Mittwoch, 23. Juni 2010

Leseempfehlung: Akif Sahin

"Akif, du bist zwar Türke und Moslem, aber niemals ein Terrorist." Akif grinst: "Na, endlich begreift es mal jemand." - "Genau. Um deine Plauze kriegst du nie im Leben einen Sprengstoffgürtel geschnallt." So einfach beleidigt man Leute.

Der etwas ernstere Hintergrund ist, dass ich Akif tatsächlich nichts Böses zutraue, was über das Ansehen illegaler Filmkopien bei kino.to nennenswert hinausgeht. Er steht für das, was ich mir unter einem guten Mitbürger vorstelle und ist, auch wenn er das nicht gern hört, perfekt integriert. Er spricht ein breites Hamburgerisch, auf das selbst Dieter Bohlen neidisch wäre, er lacht über ganz ähnlichen Blödsinn wie ich, er sagt jedem, der es hören will und auch gern allen Anderen seine Meinung ehrlich ins Gesicht, und auf sein Wort kann man sich verlassen. Deutsche, was wollt ihr mehr?

Er soll Christ werden, das verlangen wir von ihm. Er soll sich endlich vom Terrorismus distanzieren und zur westlich-abendländischen Tradition bekennen. Man muss ja nur in den Q'ran schauen, sagen wir, und man sehe, was er wirklich will: Mord, Betrügerei und Krieg."Aber in den Städten dieser Völker, die dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat", "So erwürget nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Weiber, die Männer erkannt und beigelegen haben", "Rüstet euch zum Krieg wider sie! Wohlauf, laßt uns hinaufziehen, weil es noch hoch Tag ist!" - Oh, hoppla, das waren jetzt Zitate aus der Bibel, der heiligen Schrift der Christen.

Liebe Mitchristen, haben Sie sich heute schon ordentlich distanziert? Wie stehen Sie zu den Morden der IRA, wie zu den Fundamentalchristen, die Abtreibungsärzte ermorden, wie zu den Kreationisten, die sich dafür einsetzen, dass unseren Kindern in den Schulen beigebracht wird, dieser Planet und alles, was darauf lebt, sei vor 6000 Jahren in einem Akt der Urschöpfung entstanden? Was halten Sie davon, dass Ihre Kirche 350 Jahre brauchte, einen Mann zu rehabilitieren, der behauptet hatte, die Erde drehe sich um die Sonne? Wie stehen Sie zum Herumgeeiere Ihrer Kirche beim Umgang mit der Kindervergewaltigung in ihren Kreisen? Ach, das ist auf einmal etwas ganz Anderes.

Idioten, Asoziale und Mistkerle finde ich überall auf der Welt, dazu brauche ich keine Religion. Nicht der Glaube bringt solche Typen hervor, sondern sie suchen sich einen Glauben, den sie missbrauchen können. Meinen Sie im ernsthaft, ein Bombenschmeißer mutiere schlagartig zum Pazifisten, wenn man ihm seine Religion wegnimmt? Keine Bange, wer sich und andere in die Luft sprengen will, findet dafür immer einen Grund.

Wenn ich wissen will, was religiöse Toleranz ist, gehe ich mit Akif und seinen Freunden in eine türkische Kneipe. Vorher sitzen wir ein paar Stunden in den Räumen seines muslimischen Vereins und unterhalten uns. Alle wissen, dass ich praktizierender Christ bin, keiner sieht mich deswegen schief an oder versucht, mich vom Islam zu überzeugen. Kulturelles und religiöses Miteinander  bedeutet, neugierig aufeinander zu sein. Die von meinem Religionsstifter zur Maxime erhobene Nächstenliebe heißt für mich, den Anderen zu akzeptieren und seine Andersartigkeit als Bereicherung zu begreifen. Natürlich hat diese Haltung ihre Grenzen, aber der Islam, wie Akif ihn lebt, liegt deutlich innerhalb.

Es ist ein gern bemühtes Klischee, dass "der Türke" es in diesem Land nie zu mehr als zum Imbissbudenbetreiber und Gemüsehändler bringen wird. Tatsache ist aber, dass in den Bürofluren inzwischen auch reichlich türkische Hochschulabsolventen als Kollegen und Vorgesetzte herumlaufen. Akif ist nicht mehr weit davon entfernt, und sollten Sie einen guten Sysadmin suchen, ist Akif Ihr Mann.

Worauf ich aber die ganze Zeit hinaus wollte: Akif schreibt ein Blog, das Blog eines anatolischen Hanseaten. Er schreibt über alles, was ihm so in den Sinn kommt, mal als Techniker, mal als Muslim und immer als Mensch. Falls Sie Ihre Vorurteile gegenüber Türken und Muslimen pflegen wollen, könnte es hart für Sie werden, weil er sich nicht leicht in Klischees zwängen lässt. Sie müssen nicht immer einer Meinung mit ihm sein, aber seien Sie neugierig.

2 Kommentare:

Hatice hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Publikumsbeschimpfung hat gesagt…

Hier stand vorher ein Kommentar, der auf persönlichen Beleidigungen und unbelegten Vorwürfen basierte. Wegen seiner strafrechtlichen Relevanz habe ich ihn entfernt.