Donnerstag, 28. November 2013

Grünes Demokratieunverständnis

Offenbar herrscht auch bei den Grünen die Auffassung, man müsse eine möglichst idiotische Behauptung nur lange genug wiederholen, damit sie irgendwann wahr wird. Diesmal ist es die fixe Idee, freie und demokratische Wahlen seien Firlefanz und sollten durch Proklamation ersetzt werden.

Ganz so dämlich sagen sie es natürlich nicht, sie schreiben es etwas anders: "Keine Stimme verschenken: Wer Linkspartei oder Piraten wählt, wacht mit Bouffier auf" Lässt man das peinliche Detail weg, dass genau die Partei, die hier so groß herumtönt, sich gerade in Koalitionsverhandlungen mit genau der Partei befindet, die sie hier noch verhindern zu wollen vorgibt, offenbaren Sätze wie diese eine äußerst bedenkliche Vorstellung, wie Demokratie funktionieren sollte und sind bei den Grünen leider kein Einzelfall. Die Argumentation ist etwa diese: Wer eine Partei wählt, die entweder Gefahr läuft, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern oder an einer möglichen Koalition zur Ablösung der gegnerischen Regierung nicht teilnimmt, verhilft gerade dieser Regierung zur Macht. Das ist nicht einmal rechnerisch wahr, denn es hieße, dass ein Wahlergebnis schon vor der Wahl feststeht und dass man ein Ereignis, das ohnehin eintreten wird, verändern kann, indem man ein anderes Ereignis, dass dazu geführt hätte, verändert. Der letzte Satz war vollkommener Quatsch und ergibt nicht einmal ansatzweise Sinn? Willkommen bei dem, was Grüne unter Denken verstehen.

Erstens: Wahlprognosen haben die Neigung, sich selbst zu erfüllen. Gerade bei den Wahlergebnissen der Piraten sieht man das sehr gut. Wer befürchten muss, dass seine Partei es nicht ins Parlament schafft, wird wahrscheinlich lieber eine andere Partei mit größeren Chancen wählen. Immerhin will man seine Stimme ja nicht "verschenken". Umgekehrt kommen die versteckten Symphatisantinnen einer Partei dann herbeigelaufen, wenn der Einzug ins Parlament gesichert scheint.

Zweitens: Was meint ihr IQ-befreiten Basisdemokratinnen eigentlich, wofür Eure Vorfahren lang und blutig das allgemeine Wahlrecht erstritten haben? Geht es vielleicht in eure Ökorüben, dass eine Piraten- oder Linksparteiwählerin gar nicht primär das Ziel hat, irgendwen abzuwählen, sondern eine neue Politik herbeizuwählen? Vielleicht wollen die weder einen Schäfer-Gümbel, noch einen Bouffier, sondern ein starkes Gegengewicht zu beiden. Oder, um es mit Begriffen eurer Soziosphäre zu beschreiben: Wenn ihr im Bioladen total dufte ölologisch angebaute Äpfel kaufen wollt, geht ihr auch nicht zum Discounter und kauft dort in Kinderarbeit angebautes Gammelfleisch, nur weil es billiger ist. Oder etwa doch?

Strategisches Wählen nach der Idee "Meine Partei ist ohnehin zu klein, also wähle ich lieber das kleinere Übel" ist nicht etwa schlau, sondern stellt die ganze Idee einer Wahl auf den Kopf. Ziel ist doch, herauszufinden, was die Leute am liebsten wollen, nicht, was sie zur Not akzeptieren. Ziel ist nicht, blind mit der Masse zu rennen, sondern seine ehrliche Meinung zu sagen - auf die Gefahr hin, in der Minderheit zu sein. Strategisches Wählen zementiert vor allem die bestehenden Verhältnisse, und möglicherweise ist dies das Einzige, worauf es den Grünen ankommt: die eigenen Pfründe sichern, Konkurrenz verhindern und Machtoptionen erhalten - im Zweifelsfall auch mit dem angeblichen politischen Gegner.

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