmanagement
Was den eigentlichen Vorwurf angeht, sieht man deutlich, dass hier das Krisenmanagement des CCC nicht funktioniert hat. Man hätte wissen können, dass Medien nach nichts mehr lechzen als nach Skandalen, und was eignet sich besser als die bisher makellos dastehenden Hacker vom CCC? Hinter der in buntem LED-Licht blinkenden Fassade muss doch irgendwo ein finsterer Abgrund gähnen, und siehe da: Endlich haben sie was gefunden. Ebenso hätte klar sein müssen, dass die Schreihals-Fraktion seit 5 Jahren nach einer Möglichkeit sucht, in der Hackerwelt nicht nur einfach Gast zu sein, sondern Macht ausüben zu können. Der Sexismusvorwurf an den Club ist nicht neu, und genau aus diesem Grund hätte man hier schnell und konsistent reagieren müssen. Hier fehlten offenbar klare Entscheidungsprozesse und Kommunikationskanäle - bei einer dezentralen, komplett auf Ehrenamtlichen basierenden Organisation ist das auch kein Wunder. Als Ergebnis stand der CCC tagelang unter medialem Dauerfeuer, und außer einigen Zeitungsinterviews, in denen auf die Vorwürfe reagiert wurde, gab es bislang nichts. Keine Presseerklärung. Keinen Artikel auf den CCC-Seiten, der den Vorgang aus Sicht des Clubs schildert. Natürlich kann man so etwas nach bester Kohl-Manier aussitzen, aber ein aktiverer Umgang hätte den CCC aus einer in meinen Augen unnötigen Verteidigungsposition gebracht.
Auf jeden Fall haben die Schreihälse das erreicht, was sie erreichen wollten: Der Code of Conduct ist wieder auf der Tagesordnung, und ich vermute, es kommt dabei ein ähnlich wirres Konvolut aus Weltverbesserungsideologie und Regulierungswahn heraus wie bei den
Cryptoparty-Leuten.
Wenn man überall Nazis sehen will, sieht man überall Nazis
Die Nerdszene hat seit jeher einen gewissen Anteil an aufmerksamkeitssüchtigen Wichtigtuern. Das stört so lange nicht, wie der realtive Anteil nicht eine absolute Schwelle überschreitet und man sie einfach nicht mehr ignorieren kann. Genau das passiert seit einigen Jahren auf dem Congress. Die Einen wittern hinter jeder Stellwand Vergewaltiger, die Anderen Nazis. Und darüber muss natürlich die Welt informiert werden. Laut.
Schon am ersten Tag kursierten Fotos von Aufklebern der Identitären Bewegung, die an verschiedenen Stellen des Geländes auftauchten. Damit war natürlich der Beweis erbracht: Nazis haben den Congress unterwandert! Alarm! Leistet Widerstand! Keinen Fußbreit den braunen Hord*innen!
Für diejenigen, denen der Begriff des Trolls offenbar unbekannt ist: Genau so funktioniert das Spiel. Ich suche mir ein Stöckchen, von dem ich weiß, dass meine Zielgruppe unter Garantie darüber springt, halte es hin und - schaue amüsiert zu, wie zuverlässig sich einige Leute triggern lassen. Oder, deutlicher: Ein Nazi-Aufkleber ist noch kein Nazi. Ich brauche nur ein paar Minuten, um an einigen zentralen Stellen Aufkleber abzuladen, die ich mir in der Woche vorher beim AfD-Stand abgeholt habe, und schon gibt sich die Aufregeria der Lächerlichkeit preis.
Besonders absurde Züge nahm der Verfolgungswahn an, als Aufkleber auftauchten, die gelbe Schneeflocken zeigten. Gelbe Schneeflocken haben mit Nazis jetzt genau wie viel gemein? Nichts? Für nüchterne Betrachter ja, nicht aber für die Aufmerksamkeitsjunkies, die in den seit Jahrzehnten verwendeten Ziersternen prompt die Judensterne des Nationalsozialismus erblickten. Klar. Sind ja gelb. Und haben sechs Zacken. Voll Nazi. Damit markieren die nämlich die Linken, die sie auf dem Congress getroffen haben.
