Vergesst Argumente, die braucht ihr nicht. Wenn ihr eine Diskussion mit drei Worten beenden wollt, sagt:
alte, weiße Männer.
Das reicht. Alte, weiße Männer sind das personifizierte Böse. Sie vereinen alle negativen Attribute, die wir einst auf mehrere Gruppen verteilen mussten, wie Ausländer, Flüchtlinge, Dunkelhäutige, die Illuminaten, die Nazis, Bilderberger und die jüdisch-zionistische Weltrevolution. Sie sind böse, hinterhältig, sexistisch, rassistisch, egostisch, aggressiv, habgierig, abelistisch und vor allem interessieren sie sich nicht für die Zukunft. Begründet wird dies damit, das alle, ich wiederhole: ALLE alten, weißen Männer unfassbar privilegiert sind, dass sie alle, ich wiederhole: ALLE in Luxus und Wohlstand leben und dass sie keine Schwierigkeiten mit Fehlentscheidungen haben, deren Konsequenzen erst nach ihrem baldigen Tod eintreten werden. Woher dieses Wissen kommt? Also bitteschön, das weiß man doch. Der Mohr spielt guten Jazz, die Südamerikanerinnen sind alle temperamentvoll, die Japaner beherrschen alle eine Kampfsportart, der Iwan trinkt Wodka, der Franzose Rotwein, und dem weißen Mann geht's viel zu gut. Muss man wissen.
Allein schon die These, alte Menschen interessierten sich nicht für Ereignisse nach ihrem Tod, dürfte sich empirisch schwer belegen lassen. Natürlich hat eine in voller Wucht erst in 30 Jahren wirkende Klimakatastrophe für Fünfzigjährige kaum persönliche Konsequenzen, wohl aber für deren Kinder und Enkelkinder, und ich kenne persönlich nur wenig Menschen, die sagen, es sei ihnen egal, woran ihre Kinder oder Enkel verrecken.
Natürlich ist das kein Beweis. Es sind Anekdoten. Ich kenne auch reichlich weiße, alte Männer, denen es OKAY geht, im Sinne von: Sie können ihre Kredite bedienen, den Unterhalt für ihre geschiedene Frau bezahlen, die Miete für ihre etwas heruntergekommene Zwei-Zimmer-Wohnung aufbringen, und da die Preise bei Lidl in Ordnung sind, müssen sie keinen Hunger leiden, ja, es reicht sogar im Sommer für einen Campingurlaub mit den Kindern. Was an diesem Leben so wahnsinnig privilegiert sein soll, habe ich zwar noch nicht verstanden, wohl aber, dass es viele Menschen gibt, denen es schlechter geht, weswegen alles, was diese verwöhnten Pfeffersäcke meinen, fühlen und sagen, per se BÖSE und FALSCH ist. Das liegt daran, dass sie vor lauter Privilegien gar nicht das Elend der Anderen sehen. Sehen können. So sehr versperren ihnen die Privilegien die Sicht. Aber auch das sind nur Anekdoten.
Interessant finde ich, wie bereitwillig das Narrativ vom ultimativ bösen alten, weißen Mann von gerade jener Gruppe aufgegriffen wurde, die sich ansonsten lautstark im Anprangern von Vorurteilen überbietet. Einen Menschen anhand von Kriterien zu beurteilen, auf die er keinen Einfluss hat - undenkbar. Nur nicht in diesem Fall. Allein schon das Verbrechen, sich eindeutig als Mann zu identifizieren und nicht wenigstens ein itze-klitze-kleines bisschen transgender zu sein. Die Hautfarbe - na gut, das lassen wir durchgehen, aber warum ist der Kerl nicht Mitte Dreißig von einem Hochhaus gesprungen, um zumindest zu verhindern, alt zu werden? Da sieht man doch mal wieder, wie sehr sich diese weißen, alten Männer an ihre Privilegien klammern.
Besonders tragisch ist, dass diese Gruppe eigentlich das Richtige will: Gleichberechtigung, friedliches Miteinander der Kulturen, Freiheit und nicht zuletzt die Rettung des Ökosystems Erde. Statt sich Verbündete zu suchen, suchen sie in stalinistischer Selbstzerfleischung den Feind in den eigenen Reihen. Es geht ihnen nicht um einen Generationskonflikt, in dem die jüngere Generation versucht, die festgefahrenen Vorstellungen einer älteren aufzubrechen. Es geht ihnen um die pauschale Ablehnung all dessen, was ein bestimmtes Geschlecht einer bestimmten Hautfarbe und eines bestimmten Alters für gut befindet. Sie argumentieren nicht mehr, sie pauschalisieren - und vergraulen damit diejenigen, die eigentlich auf ihrer Seite stehen, aber als Menschen für voll genommen werden wollen. Wie viel Prozent braucht die AfD noch, bis ihr begreift, dass man platte, menschenfeindliche Weltbilder nicht mit platten, menschenfeindlichen Weltbildern bekämpft?
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