George Bush ist tot.
Eigentlich ist das eine Meldung, die man mit einem Schulterzucken hinnehmen kann. Eine Amtszeit hat er als US-Präsident geschafft, bis er von Bill Clinton abgelöst wurde. Was mich, gelinde gesagt, verstört, ist die postume Heiligenverehrung, welche diesem Mann zuteil wird. George Bush. Das war ein ganz großer. Der nahm sein Amt wenigstens noch ernst und füllte es mit Würde aus.
Meine Güte, Bush war ein erzreaktionärer Knochen. Der hat einen Krieg angezettelt. Meinetwegen kann man sich darüber streiten, ob es wirklich darum ging, Kuwait zu befreien und nicht um billiges Öl. Wir können uns auch darüber streiten, ob es eine kluge Strategie war, über Jahrzehnte einen blutrünstigen Diktator im Irak heranzupäppeln, damit er einen anderen blutrünstigen Diktator im Iran angreift und sich dann zu wundern, wenn er irgendwann die Lust verliert und sich einen anderen Gegner sucht, der nebenbei bemerkt auch nicht gerade für sein humanistisches Weltbild bekannt ist. Wir können uns ebenfalls darüber streiten, wie klug es war, wenn man schon einen Krieg anzettelt, ihn dann nicht wenigstens konsequent durchzuziehen, sondern unmittelbar vor Zerschlagung des Gegners zu sagen, jetzt sei ja alles wieder prima, das widerrechtlich besetzte Land befreit, den Rest zu regeln sei ja wohl eine Kleinigkeit und fröhlich pfeifend davonzuschlendern, während hinter einem sowohl bildlich als auch wörtlich das Land brennt. Das alles zusammen jedoch hinterlässt bei mir jedenfalls nicht den Eindruck, da habe sich einer besonders toll als US-Präsident angestellt. Da hilft es auch nicht, immer wieder zu betonen, er sei best buddy mit Helmut Kohl gewesen und die Wiedervereinigung hätte er ja so toll unterstützt. Vor allem aber überschlägt sich die Presse mit der Meldung, wie großartig es doch sei, dass sich einer nicht wie ein vollkommen unzurechnungsfähiger Idiot in seinem Amt aufführt. Ist denn die Feststellung so sensationell, dass Donald Trump, man lese und staune, Amtsvorgänger hatte? Sind denn unsere Ansprüche an einen US-Präsidenten inzwischen so weit gesunken, dass wir da jeden bejubeln, der mehr IQ-Punkte auf die Waage bringt als ein Dreijähriger?
Ulrich Kelber ist Bundesdatenschutzbeauftragter.
Die Szene ist begeistert. Nachdem wir fünf Jahre lang faktisch keine Datenschutzbeauftragte hatten (Ok, wir müssen fair bleiben. Sie brauchte vier Jahre für die Einarbeitung, um dann kurz vor Ende ihrer Amtszeit zwei oder drei gute Sätze abzulassen.), hat die ehemals große Koalition die unfassbar tolle Entscheidung getroffen, jemanden ins Amt zu mauscheln, der - und jetzt alle festhalten - Informatik studiert hat. Na, wenn das nichts ist. Informatik! Trump hat übrigens einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften.
Gut, das ist natürlich auch schon ein paar Jahre her, und seitdem hat er sich nicht mehr besonders mit der Materie beschäftigt. Aber Informatik ist ja wie Radfahren, das verlernt man nicht. Deswegen hat er auch im Jahr 2009 für die Internetzensur gestimmt.