Leute, wenn ihr anfangt, ernsthaft solche Konstrukte zu glauben: Es gibt Ärzte, sehr gute Ärzte. Gebt euch nicht auf. Bescheuertheit kann man heilen. Zugegeben, bei euch könnte es etwas schwieriger werden, aber ihr müsst es versuchen. Was bitte soll an euch so interessant sein, dass irgendein Nazi Interesse daran hat, euch zu markieren? Was soll so eine Markierung bringen? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass irgendjemand es lustig fand, in der Nachweihnachtszeit etwas Dekomaterial zu verkleben? Es mag schwer für euer Ego sein, aber ihr seid ganz bestimmt nicht so wichtig, dass es irgendeinen Sinn ergäbe, euch zu markieren.
Ach ja, und wenn jemand die auf den Toiletten aufgehängten, laminierten Schilder mit einem Edding bekritzelt, sympathisiert er damit noch lange nicht mit Vergewaltigern. Kommt mal wieder runter.
Fotophobie
Doch die Sucht, sich öffentlichkeitswirksam zum Opfer zu stilisieren, ist mächtig und auch unter Congressbesuchern verbreitet. Wenn gerade keine Nazis zu finden sind, gegen deren Angriffe man sich heldenhaft zur Wehr setzt, dann greift man eben zum Mittel, das seit drei Jahrzehnten gut funktioniert: die Fotopolicy.
Vereinfacht gesprochen herrscht seit jeher auf dem Congress die Regel, dass keine Fotos von Menschen angefertigt werden dürfen, es sei denn, alle Abgebildeten haben dem ausdrücklich zugestimmt. In der Anfangszeit im Eidelstedter Bürgerhaus mag das auch noch bei einer Handvoll Besuchern umsetzbar gewesen sein, aber im Jahr 2017 bei 15.000 Besuchern, von denen jeder eine Kamera im Laptop, eine weitere im Smartphone und vielleicht noch eine dritte im Tablet hat, wird diese Regel immer mehr zum frommen Wunsch. Ja, es gibt wunderschöne Beispielfotos, auf denen nur Nahaufnahmen einzelner Ausstellungsstücke zu sehen sind, aber was ist, wenn ich eine Totale des Hackcenters aufnehmen möchte, mit allen bunten Lichtern darin? Natürlich ist es unmöglich, die vielen hundert, ja vielleicht tausend Menschen, die dort zu sehen sind, um Erlaubnis zu fragen, aber mit Verlaub, ist das überhaupt nötig? Die meisten Gesichter sind nur verschwommene Flecken. Sollte wider Erwarten doch noch eines erkennbar sein, kann ich zur Not mit meiner Bildbearbeitung daran etwas ändern. Jetzt kommen die ganz Schlauen an und argumentieren, nicht nur das Gesicht, sondern auch die Kleidung oder die Aufkleberkombination auf dem Notebookdeckel eigne sich zur Identifizierung, weswegen es sich selbstverständlich verböte, in den Vortragsräumen zu fotografieren und sei es auch nur von hinten Richtung Bühne, so dass vom Publikum nur die Hinterköpfe sichtbar sind. Da könne immer noch ein auffälliges Tatoo auftauchen oder jemand, der zufällig gerade den Kopf gedreht hat. Entsprechend groß war dann auch das Geschrei, als auf Twitter zwei in den Vortragssälen angefertigte Fotos auftauchten, auf denen der Empöreria zufolge vielhundertfach das Recht auf Bild verletzt wurde. Unterhalb der Forderung nach Hausverboten wurde da gar nicht erst angefangen. Wenn man schon nicht den Mumm hätte, Vergewaltiger vor die Tür zu setzen, dann doch wenigstens Fotografen.
Get. A. Life.
