Samstag, 9. Dezember 2006

An Bartels Wesen soll die Welt genesen

Die globale Erwärmung ist schlimm, weil die Meeresspiegel steigen und wir das Düsseldorfer Altstadtfest bald nur noch mit amtlichem Freischwimmerausweis besuchen dürfen? Schnickschnack, wir haben einfach noch nicht erfasst, welche immensen Vorteile uns das Abschmelzen der Polkappen bietet: Keine teure Winterkleidung mehr, in Ermangelung der Niederlande keine niederländische Nationalelf als potenzieller EM-Gegner, kein teurer Urlaub an der Nordsee mehr, sondern kombiniertes Baden und Wandern an den Bayerischen Fjorden.

AIDS-Epidemien? Falsche Betrachtungsweise, Humanrecycling mit dem angenehmen Nebeneffekt, zehnjährige AIDS-Waisen in der Dritten W... in den wirtschaftlich herausgeforderten Ländern zu mehr Selbständigkeit zu ermuntern. China eine Betondiktatur, die Regimekritiker zu Tode foltert? Nein, eine engagierte Regierung, welche sich mit innovativen pädagogischen Mitteln bemüht, selbst die kleinste Unzufriedenheit im Land zu beseitigen.

So oder ähnlich argumentiert der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Hans-Peter Bartels. Ihm geht es um die im Land weit verbreitete Politikverdrossenheit, und er hat auch erkannt, woran es liegt: Die Regierung versenkt nicht Milliardenbeträge in unsinnige Prestigeobjekte oder die eigene Tasche - nein! Die Sozialleistungen werden auch nicht bis zur Unkenntlichkeit zusammengestrichen, das Gesundheitssystem nicht zu einem Luxusgut für Spitzenverdiener. Das Innenministerium versucht auch nicht, Menschen- und Bürgerrechte auf ein Niveau zu senken, das uns in seliger Erinnerung an den großen Menschenfreund Auguste Pinochet zurückdenken lässt. Alles Unsinn. Die Regierung erledigt einen Spitzenjob. Ehrlich. Läuft alles erstklassig. Richtig super. Wir kleinen Doofis sind einfach nur zu dumm, das zu begreifen.

Auf einmal wird alles klar. Wie konnte ich nur so blind sein? Fünfundzwanzig Prozent Arbeitslose im Osten sind eine tolle Leistung. Das heißt doch, dass drei Viertel der Leute Arbeit haben. Nehmen wir als anderes Beispiel die Ein-Euro-Jobs - bei genauer Betrachtung eine riesige Idee. Was man für einen Euro alles kaufen kann: Eine Kugel Eis zum Beispiel oder einen Drittel Döner. Eine zehntel Pizza oder ein ganzes Brot, natürlich das billige von Penny, bei dem der hinzugefügte Farbstoff wenigstens die optische Illusion von Nährwert vermittelt - nicht, dass Sie gleich übermütig werden. Richtig schlemmen kann man da nach getaner Arbeit - falls man nicht mit dem Bus gefahren, sondern zu Fuß gegangen ist.

Wenn in der ehemaligen Ostzone die Hälfte der Leute nicht wählen geht und die Verbleibenden zu zehn Prozent die Nazis wählen, dann haben die nicht etwa eine Stinkwut auf die Faulpelze in den Landeshäusern, die sich im Wochentakt neue Methoden ausdenken, wie sie den Leuten noch mehr Geld aus dem Kreuz leiern, um sich endlich mal wieder eine schicke Diätenerhöhung gönnen zu können - nein, dann sind die schlicht und einfach zu doof, zu merken, dass bei richtiger Betrachtung jeder einzelne abgeluchste Euro, jeder verlorene Arbeitsplatz, jeder aus Geldmangel verfaulte Zahn ein Gottesgeschenk ist.

Das mag nun dem durchschnittlich ungebildeten Hirn nicht unmittelbar einleuchten, und genau aus diesem Grund verlangt der Herr Abgeordnete ein, wie hieß das doch gleich? Ein Institut für die Didaktik der Demokratie. Kostet bestimmt fast gar nichts und ist mit Sicherheit keine verkappte Möglichkeit, ein paar gescheiterte Soziologen und Politikwissenschaftler von der Straße zu holen, damit sie dem Volk endlich mal sagen, wo's langgeht.

Bevor jetzt wieder einer fragt, ob das überhaupt funktioniert oder nur ansatzweise Sinn ergibt: Natürlich ist das sinnvoll. Hatten wir schon mal, hat prima funktioniert. Geleitet vom Edelsten, was unsere Akademien seinerzeit hergaben. Nannte sich Reichspropagandaministerium.