"Ja, aberaberaber, er war doch gegen die Vorratsdatenspeicherung." Richtig, er war. Inzwischen ist er dafür, komischerweise kurz nachdem er zum Staatssekretär unter dem damaligen Justizminister Heiko Maas ernannt worden war, dem von seiner Umfallnummer bei der Vorratsdatenspeicherung noch das frisch verbogene Rückgrat schmerzte. Seitdem ließ er keine Gelegenheit aus, zu betonen, wie wahnsinnig wichtig Datenschutz sei - so lang er die Wirtschaft betrifft. Der Staat hingegen, das ist ja ein ganz ein Lieber. Der schürt keinesfalls Terrorpanik (oder was gerade das aktuelle Feindbild ist), um ein Überwachungsgesetz nach dem nächsten durchzudrücken, und selbst wenn dem so wäre: Vertraut ihr etwa dem Staat nicht? Wann bitte haben jemals deutsche Überwachungsbehörden unser Vertrauen missbraucht?
Friedrich Merz wird Kanzler.
Ja, ich weiß, angeblich will die Mehrheit der Leute Kramp-Karrenbauer, aber das ist nicht die Mehrheit in der CDU, und auch die Mehrheit in der CDU ist nicht die Mehrheit der Delegiertenkonferenz. Warum die Leute Spahn so viel schlimmer als Merz finden, verstehe ich zwar nicht, aber ich verstehe, warum die CDU Merz wählen wird. Kramp-Karrenbauer steht zu sehr für die Fortführung der Merkel-Linie, und die hat dafür gesorgt, dass die CDU von 41,5 Prozent im Jahr 2013 auf Umfragewerte von teilweise weniger als 30 Prozent abgesackt ist. Gut, das ist im Vergleich zur SPD, deren einzig verbliebener Gegner die Fünf-Prozent-Hürde zu sein scheint, noch moderat, aber es scheint klar: Das einstige Erfolgsrezept des Hinschauens, Abwartens und späten Entscheidens funktioniert nicht mehr. Jetzt ist Umdenken angesagt, und in den Augen der CDU heißt das: Ab nach rechts, dorthin, wo sie die meisten Wähler verloren hat. In den USA, da hat das doch auch so ein komischer Populist und Geldzocker zum Präsidenten geschafft, den jetzt etwas dünner, besser frisiert und nicht ganz so bäuerlichem Auftreten, das wär's doch. Deswegen wage ich die Prognose: Merz wird Parteivorsitzender, und von da ist es nur ein kurzer Weg zur Kanzlerkandidatur. Ob er mit Schäubles Hilfe Merkel aus dem Amt putscht oder geduldig die nächste Bundestagswahl abwartet und sich dann aufstellen lässt, wage ich nicht zu prognostizieren. Was ich zu prognostizieren wage, ist: Wir werden uns noch die Jahre des bräsigen Dahindümpelns zurückwünschen. Die kommenden Jahre werden im Zeichen rechtspopulistischer Klientelpolitik für Reiche stehen.
Aktualisierung:
Mit dem Parteivorsitz lag ich falsch, wenn auch nur um 18 Stimmen, aber ich hatte mit einer deutlichen Mehrheit für Merz gerechnet. Dennoch glaube ich nicht, dass sich mit dieser Wahl das Thema "reaktionärer Populismus" in der CDU erledigt hat. Es ist nicht so, als hätte Kramp-Karrenbauer einen strahlenden Sieg davongetragen. Auch wenn ich meine, dass dieses Land schon erheblich schlechter als vom Merkel-Stil regiert wurde, weiß ich nicht, ob diese Wahl strategisch eine kluge Entscheidung war. Merz wird in den kommenden Monaten einfach nur abwarten müssen. Er wird zusehen, wie die CDU weiter an die AfD Stimmen verliert, um sich dann rechtzeitig vor der Bundestagswahl knallig zu Wort zu melden. Vielleicht mit dem Vorschlag, den Mittelstand, also Leute ab einem Jahreseinkommen von einer Millionen Euro, steuerlich deutlich zu entlasten und das dafür nötige Geld bei den Sozialleistungen für Flüchtlinge einzusparen. Vielleicht sind bis dahin aber auch die Muslime wieder das aktuelle Feindbild oder die Terroristen, die faulen Hartz-IV-Empfänger, die Pädophilen, die Pleitegriechen - irgendwer wird sich schon finden.