Laut Wikipedia befindet ihr euch auf einem der größten Hackevents der Welt, vergleichbar mit der DEFCON. Es mag für einige bedauerlich sein, aber der Congress ist nicht mehr der kuschlige Nerdtreff, der er vor dreißig Jahren noch war. Ihr könnt nicht auf der einen Seite Relevanz und gesellschaftliche Beachtung einfordern und euch auf der anderen Seite wie auf einem Verschwörertreff verschanzen. Wir haben jahrzehntelang gekämpft, um nicht mehr als durchgeknallte Terrororganisation wahrgenommen zu werden, sondern als eine Strömung, welche die Welt technisch und sozial voranbringt. Der Preis dafür ist nun einmal, dass die Welt uns auch besuchen kommt. Wenn ihr es lieber heimelig und gemütlich mögt, geht zum Easterhegg, dem Hackover, der MRMCD oder irgendeiner der vielen schon fast familiären Veranstaltungen der Chaosfamilie. Und vor allem: Wenn ihr euch auf einem irgendwo im Netz veröffentlichten Foto ungewollt wiederfindet, dann postet den Link. Nicht. Auf. Twitter. Schreibt den Rechteinhaber direkt an. Freundlich. Zeigt Verständnis dafür, dass er möglicherweise die Regeln ungewollt gebrochen hat. Kann ja passieren. Aber einem weltweiten Publikum mit theatralischer Geste genau das Bild zu präsentieren, dessen Verbreitung man unter allen Umständen unterbunden wissen möchte, ist - bei wohlwollender Auslegung - unfassbar dumm. Bei weniger wohlwollender Auslegung schleichen sich ernsthafte Zweifel ein, ob es der betroffenen Person wirklich darum geht, das Foto zu entfernen oder sie nicht vielmehr in die Welt hinausschreien möchte: "Schaut her, wie berühmt und wichtig ich bin! Ich war auf dem Congress und wurde fotografiert. Ich. Voll 1337 H4><0r einself.="" p="">
Vorwärts immer, rückwärts vielleicht auch
Mit einem gewissen Anteil an Idioten wird der Congress wohl leben müssen. Das wird seiner Beliebtheit aber wohl nicht schaden. Die Tickets waren auch dieses Mal wieder in Rekordzeit ausverkauft, und es wäre wohl keine Schwierigkeit, statt 15.000 auch 20.000 Tickets zu verkaufen, wahrscheinlich auch mehr. Warum erhöht die Congress-Organsiation also nicht einfach die Zahl? Laut Wikipedia passen bis zu 30.000 Menschen ins Gebäude. OK, zieht man eine Halle als Materiallager und eine als Schlafsaal ab, bleibt eigentlich nur noch die Glashalle, in der noch jede Menge Platz herrscht, aber das heißt auf jeden Fall, dass die Kapazität des Geländes noch lange nicht ausgereizt ist. Was also hindert den Congress am Expandieren?
Angeblich ist es ein Mitgliederbeschluss, der besagt, dass der Club nach Ende der Umbaumaßnahmen wieder zurück ins CCH will, und da ist eigentlich schon bei 12.000 Leuten Schluss. Nach dem Umbau wird die Grenze vielleicht etwas höher liegen, aber sie ist jedenfalls deutlich unterhalb des herrschenden Bedarfs.
Ehrlich gesagt halte ich den angeblichen Beschluss für vorgeschoben. Erstens hat mir noch niemand sagen können, wann dieser Beschluss gefällt wurde und zweitens werden solche Beschlüsse nicht für die Ewigkeit gefällt. Es ist bereits jetzt sichtbar, dass selbst die Leipziger Messe dem Congress bei seiner jetzigen Wachstumsgeschwindigkeit bald zu klein ist. Eine Rückkehr ins CCH ist ähnlich absurd wie eine Rückkehr ins BCC am Alexanderplatz. Für mich klingen solche Forderungen vor allem nach dem Traum des erlesenen Treffs der absoluten Hackerelite, an dem nur die Besten der Besten der Besten SIR! mit Auszeichnung! teilnehmen und sich vom Rest der Welt bewundern lassen dürfen, was für tolle Hechte sie doch sind. Ich beobachte solche Klügeleien im Club schon seit langer Zeit und finde, dass ihnen schon genug Platz eingeräumt wird. Der Congress als die eine Veranstaltung im Jahr, in dem der CCC sich einmal weltweit einem Massenpublikum öffnet, sollte nicht zur Selbstbeweihräucherungsmesse einer Mauschelrunde verkommen. Wenn der Congress wachsen will, soll er es. Wenn er dabei seinen Charakter ändert, kann man vielleicht versuchen, es in gewisse Bahnen zu lenken, aber wirklich kontrollieren kann man es nicht. Ich jedenfalls verfolge das Wachstum mit Interesse und bin gespannt, wohin die Reise geht.0r>