Sonntag, 25. Dezember 2016

Die Mär von der mutigen Überwachungskamera

Ein NDR-Kommentator brachte es auf den Punkt: Wir können nicht Weihnachtsmärkte in Festungen verwandeln. Es gibt einfach zu viele, als dass man sie schützen könnte, sie müssen beliefert werden, weswegen die hastig angekarrten Betonpoller nur bedingt hilfreich sind, und selbst wenn sie hülfen: Wenn die Weihnachtsmärkte abgebaut sind, bleiben die Fußgängerzonen und Strandpromenaden. Let's face it: Wer mit einem LKW in eine Menschenmenge hineinfahren will, wird das auch künftig können. Es gibt keinen Schutz.

Das will der obrigkeitsverliebte Deutsche natürlich nicht hören. Der Staat soll mich gefälligst schützen, wozu zahle ich schließlich Steuern?

Ja, wie soll denn dieser Schutz bitteschön aussehen?

Was weiß ich, Kameras meinetwegen. Geanau, Überwachtungskameras, davon brauchen wir unbedingt mehr.

Warum?

Keine Ahnung. Vielleicht, weil vor der Gedächtniskirche keine hingen, aber wenn da welche gehangen hätten, dann wären die aber dazwischengegangen, und wie! Da hätte der Kerl mit seinem LKW keinen einzigen Menschen umfahren können!

Äh, nein.

Mag sein, aber abgeschreckt hätten diese Kameras. Der hätte sich mit seinem entführten LKW niemals getraut, die Leute zu töten!

Äh, doch.

Na gut, aber wenn er dann die Tat begangen hat, kann man ihn viel schneller identifizieren und auffinden!

Sie haben seinen Ausweis in der Fahrerkabine gefunden. Ganz ohne Kameras.

OK, aber als Steuerzahler habe ich ein Recht auf ordentliche Anschlagsvideos, nicht so ein verwaschenes Zeug wie bisher. Mein Fernseher kann 1080p, da ist es wohl nicht zu viel verlangt, wenn ich in full HD sehen kann, wie die Leute umgefahren werden. Am besten live. Aus drei verschiedenen Perspektiven.

Vielleicht geht es wirklich darum.

Update:

Seit einigen Tagen kursiert ein Video, das zeigt, wie ein Zweijähriger seinen unter einer umgestürzten Kommode Bruder rettet. Die sich spontan stellende Frage lautet: Wieso existiert dieses Video überhaupt? Haben die Eltern jeden Realtitätsbezug verloren und ihr in Lebensgefahr schwebendes Kind gefilmt, statt ihm zu helfen? In gewisser Weise ja. Das Video stammt von der "Sicherheitskamera" im Kinderzimmer - die ganz offenkundig nicht für Sicherheit gesorgt hat. Weder hat sie verhindert, dass die Kommode umkippte, noch hat sie das Kind unter der Kommode hervorgezogen. Das Einzige, was sie schaffte, ist ein Video aufzunehmen, das man jetzt auf Youtube bestaunen kann, um den Voyeurismus der Massen zu befriedigen und sich seine Viertelstunde Berühmtheit zu verschaffen.

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