Donnerstag, 2. September 2010

Twittagessen bei O'Reilly

Zu Werbung habe ich offen gesagt ein zwiespältiges Verhältnis. Auf der einen Seite muss Werbung offenbar sein, um Produkte zu bewerben, auf der anderen Seite kann Werbung ungeheuer nerven. Es gibt allerdings auch noch die dritte Möglichkeit: perfekt auf die Zielgruppe ausgerichtete Werbung. Hier sind beide Seiten glücklich: Die Werber vermitteln ihre Botschaft, die Beworbenen fühlen sich informiert. Als schönes Beispiel, wie so etwas aussehen kann, beschreibe ich hier das "Twittagessen" des O'Reilly-Verlags.

Für alle, die entweder nur sporadisch mit Computern zu tun oder es als IT-Profis unbegreiflicherweise geschafft haben, die letzten 15 Jahre ohne Bücher zu verbringen: O'Reilly ist nicht ein Fachbuchverlag der Computerbranche, es ist der Fachbuchverlag. Es mag vielleicht noch einen oder zwei Verlage geben, die derart viele Standardwerke herausgebracht haben und so lange im Geschäft sind, aber O'Reilly hat es geschafft, dass unsereins beim Wort "Perl" an Kamele und bei "Sendmail" an Fledermäuse denkt. Die meisten von uns können mit einer Anekdote aufwarten, in der es darum ging, ohne nennenswertes Vorwissen
einen Server aufzusetzen oder eine Programmieraufgabe zu lösen. Die Geschichte verläuft dabei immer ähnlich: Am Anfang hat man nicht viel mehr als keine Ahnung, einen sportlich gesetzten Abgabetermin und das O'Reilly-Standardwerk zum Thema auf dem Schreibtisch, am Ende den fertig aufgesetzten Server und das dankbare Gefühl, dass dieses Buch einem das Leben gerettet hat. Manch ein EDV-Fossil denkt an die alten Tage des Data-Becker-Verlags zurück, als man dort vor allem nüchtern gestaltete und bezahlbare Bücher herausgab, bei deren Lektüre man sich dachte: "Gut, dass jemand das alles einmal vernünftig zusammengeschrieben hat."

Manchmal ist weniger mehr, und bei O'Reilly hat man diese Binsenweisheit sehr gut begriffen. Das fängt an bei den größtenteils einfach und doch elegant gestalteten Büchern, geht weiter über die in einer ehemaligen Lagerhalle untergebrachten Verlagsräume, die den Pioniercharme des IT-Booms Ende der Neunziger bewahrt haben, bis hin zum Twittagessen, bei dem man eben keinen Massenauflauf veranstaltet, sondern per Los 15 Gäste einlädt, kein übertriebenes Buffet auffährt, sondern vom Pizzadienst leckre Pizza liefern lässt und auch keine protzigen Präsentationen an die Wand projiziert, sondern die am Buch Beteiligten ein paar Worte erzählen lässt und ansonsten Wert auf ein zwangloses Schwätzchen legt. Ein Höhepunkt für echte Fans ist dabei der Besuch im Besprechungsraum, in dessen Wandregalen ein Belegexemplar jeder Auflage jedes jemals bei O'Reilly erschienenen Titels steht. Das sieht nicht nur gut aus, verdeutlicht vor allem, worüber dieser Verlag schon geschrieben hat und was mal alles wissen könnte, wenn man die Zeit dazu fände.

Zweck der Veranstaltung war es, das "Social Media Marketing Buch" zu bewerben - zugegebenermaßen der wahrscheinlich letzte Titel, den ich mir jemals gekauft hätte, weil mich als Techniker das Thema "Marketing" nur am Rande interessiert und weil ich mir kaum vorstellen kann, was man über Xing, Facebook und Irgendwas-VZ großartig schreiben will. Nachdem ich aber zum Abschied ein kostenloses Exemplar überreicht bekommen habe, werde ich es natürlich lesen und auch ein paar Zeilen darüber schreiben.

Nebenher gab es auch einige interessante Details zu hören. So hatte die Übersetzerin des Social-Media-Marketing-Buchs mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass es auf dem US-amerikanischen Markt Portale gibt, die in Deutschland kaum jemand kennt, weswegen sie ganze Passagen für den deutschen Markt neu recherchieren und neu schreiben musste. Lustig ist auch, was sich die Umschlaggestalterin des Buchs über sed und awk bei der Auswahl des obligatorischen Wappentiers gedacht hat, nämlich: nichts. Sie hatte nicht verstanden, worum es in dem Buch ging und wollte allenfalls ihre Verwirrung ausdrücken.

Zurückhaltend, effizient, symphatisch und professionell - schön, dass Werbung auch so sein kann. Buchbesprechung folgt.

1 Kommentar:

Obama Bin Laden hat gesagt…

Beschimpfen könnt Ihr Euch auch bei mir lassen..
Da könnt ihr sogar zurückschimpfen, wenn ihr Euch traut.